Deutsche Approbation fehlt - Grüne fordern Sonderregelung für ukrainische Ärzte

Mi 18.05.22 | 07:34 Uhr | Von Angela Ulrich und Tobias Schmutzler
Ein Mediziner in Berlin ein Stethoskop in der Hand. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: Inforadio | 18.05.2022 | Angela Ulrich | Bild: dpa/Britta Pedersen

Unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind viele Ärztinnen und Ärzte. Aber sie dürfen in Berlin nicht praktizieren, da ihnen die deutsche Approbation fehlt. Die Grünen fordern eine Regelung wie schon 2015. Von Angela Ulrich und Tobias Schmutzler

Oliver Schruoffenegger schüttelt den Kopf. Der grüne Umwelt- und Baustadtrat im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf erzählt von seiner Mitbewohnerin Ludmilla M., eine Zahnärztin aus dem ukrainischen Charkiw. Die Schruoffeneggers haben die 41-Jährige mit ihrem Sohn vor ein paar Wochen bei sich aufgenommen.

Inzwischen sei das gesamte Praxisteam aus Charkiw mit weiteren Ärzten aus der Ukraine nach Berlin gekommen. Aber keiner von ihnen dürfe praktizieren, sagt Schruoffenegger. Ihnen fehle die deutsche Approbation.

Die Approbation sei mit guten Deutschkenntnissen verbunden, die aber keiner der geflüchteten Ärztinnen und Ärzte habe, konkretisiert der Umwelt- und Baustadtrat. "Dass sie dann nicht im deutschen Gesundheitswesen behandeln dürfen, ist verständlich", fügt Schruoffenegger an. "Aber das wollen sie ja auch gar nicht, sondern ukrainische Landsleute behandeln, und zwar ausschließlich." Aber auch das geht ohne Berufserlaubnis nicht.

Grüne setzen sich für Sonderregeln für ukrainische Ärztinnen und Ärzte ein

Schruoffenegger und die Grünen auf Landes- und Bundesebene wollen das ändern. Sie setzen sich für Sonderregeln für ukrainische Ärztinnen und Ärzte ein, wie es sie auch 2015 bereits für damals meist aus Syrien geflüchtete Mediziner gab. Sie machen sich für vorübergehende Berufserlaubnisse stark.

"Damit haben wir damals gute Erfahrungen gemacht", sagt Janosch Dahmen, Gesundheitspolitiker in der grünen Bundestagsfraktion. "Sie konnten begrenzt in der Versorgung von anderen Geflüchteten eingesetzt werden. Genau das wollen wir jetzt wieder schaffen."

2015 gab es besondere Regeln im Aslybewerberleistungsgesetz. In § 90 war die "Ermächtigung zur vorübergehenden Ausübung von Heilkunde" geregelt. Danach durften geflüchtete Medizinerinnen und Mediziner in Asyleinrichtungen befristet unter Verantwortung eines Arztes andere Asylsuchende behandeln - auch ohne Approbation. Diese vorübergehende Berufserlaubnis war zeitlich befristet.

Jetzt müsste eine solche Regelung zwar anderswo verankert werden, da geflüchtete Ukrainer in Deutschland kein Asyl beantragen müssen. Für Dahmen sind das allerdings Kleinigkeiten: "Es geht nicht darum, eine allgemeine Berufserlaubnis auszusprechen, sondern darum, dass geflüchtetes Gesundheitsfachpersonal zeitlich begrenzt in der Versorgung anderer Geflüchteter tätig sein kann. Da sollten wir keine Angst haben, sondern pragmatisch vorgehen", meint Dahmen.

Pflegekräfte aus der Ukraine dürfen bereits recht unkompliziert eingesetzt werden

Pflegekräfte aus der Ukraine dürfen bereits recht unkompliziert im Gesundheitswesen eingesetzt werden - vor allem als Hilfskräfte unter Aufsicht von Fachpersonal. Sie dürfen sich auch ihre Abschlüsse anerkennen lassen. Zudem dürfen sie sich parallel zum Beruf fortbilden und die deutsche Sprache erlernen. So steht es in den Regeln des zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso).

Bei Ärztinnen und Ärzten sieht des anders aus: Sie dürfen nur mit Approbation oder vorübergehender Berufserlaubnis praktizieren. Beides muss beim Lageso beantragt werden. Und hier beginnt das Problem, sagt Linken-Gesundheitspolitiker Tobias Schulze. Schon vor dem Krieg in der Ukraine habe es einen riesigen Stau bei den Berufsanerkennungen ausländischer Medziner gegeben. Schulze spricht vom "Flaschenhals" Lageso.

"Wir haben einfach zu wenig Kapazitäten für die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen", beklagt Schulze. In den Haushaltsberatungen sei die rot-grün-rote Koalition in Berlin aber dabei, Abhilfe zu schaffen: Es soll für die Anerkennungsverfahren mehr Stellen im Lageso geben. Von einer "einstelligen Zahl" zusätzlich spricht Schulze.

Schulze für schnelles Ausstellen allgemeiner Approbationen aus

Diese neuen Kräfte seien dann aber vor allem für reguläre Approbationen zuständig, also für Antragstellende mit gleichwertigem Berufsabschluss, die auch noch sehr gut Deutsch - auf dem Niveau C1 - sprechen können. Das ist aber bei kaum einem Ukrainer derzeit der Fall. Daher streben die Grünen die Sonderregelungen an, von denen Schulze aber nicht begeistert ist. Es müssten trotzdem die Qualifikationen der geflüchteten Mediziner ganz genau geprüft werden. "Wir wollen ja nicht irgendwen zum Arzt ernennen."

Schulze sieht außerdem abrechnungstechnische Probleme mit den Krankenkassen. Daher ist er nicht für Provisorien, sondern dafür, dass schneller allgemeine Approbationen erteilt werden.

Auch Peter Bobbert, Präsident der Berliner Ärztekammer, ist eher zurückhaltend. Man könne zwar überlegen, ob "Ukrainer behandeln Ukrainer" eine Hilfe im Gesundheitssystem sein könne, "aber nur im Einzelfall und unter einem ganz speziellen Setting, damit die Qualifikation der Arbeit niemals infrage steht."

Schruoffenegger will "Gesundheitszentrum für Ukrainer" in Tegel

Sinnvoller findet Bobbert es, wenn ukrainische Ärzte, die noch keine Berufserlaubnis haben, mit deutschen approbierten Medizinern zusammenarbeiteten. Dann wäre auch die Sprachbarriere geringer. Genaue Zahlen über geflüchtete ukrainische Ärztinnen und Ärzte in Berlin hat Bobbert nicht. Die Ärztekammer geht von einer "zweistelligen Zahl" aus.

Oliver Schruoffenegger geht das alles zu langsam. Gerade bei Kriegstraumata sei es doch für die geflohenen Patientinnen und Patienten enorm wichtig, dass sie auf Ärzte und Psychologen mit Sprachkenntnissen treffen. Der grüne Bezirkspolitiker schlägt vor, direkt am Ankunftszentrum für Geflüchtete in Tegel eine Art "Gesundheitszentrum für Ukrainer" einzurichten.

Dort könnten gezielt ukrainische Ärztinnen und Ärzte mit Sondererlaubnissen ihre Landsleute versorgen. Schruoffenegger schwebt vor, dass zum Beispiel die Bundeswehr die medizinische Infrastruktur errichten könnte. Da gäbe es viele Möglichkeiten, "es muss halt nur in die Hand genommen und koordiniert werden."

Sendung: Inforadio, 17.05.2022, 18 Uhr

Beitrag von Angela Ulrich und Tobias Schmutzler

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