Aufnahme am alten Flughafen - Unterkunft Tegel hat eröffnet - erste Kriegsgeflüchtete dort eingetroffen
Im alten Flughafen Tegel hat am Samstag eine weitere Notunterkunft für Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine eröffnet. Berlin hat bereits seit Tagen Probleme, all die ankommenden Menschen unterzubringen. An der Messe öffnet Halle nach Halle.
In Berlin hat am Samstagabend mit dem alten Flughafengebäude von Tegel eine weitere Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine eröffnet. Das bestätigte Senatssprecher Stefan Strauß am Samstagabend dem rbb. Hier stehen zunächst rund 500 Schlafplätze bereit.
Geflüchtete werden nun laut Strauß in regelmäßigen Abständen per Bus vom aktuellen Ankunftszentrum (AKUZ) des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) oder spätabends von anderen Orten wie dem Hauptbahnhof oder dem Zentralen Omnibusbahnhof ZOB auch nach Tegel gebracht. Die Unterbringung in Tegel ist nur für kurze Zeit gedacht.
Parallel wird am Flughafen Tegel das neue Ankunftszentrum für bis zu 10.000 Menschen pro Tag aufgebaut, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Samstagabend. Am Sonntagnachmittag wollen Giffey und Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) in Tegel über das weitere Vorgehen informieren.
Am Samstagabend sagte Giffey bereits, es sei das Ziel, in dem Ankunftszentrum täglich mehr als 10.000 Menschen zu registrieren und zu verteilen, aber ihnen auch eine Erstversorgung und Beratung über Aufenthalt und Arbeit zu geben. Sie mahnte aber auch: "Wir sind darauf angewiesen, dass der Bund die Koordinierung übernimmt, die Registrierung klärt und weiteres Personal nach Berlin schickt. Wir werden das Ankunftszentrum in Tegel dann nach und nach auch mit Landespersonal und durch das DRK hochfahren und ausbauen können."
Ursprünglich war die Eröffnung der Tegler Notunterkunft erst für Sonntag geplant. Allerdings kommt die Unterbringung von Schutzsuchenden aus der Ukraine in Berlin zurzeit an ihre Grenzen. "Wenn sich nicht schnell etwas ändert, wird sich die Lage dramatisch zuspitzen", bestätigte Monika Hebbinghaus, Sprecherin vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) am Samstag. In Berlin entstehe gerade ein Flaschenhals. Die Kapazität in der Stadt sei stark ausgelastet. Grund sei, dass mehr Menschen aus der Ukraine in der Hauptstadt ankommen, als auf andere Bundesländer verteilt werden können. Sowohl Notunterkünfte als auch dauerhafte Unterbringungen, die Menschen auf der Durchreise aufnehmen können, seien stark überlastet - vor allem nachts.
"Wir bitten um Unterstützung des Bundes bei der Registrierung im Ankunftszentrum Tegel und für die Bus-Logistik, um Geflüchtete organisiert in andere Bundesländer zu bringen", forderte auch Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke).
In der Berliner Messe war in der Nacht zu Samstag bereits eine zweite Halle als Notunterkunft geöffnet worden. Dort übernachteten rund 900 Menschen. Im Laufe des Samstags sollten zusätzlich eine dritte und vierte Halle an den Start gehen, mit ähnlicher Kapazität. Die Fluktuation der Kommenden und Weiterreisenden sei hoch, hieß es von der Sozialverwaltung.
Nach Aussagen von Helfern war die Lage in der Messe-Notunterkunft am Samstag angespannt. So gebe es kein warmes Wasser und kein warmes Essen. Duschen gebe es ebenfalls nicht, hieß es. Freiwillige Helfer bemängelten, dass es in der Unterkunft zu voll sei und kaum Privatsphäre herrsche. Außerdem gebe es nicht genug Dolmetscher. Dem widersprach Messe-Pressesprecher Emanuel Höger teilweise: "Es gab und gibt warmes Wasser." Duschcontainer seien allerdings kurzfristig schwer zu bestellen. Die Unterkunft sei zudem als Notunterkunft zum Verschnaufen gedacht.
