Putin-Treue - Berliner Staatsoper lässt Anna Netrebko nicht auftreten

Fr 04.03.22 | 08:09 Uhr | Von Maria Ossowski
Anna Netrebko bei einem Konzert in Prag am 27.12.2021. (Quelle: dpa/Roman Vondrous)
Audio: Inforadio | 04.03.2022 | Maria Ossowski | Bild: dpa/Roman Vondrous

Die russische Sopranistin Anna Netrebko sollte im Juni die bereits ausverkauften Vorstellungen von Puccinis Turandot singen. Da sie sich nicht von der russischen Regierung und ihrem völkerrechtswidrigen Einmarsch in die Ukraine distanziert hat, endet die Zusammenarbeit mit dem Haus Unter den Linden. Von Maria Ossowski

Leicht hat sich die Staatsoper Berlin diese Entscheidung nicht gemacht. Die Premiere und alle Vorstellungen im Juni sind bereits ausverkauft gewesen - die Sopranistin Anna Netrebko zieht das Opernpublikum magisch an. Intendant Matthias Schulz sei, wie er sagt, dennoch mit ihr überein gekommen, dass sie nicht auftreten wird. Ihm sei wichtig, dass diese Entscheidung sich nicht auf russische Künstler im Allgemeinen bezieht, im Gegenteil.

"Es geht jetzt um Krieg"

Schulz sagt: "Diese Brücken abzureißen, wäre völlig falsch, sondern man muss sie intensivieren. Es braucht aber die ausreichende Distanz zu dem, was gerade passiert. Wir sprechen nicht über eine politische Einstellung oder Haltung, sondern es geht jetzt um Krieg." Das seien Verbrechen, die jetzt passierten, die durch nichts zu rechtfertigen seien. "Es ist deshalb einfach unmöglich, dass jemand auf dieser Bühne steht, der das offen befürwortet oder der sich nicht ausreichend davon distanzieren kann", so Schulz.

Ihm sei klar, dass Künstler wie Netrebko auch unter Druck stehen könnten. Aber ihr trotziges Statement auf Instagram sei unverschämt. Sie um Distanz zu bitten und ein dazu gepostetes Foto mit dem Dirigenten und Putinfreund Valerij Ghergiev zeigten deutlich, dass die Sängerin nicht willens sei, den Krieg als Verbrechen zu bezeichnen und seinen Verursacher zu nennen.

Barenboim: Es gibt viele anständige Russen

Chefdirigent Daniel Barenboim differenziert ebenfalls. Nicht alle russischen Künstlerinnen sollten in einen Topf geworfen werden, mahnt er. "Ich finde nicht gut, dass man automatisch alle russischen Künstler absagt." Es gebe viele anständige Russen, die nichts mit der Politik zu tun hätten. "Bei Leuten jedoch, die Putin-Enthusiasten sind, und die nicht bereit sind, sich in dieser Situation zu distanzieren, verstehe ich, dass man sie nicht bei uns reinlässt", so Barenboim.

Putin, so Barenboim sehr offen, habe er einst geschätzt, der russische Präsident jedoch habe sich enorm verändert. "Ich habe Putin mehrere Jahre verteidigt, weil ich seine Kritik am Westen nach dem Fall der Mauer richtig fand. Die Rede im Bundestag, ich habe ihn bewundert. Umso größer ist meine Verachtung jetzt für ihn. Das ist kriminell", meint Barenboim.

Der Dirigent bezeichnet Putin als Verbrecher, der Zivilisten ermorden lasse. Für ihn sei dies auch persönlich eine traumatische Situation. Seine väterliche Familie stammt aus der Ukraine, seine mütterliche aus Belarus, beide Familien sind dem Antisemitismus geflohen.

Barenboims Frau ist eine russische Pianistin, seine Schwiegertochter ist Russin. Musik verbinde, so Barenboim, aber der Dialog im Moment müsse ein politischer sein.

Hoher Preis für Treue zu Putin

Anna Netrebko wohnt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Wien und New York. Sie besitzt auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie hat in den letzten Tagen sowohl ihre Engagements in New York an der Metropolitan Opera als auch in Hamburg in der Elbphilharmonie und in Berlin verloren. Die 50-jährige Sängerin zahlt für ihre Treue zu Putin einen hohen Preis.

Sendung: Inforadio, 04.03.2022, 8:55 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 04.03.2022 um 20:35 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Maria Ossowski

Nächster Artikel