Giffey verweist auf Versammlungsfreiheit - Empörung über pro-russischen Autokorso durch Berlin
Ein Auto-Korso mit hunderten Teilnehmern in Berlin, die für Russland demonstrieren, führt zu scharfer Kritik - nicht nur von Ukrainern. Die Regierende Bürgermeisterin zeigt Verständnis, verweist aber auf die Versammlungsfreiheit.
Nach dem großen Autokorso mit russischen Fahnen, der am Sonntag durch Berlin gefahren ist, gibt es von mehreren Stellen deutliche Kritik daran, dass die Demonstration nicht durch die Versammlungsbehörde verboten wurde.
Der ukrainische Botschafter in Deutschlan, Andrij Melnyk, schrieb am Montag auf Twitter an die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gerichtet: "Um Himmels willen, wie konnten SIE diesen Auto-Corso der Schande mitten in Berlin zulassen?" Melnyk betonte in seinem Tweet besonders, dass der Autokorso an dem Tag fuhr, an dem die russischen Massaker an ukrainischen Zivilisten in Butscha ans Licht gekommen seien.
Nach dem Rückzug russischer Truppen aus dem Gebiet rund um die ukrainische Hauptstadt Kiew hatten am Sonntag Fotos von getöteten Menschen in der Stadt Butscha für Entsetzen gesorgt. Bislang sollen laut ukrainischen Medienberichten mehr als 300 leblose Körper geborgen worden sein. Journalisten der Nachrichtenagentur AP und von BBC schildern den Fund von Leichen mit zusammengebundenen Händen [tagesschau.de]. Augenzeugen berichten über die gezielte Tötung von Zivilisten durch russische Soldaten.
Ermittlungen wegen "Z"-Symbol
Giffey antwortete auf die Vorwürfe des ukrainischen Botschafters ebenfalls auf Twitter und zeigte Verständnis für die Kritik. Sie verstehe den Ärger, teilte sie mit. Der Autokorso sei als Demonstration gegen die "sich aktuell verschärfende Diskriminierung russischsprachiger Menschen in unserer Stadt" angemeldet gewesen.
Bei dem Autokorso ist nach Angaben von Innenstaatssekretär Torsten Akman (SPD) auch ein verbotenes "Z"-Symbol zur Unterstützung des Angriffskrieges in der Ukraine gezeigt worden. Insgesamt seien seit Beginn des Kriegs am 24. Februar fünf Fälle von gezeigten "Z"-Symbolen in Berlin bekannt geworden, sagte er am Montag im Innenausschuss.
Polizeisprecher Thilo Cablitz erklärte allerdings am Montag, es sei unklar, ob die Fahrerin mit dem "Z"-Symbol am Auto an der Demonstration teilnehmen wollte. In einer Pressemitteilung der Polizei vom späten Nachmittag hieß es dann, das Fahrzeug habe nicht zum Autokorso gehört. Gegen die Fahrerin wurde demnach ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Der Polizei zufolge hatten bis zu 450 Fahrzeuge und 900 Demonstranten an dem Autokorso teilgenommen. Der Zug war demnach gegen 12:15 Uhr am Bahnhof Ahrensfelde gestartet, am Sowjetischen Ehrenmal am Treptower Park fand eine Zwischenkundgebung statt, gegen 16:50 endete der Autokorso am Olympischen Platz in Westend.
Giffey: "Z"-Vorgang wird strafrechtlich verfolgt
Giffey betonte: "Ich verurteile jegliche Äußerung, die den russischen Angriffskrieg verharmlost oder legitimiert, auf das Schärfste." Daher sei das Auto mit dem in Berlin verbotenen "Z"-Zeichen herausgezogen worden. Der Vorgang werde jetzt strafrechtlich verfolgt.
Zudem wies Giffey darauf hin, dass für die Demonstration die Versammlungsfreiheit gegolten habe. Berlin stehe an der Seite Ukraine. Sie stehe überdies in gutem Kontakt zu Melnyk und habe mit ihm mehrfach über die Hilfe für die Ukraine und die Versorgung tausender Flüchtlinge gesprochen.
