Das Verbot des russischen "Z" - Alter Paragraf, neue Auslegung
Das russische "Z"-Symbol, Propaganda-Zeichen für den Angriffskrieg gegen die Ukraine, wird nun auch in Brandenburg und Berlin strafrechtlich verfolgt. Was es rechtlich bedeutet, wenn ein Buchstabe zum verbotenen Symbol wird. Von Simon Wenzel
Am Montag hat der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) auf Anfrage von rbb|24 bestätigt, dass das "Z"-Symbol der russischen Propaganda in Brandenburg strafrechtlich verfolgt wird. Zuvor hatte der "Tagesspiegel" berichtet, dass das auch Berlin der Fall sei, Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte das der Zeitung mitgeteilt. Die Senatsbehörde wollte sich am Montag auf rbb-Anfrage allerdings nicht mehr dazu äußern.
"Wenn das Z im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg verwendet wird, erfüllt das den Anfangsverdacht einer Straftat", sagt Stübgen und dagegen würden die Behörden ermitteln. Maximal mögliche Strafe in der Theorie: 3 Jahre Gefängnis. Eine rechtliche Grundlage hat das Verbot, aber in der Praxis könnte es viele Grenzfälle geben - das "wenn" am Anfang von Stübgens Aussage ist das entscheidende Wort.
Bundesweite Verbotsgrundlage per Strafgesetzbuch gibt es längst
Dass Berlin, Brandenburg und andere Bundesländer die Strafverfolgung ankündigen, heißt nicht, dass es in diesen Bundesländern jetzt ein neues Gesetz gibt, in dem steht, dass das "Z" per se verboten ist. (Das wäre bei einem Buchstaben des römischen Alphabets hierzulande wahrscheinlich auch schwierig.) Tatsächlich geht es um einen bundesweites Strafgesetz-Paragrafen, der schon lange existiert und jetzt neu auf den Buchstaben "Z" als Propaganda-Symbol angewandt werden soll.
Der §140 des Strafgesetzbuchs besagt - vereinfacht ausgedrückt - dass das Billigen von bestimmten Straftaten ebenfalls strafbar ist. Man stellt sich in diesem Fall moralisch hinter den oder die Täter:in. Zu den Straftaten, auf die sich §140 bezieht, zählen unter anderem Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch, also Kriegsverbrechen und Angriffskriege.
Dieses Gesetz als solches ist nicht neu, im Gegenteil: Es existiert im Grundsatz seit 1953, erklärt Strafrechts-Expertin Anna Albrecht von der Universität Potsdam. Neu sei, dass "die Ministerien jetzt die Auffassung geäußert haben, dass das 'Z'-Symbol unter Umständen eine solche Straftat sein könnte", sagt Albrecht.
Zorro muss keinen neuen Fecht-Schwung lernen
Was in der Theorie noch logisch klingt, dürfte in in der praktischen Handhabe schwierig werden. Laut der Expertin muss aus der Verwendung des "Z" "eindeutig" abzulesen sein, dass es als Befürwortung des russischen Krieges in der Ukraine gemeint sei und zwar - und das ist entscheidend - für einen "durchschnittlichen Empfänger". Maßgeblich sei noch nicht mal, wie es von dem Menschen gemeint sei, der das Symbol verwende oder wie es ein bestimmter Empfänger subjektiv warnehmen könnte, sondern was eine Durchschnittsperson daraus schließen würde.
Dabei kann dann eine Rolle spielen, wie das Z optisch dargestellt ist (Die Zeitung "Zeit" muss zum Beispiel nicht ihr Logo ändern), in welchem bildlichen Zusammenhang es steht und auch die Größe kann eine Rolle spielen. Ist zum Beispiel ein kleines Z am Auto angebracht, heißt das noch lange nicht, dass es strafbar ist. "Das könnte ja erstmal alles bedeuten, ein Hinweis auf den Vornamen des Kindes, einen Film oder so", sagt Anna Albrecht. Wenn daneben aber ein Bild von Vladimir Putin angebracht wäre oder die russische Flagge, dann wäre der Fall viel klarer. Ein Grenzfall könnte zum Beispiel ein sehr großes "Z" in der Heckscheibe sein. Das kann aufgrund der aktuellen Weltlage und vorbildhaften Fotos aus Russland in den sozialen Netzwerken möglicherweise reichen als strafwürdiges Symbol.
Andersrum ist damit klar, dass die Versicherung "Zurich" ihr Logo (ein weißes Z auf blauem Hintergrund) nicht hätte ändern müssen (was sie Medienberichten zufolge vorhat), da es eindeutig ihr Logo geblieben wäre und der notwendige Kontext zum Krieg in Russland hier nicht gegeben war. Auch Zorro-Fans dürfen weiter Merchandising Produkte tragen und das filmische Abbild der Romanfigur muss nicht im Nachhinein einen neuen Fecht-Schwung üben.
§140 war bisher kaum relevant - Nazi-Symbole sind verfassungswidrig
Mit der angekündigten Strafverfolgung des russischen Propaganda-Symbols könnte eine Straftat wichtiger werden, die bisher in der deutschen Kriminalitätsstatistik kaum eine Rolle spielt. 2020 gab es bundesweit gerade einmal 148 polizeilich registrierte Fälle von solchen "Belohnungen und Billigungen", davon führten nur 15 zu Verurteilungen. Das geht aus den Statistiken des Bundeskriminalamtes hervor.
"Die praktische Relevanz bisher ist unglaublich gering", sagt Strafrechtlerin Albrecht. Sie erwartet einen deutlichen Anstieg, aber nicht nur wegen der nun verbotenen Symbolik: "Die Bedeutung wird steigen, auch unabhängig vom "Z" Symbol, wenn wir uns ansehen, was in den sozialen Medien geschieht", sagt Albrecht.
Dass ein einzelner Buchstabe als aussagekräftiges Symbol im Kontext dieses Straftatbestandes verfolgt wird, sei neu. Denn die jetzige Auslegung von §140 ist nicht zu verwechseln mit NS-Symboliken. Diese werden als "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen" eingestuft, ein anderer Paragraf (86a). Unter den ließe sich das russische "Z" allerdings vorerst nicht einorden, erklärt die Strafrecht-Expertin, weil es keine konkrete Organisation gebe, die das "Z" als Symbol verwende. Damit das ginge, müsste theoretisch zunächst die Europäische Union eine bestimmte russische Organisation als Terrororganisation einstufen und das "Z" als deren Symbol.
Drei Jahre Gefängnis? Eher unwahrscheinlich
Das Gesetz sieht in der Theorie bis zu drei Jahren Gefängnis vor. Das ist für ein Strafgesetz kein hohes Strafmaß, klingt aber dennoch abschreckend. Anna Albrecht spricht juristisch vom "Bereich weniger schwerwiegender Kriminalität". Deswegen sei es auch nicht wahrscheinlich, dass viele Menschen dieses maximale Strafmaß bekommen.
Bei Personen, die zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten seien, würde das Verfahren üblicherweise gegen Auflagen eingestellt oder es gebe eine Geldstrafe. Eine Freiheitsstrafe wäre die Ausname, die vor allem bei bereits in Erscheinung getretenen Straftätern ausgesprochen würde.
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