Mögliche Auswirkungen der Nordstream-Wartung - "Dann müssen wir den Discountern die Versorgung mit Brot überlassen"
Seit Montag wird Nordstream 1 gewartet. Fließt auch nach den Arbeiten kein Gas mehr drohen nicht nur der Industrie Produktionsausfälle. Auch zahlreiche mittelständische Handwerksbetriebe sind besorgt - zum Beispiel Bäckereien.
Die Wartung der Gaspipeline Nordstream 1 macht nicht nur der Industrie Sorgen. Auch zahlreiche Handwerker haben Angst, dass nach den angedachten zehn Wartungstagen kein russisches Gas mehr durch die Leitung nach Deutschland kommt. Für viele Betriebe wäre das verheerend - so auch für die Bäckerei Mieth in Burg (Spree-Neiße).
Wenn alle drei Öfen in ihrer Backstube liefen, laufe auch der Gaszähler heiß, sagt Chefin Petra Mieth. Die Bäckerei verbrauche enorme Mengen Gas. Der monatliche Abschlag sei bereits um 400 Euro gestiegen.
Umstieg kaum möglich
Die Möglichkeit, dass die Öfen ganz ausbleiben müssen, weil das Gas nicht mehr kommt, macht Petra Mieth schlaflose Nächte, wie sie sagt. "Man macht sich schon Gedanken darum: Wie geht es weiter, wenn hier wirklich alles abgeschaltet wird?" Auch um ihre Mitarbeiter mache sie sich Sorgen.
"Letztendlich hängt unsere Existenz und auch die unserer Mitarbeiter von dieser Backstube und von der Arbeit ab", so Mieth. Die Familie betreibt nach eigenen Angaben vier Filialen und beliefert zudem Hotels und Pensionen.
Mieths suchen deshalb nach Lösungen. Doch auf Öl oder Flüssiggas umzusteigen gehe nicht, erzählt Petra Mieth. Die Backstube liege in einem Wasserschutzgebiet. Tanks dürften deshalb nicht in die Erde.
Auch ein alter Ölofen im Dorf sei keine echte Alternative. "Weil der schon eine Weile nicht genutzt wurde, müsste eine Wartung gemacht werden, es müssten Teile ersetzt werden, die es einfach nicht gibt", so Mieth. "Und wer montiert es" fragt sie mit Blick auf den Handwerkermangel.
Hälfte aller Bäckereien betroffen
Rund die Hälfte der Bäcker in der Region nutze Gas für ihre Öfen, sagt Horst Teuscher von der Kreishandwerkerschaft Cottbus/Spree-Neiße. Derzeit würden viele von ihnen überlegen, auf Strom umzustellen. "Selbst wenn man jetzt umrüsten würde: Wir reden über Wartezeiten von einem halben bis zu einem dreiviertel Jahr. So schnell kriegt der Bäcker seinen Ofen nicht umgerüstet", so Teuscher.
"Wenn kein Gas mehr kommt, sehe ich für das Bäckerhandwerk schwarz", sagt er. "Es gibt noch Bäcker, die mit Öl oder Strom heizen, auch den einen oder anderen, der noch einen Holzofen betreibt, der ist natürlich fein raus", so Teuscher weiter. "Aber man wird dann wahrscheinlich den Discountern die Versorgung mit Brot oder Brötchen überlassen müssen."
Neben Bäckern seien beispielsweise auch Fleischerbetriebe oder Goldschmiede von dem drohenden Gaslieferstopp betroffen. "Eine vernünftige Werkstatt in dem Bereich funktioniert nur mit Gas, egal ob Flüssig- oder Erdgas", erklärt er. "Der vernünftige Goldschmied lebt ja nicht nur davon, dass er verkauft, sondern auch davon, dass er repariert und neu anfertigt."
Der Bäckerei Mieth in Burg bleibt unterdessen nur die Hoffnung, dass nach zehn Tagen wieder Gas durch Nordstream 1 fließt - oder die Bäckerei zumindest als kritische Infrastruktur eingestuft wird. "Damit wir dann auch wirklich arbeiten dürfen mit dem Gas und die Bevölkerung weiter versorgen können", so Petra Mieth.
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.07.2022, 14:10 Uhr