Abhängigkeit von Rohstoffen - Brandenburger Brachflächen könnten zum Anbau von Futtermitteln genutzt werden
Wegen des Russland-Ukraine-Krieges verknappt sich das Angebot von Futtermitteln auf den Weltmärkten. Das führt zu Preissteigerungen. Die EU versucht die Abhängigkeit zu verringern. Experten sehen Chancen, aber auch Grenzen.
Russland und die Ukraine gelten als wichtige Exporteure von Agrarprodukten. Durch den russischen Angriffskrieg fallen derzeit beide Länder für den Welthandel aus – Russland durch Sanktionen, die Ukraine durch dort stattfindende Kriegshandlungen. Die Situation auf den Märkten verschlimmert sich und die Agrarprodukte werden dadurch teurer. Es droht Lebensmittelknappheit.
Eiweißhaltige Pflanzen für Brandenburger Landwirte
Bisher haben örtliche Landwirte aus der Ukraine eiweißhaltige Pflanzen wie Sonnenblumen oder Soja als Futtermittelzusatz für die Tiermast bezogen. Doch der Krieg zeigt auf, dass die bisherige Form von Landwirtschaft möglicherweise wenig Zukunft hat. Daher wird nach Alternativen gesucht - auch in Brandenburg.
"Wir sind mit der Landwirtschaft an einem Grundproblem, das jetzt durch diese Krise überhaupt deutlich wird", sagt Moritz Reckling vom Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Reckling forscht am ZALF über den Anbau von proteinreichen Pflanzen wie Soja, Mais, Ackerbohnen oder Lupinen. Seiner Meinung nach sei das Ernährungssystem mittlerweile sehr abhängig von Rohstoffen. "Wir haben uns sozusagen daran gewöhnt, sogenannte Proteinpflanzen zu importieren", so der Wissenschaftler.
Statt des Imports dieser Pflanzen als Futtermittel könnte der Anbau auf heimischen Flächen eine Chance für die Brandenburger Landwirtschaft sein. Neben mehr Unabhängigkeit würde ein solcher Schritt auch zur Biodiversität auf Feldern beitragen, erklärt Reckling.
40.000 Hektar Brachflächen
Die EU-Agrarminister beraten derzeit, wegen des Russland-Ukraine-Krieges beispielsweise Brachflächen zu Anbauflächen umzuwandeln. Zur Ankurbelung der Produktion plant die Kommission, vorübergehend die Bewirtschaftung von Brachflächen zu gestatten, die eigentlich zur Förderung der Artenvielfalt dienen sollen. Bislang ist es jedoch noch zu keiner Einigung gekommen.
Etwas weiter ist da schon Deutschland: Der Bundesrat hatte vor einem Monat beschlossen, dass diese Flächen aus der Regelung ausgenommen werden. Allein in Brandenburg liegen rund 40.000 Hektar brach. Viele dieser Flächen dienen bislang als sogenannte ökologische Vorrangflächen, die Insekten und anderen Tieren Lebensraum bieten.
Den Anbau von proteinreichen Pflanzen auf diesen Flächen im nennenswerten Umfang auszuweiten, sieht Reckling dennoch skeptisch: "Oft sind die ökologischen Vorrangflächen eben auch Flächen, die jetzt nicht die höchste Bodengüte haben und eher sandig und von der Ertragsstruktur her eher geringer einzuschätzen sind." Ob damit der Ausfall auf den Weltmärkten abgemindert werden könnte, bleibe somit abzuwarten.
Landwirt skeptisch
Das sieht auch Landwirt Lukas Kersten aus Friedersdorf (Märkisch-Oderland) ähnlich: "Aus meiner Sicht kommt es darauf an, über wie viele Hektar Brachflächen wir tatsächlich reden und wie potent diese Flächen sind." In seiner ökologischen Landwirtschaft baut Kersten bereits proteinreiche Pflanzen auf seinen Feldern an. Er glaubt, dass eine Ausweitung des Anbaus die derzeitige Situation nicht entspannen würde: "Ich würde sagen, das ist jetzt nicht so viel, um diese große Krise zu bekämpfen."
Als Öko-Bauer betrifft Kersten die neue Regelung sowieso nicht. Sie wird zunächst nur für konventionelle landwirtschaftliche Betriebe gelten. Ob andere Landwirte von der Freigabe der Brachflächen für Futtermittelanbau letztlich Gebrauch machen, bleibt ihnen überlassen.
Sendung: Antenne Brandenburg, Antenne am Nachmittag, 02.05.2022, 16:10 Uhr
Mit Material von Jakub Paczkowski