Auch die Berliner Polizei äußerte sich zu der Kritik von Melnyk: "So schwer es gesellschaftlich zu ertragen ist, vor allem vor dem Hintergrund der Ereignisse in Butscha, ist eine solche Versammlung dennoch Bestandteil unserer Demokratie - und grundgesetzlich geschützt", hieß es. "Unter demokratischen, rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gab es keine Möglichkeit, die Versammlung zu verbieten."
CDU fordert vom Senat mehr Sensibilität
Kritik an dem Autokorso in Berlin kommt auch von der CDU der Stadt: "Dieser Schaulauf der kriegerischen Kreml-Propaganda macht einen fassungslos", teilte Stephan Standfuß, verfassungsschutzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion Berlin, am Montag mit. Seine Fraktion wolle wissen, "welche Verbindungen des Einzelanmelders bestehen, inwieweit dies aus Moskau gesteuert worden ist. Für uns ist das ein klarer Auftrag an den Verfassungsschutz."
Weitere Aufzüge dieser Art müssten "mit mehr Sensibilität durch den Senat begleitet werden." Auflagen wie räumliche Einschränkungen müssten möglich sein, um so Provokationen etwa vor Flüchtlingsunterkünften zu vermeiden, so Standfuß.
Gegenproteste an der Strecke
Der Autokorso durch Berlin wurde als Demonstration mit dem Titel "Keine Propaganda in der Schule - Schutz für russischsprechende Leute, keine Diskriminierung" von einer Einzelperson angemeldet. Um wen es sich dabei handelt, wollte die Berliner Polizei auf rbb-Anfrage nicht sagen.
In Videos auf verschiedenen-Social Media-Kanälen sind dutzende hupende Autos mit Russland- und auch Sowjet-Fahnen zu sehen, zudem Gegendemonstranten mit ukrainischen Fahnen am Rand der Strecke. Vereinzelt soll es dabei auch zu Wortgefechten und gegenseitigen Beschimpfungen gekommen sein. Laut Polizei blockierten Gegendemonstranten nahe dem Bahnhof Ahrensfelde den Fahrtweg des Autokorsos. Die Gegendemonstranten hätten von den Einsatzkräften "abgedrängt" werden müssen.
Fotos, die von der Organisation "Friedensdemo-Watch" auf Twitter geteilt werden, zeigen zudem einen David-Stern und das Wort "Russe" auf einem Auto, das dem Versammlungsleiter des Autokorsos gehören soll. Auf Anweisung der Polizei habe er das wieder entfernen müssen. Die Polizei bestätigte, dass ein Judenstern an einem Fahrzeug angebracht wurde, sprach aber nur von einem Versammlungsteilnehmer. Gegen den Mann sei ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet worden.
Nach Angaben von "Friedensdemo-Watch" haben die Organisatoren des Autokorsos bereits am 5. März eine Kundgebung am Brandenburger Tor durchgeführt. Dabei sei auch ein Propaganda-Schild gezeigt worden, auf dem behauptet wurde, die ukrainische Regierung sei von Nazis durchsetzt.
Rechtsgrundlage: §140 Strafgesetzbuch
Das "Z"-Symbol wird in der Ukraine von den russischen Truppen benutzt. Wenn dieses Zeichen in Berlin verwendet wird, um Unterstützung für den russischen Angriffskrieg zu demonstrieren, werde die Polizei tätig. "Maßgeblich ist der Kontext", erläuterte Akmann im Innenausschuss. Ermittlungen würden nach Völkerstraf- und das Strafrechtgesetz geführt.
Der §140 des Strafgesetzbuchs besagt - vereinfacht ausgedrückt - dass das Billigen von bestimmten Straftaten ebenfalls strafbar ist. Man stellt sich damit moralisch hinter den Täter oder die Täterin. Das Gesetz sieht in der Theorie bis zu drei Jahren Gefängnis vor, die Anwendung des Paragraphen auf das Z-Symbol wird laut Expertin in der praktischen Handhabe aber schwierig: Aus der Verwendung des "Z" muss "eindeutig" abzulesen sein, dass es als Befürwortung des russischen Krieges in der Ukraine gemeint sei und zwar - und das ist entscheidend - für einen "durchschnittlichen Empfänger". Auch in Brandenburg und anderen Bundesländern ist die Verwendung des Symbols verboten.
Sendung: rbb24 Abendschau, 04. April 2022, 19:30 Uhr