IHK-Umfrage - Mehrheit der Ostbrandenburger Unternehmen hält Russland-Sanktionen für überzogen
Firmen aus Ostbrandenburg sprechen sich für eine Lockerung der gegen Russland verhängten Sanktionen aus. Das hat eine Umfrage der Industrie- und Handeslkammer ergeben. Der Importstopp für russisches Öl wird als besonders hart angesehen.
Die Mehrheit der Ostbrandenburger Unternehmen hält die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) zufolge für überzogen. 63 Prozent hätten angegeben, die aktuelle Wirtschaftssanktionen seien "deutlich zu hart" oder "zu hart", teilte die IHK Ostbrandenburg nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Schwedt (Uckermark) mit.
Die IHK stütze sich demnach bei der Umfrage auf 1.085 Antworten von Unternehmen. Die Firmen, die von den Sanktionen stärker betroffen seien, hielten sie auch für weniger angemessen, heißt es weiter. "Es waren in allen Branchen die Mehrheiten, die gesagt haben: Wir sind 'stark' oder 'sehr stark betroffen'", sagte der Hauptgeschäftsführer der IHK Ostbrandenburg, Gundolf Schülke, dem rbb. Der Energiebereich und die allgemeinen Preissteigerungen spielten dabei die größte Rolle, so Schülke.
64 Prozent für Lockerungen
Vier von fünf befragten Unternehmen hielten die Sanktionen gegenüber Russland demnach für ungeeignet, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Vor diesem Hintergrund würden 64 Prozent eine Lockerung der Sanktionen fordern. Demgegenüber hätten sich jedoch auch 23 Prozent für eine Verschärfung der Maßnahmen ausgesprochen und weitere 13 Prozent würden sie in ihrem derzeitigen Umfang beibehalten wollen.
"Mit dem Thema Gas und Öl geht man eher davon aus, dass die Sanktionen eigentlich die Wirkung nicht entfalten in Russland, wie man sich das vielleicht ursprünglich erwartet hatte", sagte Schülke. Man verlange deswegen danach, die Sanktionen zu überdenken.
Laut Umfrage ist die Mehrheit der befragten Unternehmen von den Sanktionen gegen Russland stark betroffen. 55 Prozent hätten angegeben, sie litten "stark" oder "existenzbedrohend" unter den Auswirkungen. Dabei gehe es zum Beispiel um gestiegene Einkaufspreise, gestiegene Energiepreise, Beeinträchtigungen im internationalen Zahlungsverkehr oder gestörte Lieferketten. Überdurchschnittlich stark betroffen seien der IHK zufolge die Industrie (71 Prozent), der Bau (70 Prozent), das Gastgewerbe (74 Prozent) und die Logistik (89 Prozent), schreibt die DPA.
69 Prozent für Ausnahme bei Pipeline-Öl
Mit 69 Prozent dränge nach IHK-Ansicht eine deutliche Mehrheit darauf, dass Deutschland eine Ausnahmeregelung für Pipeline-Öl in Anspruch nehmen sollte, um weiter russisches Öl zu beziehen, schreibt die DPA. Der EU-Importstopp für russisches Öl sei demnach ein besonders gravierendes Problem für die Ostbrandenburger Wirtschaft.
Die PCK-Raffinerie in Schwedt wird zum Beispiel bisher über die Druschba-Pipeline mit russischem Öl versorgt. Wegen des geplanten Öl-Embargos sucht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) alternative Ölquellen. Die Raffinerie beliefert einen großen Teil Ostdeutschlands, Berlins und Westpolens.
Die Mehrheit der befragten Unternehmen spricht sich bei der Frage einer langfristigen Versorgungssicherheit laut IHK dafür aus, verstärkt erneuerbare Energien wie Wind, Solar oder Wasserstoff zu nutzen und die Laufzeiten bei Atom- und Kohlekraftwerken zu verlängern, wie die DPA berichtet. Die Unternehmen seien zugleich gegen verstärkte Öl- und Gasimporte aus Ländern wie Katar oder Saudi-Arabien.
Uckermark-Landrätin offen für Nord Stream 2
Die Landrätin der Uckermark, Karina Dörk (CDU), forderte neben Öllieferungen über die Druschba-Pipeline auch, dass noch einmal über eine Inbetriebnahme der Gas-Pipeline Nord Stream 2 nachgedacht werden solle. "Was helfen uns dann die ganzen moralischen Gründe, wenn wir nachher zum Schluß unsere Wirtschaft, unsere Menschen an den Abgrund treiben", sagte Dörk dem rbb.
Einer solchen Einschätzung widersprach Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD): "Man kann an der Stelle für meinen Begriff jedenfalls nicht die eigene wirtschaftliche Situation aufwiegen gegen die Frage eines Krieges, wo Menschen um ihre eigene Selbstbestimmung und ihre Demokratie kämpfen", sagte er in Potsdam. Es sei mit Sicherheit eine sehr belastende Situation, die die Unternehmen und Menschen im Augenblick haben, sagte der Wirtschaftsminister dem rbb. Dennoch sei er darüber enttäuscht, welche Schlussfolgerungen daraus von den Unternehmen gezogen wurden.
Von der IHK hätte er sich zudem eine Einordnung der Umfrage-Ergebnisse gewünscht und "dass sie auch einen Teil dieses Dialoges selber mit übernimmt - zu sagen, dass diese Schlussfolgerungen die falschen sind", so Steinbach weiter.
Sendung: Antenne Brandenburg, 22.08.2022, 16:10 Uhr
Mit Material von Isabel Röder
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