Nach rbb-Informationen kommen weiter Gruppen zu Fuß vom Zentralen Omnibus-Bahnhof zur Messe, in unregelmäßigen Abständen würden Busse vom Hauptbahnhof vorfahren. Weil es beim Weitertransport stockt, bleiben die Menschen den Angaben zufolge nicht nur 24 Stunden in der Notunterkunft, so wie ursprünglich vorgesehen, sondern teilweise auch 48 Stunden oder länger. Auch LAF-Sprecherin Hebbinghaus konnte das nicht ausschließen. Vereinzelt würden die Menschen schon eigenständig wieder aufbrechen, hieß es von den Helfenden.
Weitere Menschen blieben in Zügen und Bussen im und am Hauptbahnhof. Laut Sozialverwaltung befinden sich viele von ihnen auf der Durchreise in andere Teile Deutschlands, bekamen aber in der Nacht keine Anschlusszüge.
Helfer kritisierten auch hier die Lage. Am Bahnhof brauche man dringend eine russisch- und ukrainisch-sprachige psychologische Notfallbetreuung, medizinische Hilfe, ein tragbares Corona-Konzept, mehr Sicherheitspersonal und verlässliche Informationen zu Unterkünften, heißt es in einem am Samstag in Berlin verbreiteten Aufruf. Jede Nacht schliefen Hunderte Geflüchtete im Bahnhof, weil sie nicht wüssten, wo sie hinsollen. Dringend benötigt werde zudem warmes Essen und warme Getränke.
Der Berliner Senat teilte am Samstag mit, die Verpflegung der Flüchtlinge am Hauptbahnhof werde künftig vom Bund und Berlin übernommen und bezahlt. Zusammen mit der Messe sollen zunächst 10.000 Essensportionen pro Tag bereitgestellt werden.
Bei der Verteilung über Schlüssel hakt es
Laut LAF-Sprecherin Hebbinghaus setzt Berlin zwar schon auf die Strategie der Weiterleitung - das heißt, wer nicht krank oder besonders schutzbedürftig ist, und wer keine Familie in Berlin hat und damit reisefähig ist, wird in andere Bundesländer weitergeleitet - das Problem sei aber, dass Berlin aktuell händisch die Bundesländer einzeln per Liste abtelefonieren müsse, um herauszufinden, wo in der Fläche noch Aufnahmekapazitäten seien.
Der Königsteiner Schlüssel sei natürlich ein gutes Mittel der fairen Lastenverteilung unter den Ländern, hieß es aus dem LAF. Doch es könne nur verteilt werden, wer auch registriert ist. Da viele Menschen aus der Ukraine aber momentan mit einem Touristenvisum in Berlin ankommen, ohne registriert zu werden, oder ohne registriert werden zu können, weil sie etwa zunächst Hilfe von einer Kirchengemeinde oder in einem Hostel bekommen, sei der Schlüssel nicht anwendbar. Außerdem brauche es zur Eingabe der Registrierten in den Königsteiner Schlüssel eine bestimmte Software und Zugang in ein spezielles Datennetz, das nur tagsüber genutzt werden kann.
Benötigt werden Duschen und WCs
Solch ein Registrierungsnetz soll etwa in Tegel mit der Registrierungsstraße erst noch angeschlossen werden. "Dieses System ist angelegt auf Friedenszeiten", sagte Hebbinghaus dem rbb. "Jetzt haben wir aber eine Notlage."
Um die angespannte Lage zu entschärfen, bräuchte es laut LAF-Sprecherin Hebbinghaus verbindliche Zusagen vom Bund über die zuständigen Stellen und Aussagen dazu, wie die Verteilung auch in der Praxis schnell funktionieren kann. Die Sozialverwaltung forderte vom Bund zudem schnelle Unterstützung vor allem für die Anschaffung von Duschen und WCs, für die Koordination der Bus-Logistik, beim Catering und Personal.
Die Sozialverwaltung hatte zuletzt klargestellt, dass Menschen aus der Ukraine bereits jetzt, auch ohne registriert zu sein, ein Anrecht auf Sozialleistungen in Berlin hätten. Das könnte die Frage der Unterbringung - ohne Registrierung - noch einmal verschärfen.
Sendung: Inforadio, 12.03.2022, 15 Uhr
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