Telefonat mit Regierender Giffey - Russische Komiker bekennen sich zu Anrufen von falschem Klitschko
Seit Tagen gibt das abgebrochene Telefonat der Berliner Regierenden Bürgermeisterin Giffey mit einem Fake-Klitschko Rätsel auf: War es ein sogenannter Deepfake oder politische Kunst? Nun hat sich ein russisches Komikerduo zu der Aktion bekannt. Von Daniel Laufer
Die beiden russischen Komiker Vladimir Krasnov (auch bekannt mit dem Nachnamen Kuznetsov) und Alexei Stolyarov haben sich gegenüber dem ARD-Politikmagazin Kontraste dazu bekannt, hinter den Fake-Anrufen bei europäischen Bürgermeistern zu stehen.
Das Duo "Vovan und Lexus" will sich als Kiews Oberbürgermeister Vitali Klitschko ausgegeben und per Videoschalte unter anderem mit der Berliner Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gesprochen haben. "Ich will nicht verraten, wie wir es angestellt haben, aber es war leicht", sagte Alexei "Lexus" Stolyarov zu Kontraste.
Um die Angerufenen glaubwürdig zu täuschen, habe man sich gut vorbereitet und sogenanntes Social Engineering betrieben. Dabei werden vorhandene Informationen über Personen und deren Umfeld gesammelt und beispielsweise E-Mail-Absender gefälscht, der Gegenüber so überzeugt. "Das funktioniert jedes Mal", so Stolyarov. Das Comedy-Duo werde Videoaufzeichnungen ab Donnerstag ins Netz stellen.
Anrufe bei mehreren europäischen Stadtoberhäuptern - auch Giffey
Betroffen von den Anrufen waren auch die Stadtoberhäupter von Budapest, Madrid, Wien und Warschau. Sie hatten sich per Videoanruf auf zum Teil längere Gespräche mit dem Mann eingelassen, den sie für Kiews Oberbürgermeister hielten. Manche, darunter auch Franziska Giffey, merkten erst spät, dass sie hereingelegt worden waren. So tauschte sich die Berliner Regierende Bürgermeisterin rund eine halbe Stunde lang mit dem Fremden aus.
Giffey teilte am Mittwoch auf Kontraste-Nachfrage mit: "Ungeachtet dessen, wer sich zur Manipulation bekennt, wie diese genau durchgeführt wurde und welche Motivation dahintersteht: Es bleibt ein Identitätsdiebstahl. Diese Aktionen decken sich mit den Narrativen und den Zielen des Kremls. Sie wollen die Partnerinnen und Partner der Ukraine vorführen und das Vertrauen in die Ukraine und auch in uns schwächen. Das werden sie nicht schaffen. Ich verurteile diese Tat. Berlin steht an der Seite der Ukraine."
Bei der Landespressekonferenz am Dienstag sagte Giffey, es gehe nun vor allen Dingen darum, die Motivation der Drahtzieher zu erfahren – also zu klären, ob es ihnen um Diskreditierung oder Spionage gegangen sei oder ob die Anrufe "karikaturistische Hintergründe" gehabt hätten.
Offenbar kein politisches Motiv
Stolyarov bestreitet gegenüber Kontraste ein politisches Motiv; das Duo arbeite auch nicht im Auftrag russischer Geheimdienste. Auffällig häufig richten sich seine Aktionen jedoch gegen Kritiker des Kreml. Erst kürzlich wurden "Vovan und Lexus" in Moskau bei einer Preisverleihung geehrt. Die Auszeichnung überreichte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums. Sie bezeichnete die beiden mitten im Ukraine-Krieg als "Meister der Telefondiplomatie".
Belege für seine Selbstbezichtigung wollte Stolyarov auf Nachfrage nicht vorlegen. Für die Plausibilität seiner Aussagen spricht, dass das Duo in der Vergangenheit schon zahlreiche Politiker mit vergleichbaren Anrufen überzogen hat, darunter laut Medienberichten Boris Johnson und Emmanuel Macron. Auch bei dem CDU-Politiker Norbert Röttgen, damals Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, gelang es dem Duo.
Zweifel an Deepfake-Theorie
Rätselhaft bleibt nach wie vor, wie es den Fälschern gelungen ist, die Stadtoberhäupter über weite Strecken zu überzeugen. Die Berliner Senatskanzlei hatte auf Twitter zunächst geschrieben, es habe sich dem Anschein nach um ein sogenanntes Deepfake gehandelt – also um ein computergeneriertes Abbild Klitschkos, erstellt mithilfe von Künstlicher Intelligenz.
Eine Auswertung von Kontraste anhand von Bildschirmfotos, die den Videoanruf zeigten, weckte Zweifel an dieser Vermutung: Bildelemente schienen eher aus einem älteren Interview kopiert worden zu sein, das Klitschko einem ukrainischen Journalisten gegeben hatte. Dies könnte darauf hindeuten, dass ein bestehendes Video neu arrangiert und neu vertont wurde.
Krasnov und Stolyarov legen in den wenigsten Fällen offen, wie genau sie vorgegangen sind. "Ich kann nur sagen, dass es kein Deepfake war", sagte Stolyarov. Wie sie den falschen Klitschko erschaffen haben wollen, wolle er nicht erklären.
Sendung: rbb24 Inforadio, 29.06.2022, 13:45 Uhr