Sozialarbeiter und Sprachpaten - Berliner Schulen bereiten sich auf neue Willkommensklassen vor
Jeden Tag kommen tausende Flüchtlinge aus der Ukraine nach Berlin, darunter viele Kinder und Jugendliche. Nötig sind für sie neben Unterkünften auch Schulplätze. Schulen bereiten für sie neue Willkommensklassen vor. Von Kirsten Buchmann
An einem Fenster neben dem Eingang der Hans-Litten-Schule in Charlottenburg-Wilmersdorf klebt eine blau-gelbe Flagge der Ukraine. Geflüchtete von dort werden in zwei neue Willkommensklassen der Schule kommen. Die siebzehnjährige Schülerin Karolina will als Sprachpatin helfen, dass sie sich zurechtfinden: "Ich komme aus der Ukraine und bin erst seit fast fünf Jahren in Deutschland. Früher war ich auch in einer Willkommensklasse und weiß, wie das ist. Ich würde sie gerne dabei unterstützen, sich schnell in Deutschland zu integrieren."
Zeigen, wie es an der Schule läuft
Sie will übersetzen und den Neuen zeigen, wie es in der Schule in Deutschland läuft. Ihr Mitschüler Murad hat das ebenfalls vor. Denn er kann sich gut erinnern, wie ihm als Neuankömmling aus Aserbaidschan vor sieben Jahren in Deutschland geholfen wurde: "Mein erster bester Freund in Deutschland war ein Deutscher. Er hat mir Deutsch beigebracht. Ich habe Englisch gesprochen, er Deutsch. So habe ich mich langsam verbessert."
Der Leiter der Hans-Litten-Schule, Jens Finger, nimmt auch russischsprachige Schülerinnen und Schüler als unglaublich hilfsbereit wahr: "Ich sehe momentan noch kein Konfliktpotenzial. Das kann sich entwickeln, das weiß ich nicht. Aber derzeit scheint eher die Hilfsbereitschaft da zu sein."
Die Lehrerin Evelina Gesse freut sich, dass sich Karolina, Murad und andere an der Schule um die Geflüchteten aus der Ukraine kümmern wollen: "Wir hoffen, dass die Patenschaften für die Neuangekommenen sehr hilfreich sein werden."
Rund 20 Stunden Deutschunterricht pro Woche
Als Lehrerin wird sie eine der beiden neuen Willkommensklassen an der Hans-Litten-Schule übernehmen. 18 bis 20 Stunden pro Woche werden die Schülerinnen und Schüler in den Willkommensklassen Deutsch lernen, dazu erhalten sie Fachunterricht. Eike Buchheim, Abteilungsleiter an der Schule, will sie schrittweise mit anderen Schülerinnen und Schülern zusammen lernen lassen. Er plant, "dass die ukrainischen Jugendlichen mit ihren Sprachpaten in den Mathematik-, naturwissenschaftlichen und Englischunterricht in deren Klasse mitgehen können, um sie möglichst schnell an die normalen Regelschüler anzudocken."
Neben den Lehrern und den Sprachpaten steht auch schon Sozialarbeiterin Christa Heitmann bereit, um die Jugendlichen zu unterstützen. Das soll "vom Antrag ausfüllen" bis zu persönlichen Problemen reichen. Entweder könne sie ihnen dann direkt weiterhelfen oder sie zu der richtigen Stelle schicken.
Bildungssenatorin: den Geflüchteten Zeit lassen
Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse will den Geflüchteten ein paar Tage Zeit geben, bevor sie in die Schule kommen. "Die Kindern sind ja auch traumatisiert, sie müssen erst mal zur Ruhe kommen – so wichtig Schule ist."
Einen genauen Zeitplan nennt sie nicht. Bisher gibt es in Berlin 540 Willkommensklassen, in denen rund 6.000 Schülerinnen und Schülern vor allem Deutsch lernen. Zeitnah sollen laut der Bildungsverwaltung nun allein an den beruflichen Schulen 50 Willkommensklassen für über 16-Jährige entstehen, weitere würden an den allgemeinbildenden Schulen eingerichtet. Die Senatorin lobt das Engagement von Schulen, schnell neue Willkommensklassen zu schaffen. Unterricht will sie aber auch darüber hinaus organisieren. Sie spricht von den Unterkünften: "Wir werden auch gucken, dass wir dann in die neuen großen Zentren Tegel, Tempelhof und Treptow-Köpenick vor Ort gehen müssen, denke ich. Das hat ja dann keinen Sinn, man kann die Kinder nicht auf umliegende Schulen verteilen."
"Schüler aus einem sehr leistungsfähigen Schulsystem"
Für den Unterricht sucht sie auch unter den Geflüchteten Pädagogen. Geld, um zusätzliche Ausgaben zu finanzieren, erhofft sie sich vom Bund. Die Hans-Litten-Schule setzt für den Anfang auf ihre vorhandenen Willkommensklassen-Lehrerinnen und -lehrer, plus zwei mit ihrem Personalkostenbudget engagierte Kräfte. Schulleiter Jens Finger sagt: "Momentan haben wir Schüler aus 42 Nationen hier an der Schule. Bei den Schülern, die jetzt aus der Ukraine kommen, erwarten wir Schüler aus einem sehr leistungsfähigen Schulsystem. Wir glauben, dass wir sie sehr schnell sprachlich soweit entwickeln und an normale Regelbildungsgänge andocken können."
Wann er die neuen Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine zugewiesen bekommt, weiß der Schulleiter noch nicht. Ein Grund dürfte sein: Sie brauchen laut einer Informationsseite der Bildungsverwaltung zur Schulanmeldung eine Meldebescheinigung. Wohnungs- und Postadresse sollten ihr zufolge bekannt sein. Mehrere Schulen sowie auch Kitas hätten bereits Geflüchtete aus der Ukraine unbürokratisch aufgenommen.
Wenn die Jugendlichen in ihren Klassen da sind, will die Hans-Litten-Schule für sie zum Kennenlernen ein gemeinsames Essen mit ihren Sprachpaten veranstalten.