Zahlen steigen - Immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine zieht es in ihre Heimat zurück

Mi 06.04.22 | 13:53 Uhr
Julia, ihre Tochter und ihre Mutter am Bahnhof Rzepin
Video: rbb|24 | 06.04.2022 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: rbb

Noch immer fliehen tausende Menschen aus den Kriegsgebieten in der Ukraine. Einige zieht es aber auch schon wieder zurück in ihre Heimat oder nach Polen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

In den ersten Kriegswochen waren es an manchen Tagen bis zu 15.000 Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind. Doch jetzt bleiben viele Plätze in den ankommenden Zügen frei. Nicht wenige Geflüchtete suchen derzeit auch wieder den Weg zurück gen Osten.

"Wir wollen der Ukraine näher sein"

Eine von ihnen ist Alexandra Lenko aus Charkiv. Anfang der Woche sitzt sie mit ihrer Mutter voll bepackt mit Reisegepäck am Bahnhof in Frankfurt (Oder). Zuvor waren sie bei Verwandten in den Niederlanden untergekommen. Doch jetzt soll es wieder zurück in Richtung Polen gehen. "Wir wollen der Ukraine näher sein, im physischen Sinne. Wir wollen, dass die Entfernung zwischen uns und der Ukraine kürzer wird. Wir teilen ja auch eine schwierige Geschichte mit den Polen. Aber so wie sie uns jetzt helfen, ist das ein Anfang einer neuen Beziehung zwischen den beiden Nationen."

Die junge Frau ist mit ihrer Meinung nicht allein. So spricht etwa Klaus Ziemer, Politikwissenschaftler und ehemaliger Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Warschau bereits von einer historischen Annäherung beider Länder [www.laender-analysen.de]. Grund dafür sei unter anderem die Welle beispielloser Hilfsbereitschaft in Polen.

Rüdiger Ostbrog, der den Einsatz des Deutschen Roten Kreuzes am Bahnhof von Frankfurt (Oder) koordiniert, sieht auch, dass immer mehr Ukrainerinnen wieder zurück oder nach Polen wollen. "Einige wollen zurück, weil da ihre Heimat oder die Familie ist. In der Regel ist der Mann zurückgeblieben. Vorige Woche hatten wir eine Frau - das war ein trauriges Schicksal - die unterwegs erfahren hat, dass ihr Sohn gefallen ist. Sie ist in Frankfurt gestrandet, wir haben sie in unser Zelt gebracht und zu Essen gegeben. Und die ist dann zurückgefahren."

Helfer beobachten Rückkehrer auch in polnisch-ukrainischer Grenze

Seit Kriegsbeginn sind laut dem polnischen Grenzschutz über 440.000 Menschen aus Polen in die Ukraine eingereist. Wie viele von ihnen Geflüchtete sind, die zurückkehren, ist allerdings nicht bekannt. Doch seit einer Woche beobachtete auch Helferin Jana Schostak an der Grenze zwischen Polen und der Urkaine den Trend zur Rückkehr. "Viele berichten, dass sie bereits seit einem Monat hier sind und nur für eine begrenzte Zeit eine Unterkunft gefunden haben. Aber auch das schaffen nicht alle." Dann lieber zurück ins Heimatland, obwohl von dort immer noch täglich tausenden Menschen fliehen. Am Grenzübergang Medyka westlich von Lwiw kreuzen sich die Wege von Geflüchteten und Rückkehrern. Und nach der ersten Welle an Hilfsbereitschaft zeigen sich jetzt erste Probleme, sagt der freiwillige Helfer Simon. "Viele Menschen, die hierherkommen, haben keinerlei Perspektive."

Leiter ZABH: Geflüchteten-Welle noch lange nicht vorbei

Dass der Wunsch vieler Geflüchteter nach einer sicheren Bleibe auch in Deutschland dennoch nach wie vor groß ist, berichtet die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree). Dort kamen im März fast 4.000 Menschen aus der Ukraine an. Zwar sind auch dort die Zahlen an Schutzsuchenden in den ersten Apriltagen rückläufig. Trotzdem sei aber keine Entwarnung in Sicht, sagt Leiter Olaf Jansen. "Es wird sicher nochmal eine Welle der Sekundär-Migration geben, ganz einfach deshalb, weil die an die Ukraine grenzenden Staaten, wie Moldau und Polen, proportional zur eigenen Bevölkerung sehr viele Menschen aufgenommen haben. Deshalb ist es wichtig, dass einige von denjenigen, die nicht zurückgehen wollen, noch umverteilt werden."

Alexandra Lenko aus Charkiv am Bahnhof Frankfurt (Oder) will näher zu ihrer HeimatAlexandra Lenko aus Charkiv am Bahnhof Frankfurt (Oder) will näher zu ihrer Heimat

Sehnsucht nach der Heimat

Auf jeden Fall zurückkehren wollen Julia, ihre kleine Tochter und ihre Mutter. Sie waren bei Bekannten in Hamburg untergekommen. Doch das Heimweh habe überwogen und ihr Land hätten sie noch lange nicht aufgegeben. "Wir wollen einfach nur zurück in die Ukraine." Deshalb wartet die kleine Familie nun im polnischen Ort Rzepin etwa 20 Kilometer von Frankfurt (Oder) entfernt. Der kleine Bahnhof dort ist schon seit Beginn des Krieges eine Drehscheibe für Geflüchtete und in den vergangenen Tagen zunehmend auch für Rückkehrer wie Julia. Als ihr Zug einfährt, verabschiedet sie sich, steigt mit ihrer Tochter auf dem Arm ein und hat den Bahnhof kurz darauf Richtung Osten verlassen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 05.04.2022, 19:30 Uhr

Mit Material von Magdalena Dercz, Jakub Paczkowski, Rebecca Barth

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