Interview | Nachlassende Spendenbereitschaft - "Im Monat fehlen uns 20.000 Euro allein für Lebensmittel"
Viele Lebensmittel sind teurer geworden, das merken auch die Hilfsorganisationen in Berlin. Hinzu kommt: Die Spendenbereitschaft nimmt ab und die Zahl der Bedürftigen ist gestiegen. "Arche"-Vorstand Bernd Siggelkow bleibt nur der Appell: Spenden!
rbb|24: Herr Siggelkow, wie erleben Sie bei der "Arche" die aktuelle Situation?
Bernd Siggelkow: Wir kämpfen mit dem großen Problem, dass die Spendenbereitschaft seit Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine massiv zurückgegangen ist. Es fehlt vor allem finanzielle Hilfe, aber auch Sachspenden und Lebensmittel. Viele große Organisationen rufen derzeit zum Helfen auf, aber es sind die kleinen Hilfsstellen wie unsere, zu denen die Menschen weiterhin kommen. Und da jetzt nicht nur die bedürftigen Berlinerinnen und Berliner, sondern auch die Menschen aus der Ukraine zu uns kommen, spüren wir gerade eine Doppelbelastung.
Wie viele Spenden fehlen der "Arche" monatlich?
Wir haben früher vor allem von privaten Spendern gelebt, die uns ihre haltbaren Lebensmittel gebracht haben. Das reicht heute bei Weitem nicht mehr aus. In Berlin haben wir einen Bedarf von 5.000 Euro für Essen pro Woche. Im Monat fehlen uns also 20.000 Euro allein für Lebensmittel. Das klingt erstmal nach viel Geld, aber wenn man es auf das einzelne Kind runterbricht, bleibt nicht mehr so viel. Allein in Marzahn-Hellersdorf haben wir 1.200 Kinder, die wir über unsere Einrichtung betreuen und jetzt kommen pro Tag 200 Menschen aus geflüchteten Familien dazu. Während Corona hatten wir einen Bedarf von 1.000 Euro pro Woche, aber da haben wir den Menschen das Essen auch an die Tür gebracht. Jetzt sind es viel mehr Menschen und die Kosten sind erheblich.
Wie beeinflusst diese Situation gerade die tägliche Arbeit Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Ich war so erleichtert, dass wir mit Corona die eine Krise überstanden hatten. Jetzt sind wir mitten in der nächsten. Schon während der Pandemie mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über ihre eigenen Kapazitäten arbeiten. Jetzt sind die Geflüchteten da, und es sind wirklich sehr viele. Das heißt: Wir alle müssen wieder sehr viel mehr tun, um den Menschen helfen zu können. Wir machen uns jeden Tag Gedanken: Wie können wir den vielen geflüchteten Menschen gerecht werden? Es ist schon belastend.
Was glauben Sie, welche Auswirkungen werden die fehlenden Spenden in Zukunft haben?
Wenn es uns nicht gelingt, wieder genügend Spenden einzusammeln, dann wird es nicht nur uns, sondern vielen Hilfsorganisationen sehr schlecht gehen. Und es wird dazu führen, dass wir unsere Arbeit einschränken müssen. Das ist natürlich das Letzte, was wir wollen. Viele Menschen haben in den vergangenen Wochen sehr viel Geld ausgegeben, um in der Ukraine zu helfen. Da ist klar, dass die Spendenbereitschaft zurückgeht. Aber der Krieg wird nicht morgen vorbei sein, und wenn er dann endlich vorbei ist, brauchen die Menschen weiterhin unsere Hilfe, um ihre Häuser und Städte wiederaufzubauen. Viele werden auch hierbleiben und dann werden wir sie, so gut es geht, unterstützen.
Was fordern Sie?
Zum einen bitte ich die Politik, dass sie die Ehrenamtlichen und Hilfsorganisationen jetzt nicht im Stich lassen dürfen. Sie leisten das, was die Menschen eigentlich an Unterstützung vom Staat bräuchten. Und zum anderen wünsche ich mir, dass die Spendenbereitschaft der Berlinerinnen und Berliner auch für die Arche wieder zu nimmt. Kinderarmut war in Berlin schon vor Corona und vor dem Krieg ein Problem. Jetzt kommen Menschen, die in ihrer Heimat alles verloren haben, noch hinzu. Und für sie reicht es oft nicht, nur etwas zu essen zu haben. Es bräuchte noch mehr Einrichtungen, die den geflüchteten Menschen eine Tagesstruktur geben, sie moralisch unterstützen und ihnen helfen, ihr Trauma zu überwinden.
Wie können spendenbereite Menschen die Arche aktuell unterstützen?
Was wir am dringendsten brauchen, sind haltbare Lebensmittel. Vieles ist einfach zu teuer geworden, als dass sich das unsere Besucher leisten könnten. Wir brauchen außerdem Unterwäsche für Kinder, Hygieneartikel und Spielzeug. Und wir brauchen natürlich auch finanzielle Hilfe, damit wir überhaupt über die Runden kommen. Und: Wir freuen uns auch immer über ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Vanessa Materla.