Polizei ermittelt gegen Unbekannt - Farbattacke auf sowjetischen Ehrenfriedhof in Potsdam verübt

Mi 20.04.22 | 17:17 Uhr | Von Lisa Steger
Ehrenfriedhof in Potsdam beschmiert (Quelle: rbb)
Video: Brandenburg Aktuell | 20.04.2022 | Andreas König, Friedrich Herkt | Bild: rbb

Ein Kriegsdenkmal in Potsdam, das an gefallene Soldaten der Roten Armee erinnert, wurde mit roter Farbe beschmiert. Die Kommunalpolitik reagiert bestürzt - und der Streit um den Umgang mit sowjetischen Denkmälern geht weiter. Von Lisa Steger

Die Scherben sind beseitigt, doch die blutrote Farbe haftet noch an der Statue. Offenbar am Dienstag haben Unbekannte eine mit roter Farbe gefüllte Ketchupflasche gegen das Monument geworfen, das sich auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof befindet - auf dem Bassinplatz in Potsdam. Die Polizei hat Spuren gesichert und ermittelt, wie eine Sprecherin dem rbb auf Anfrage mitteilte.

Empörung bei Kommunalpolitikern

383 gefallene Soldaten der Roten Armee haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Grabsteine mit kyrillischen Inschriften erinnern an sie. Pete Heuer (SPD), der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung in der Landeshauptstadt, hat kein Verständnis für diese Tat. "Hier liegen Soldaten, die bei der Befreiung Potsdams ihr Leben gelassen haben", betont der Kommunalpolitiker im rbb-Interview. "Das sind Soldaten aus Russland, aus Weißrussland, aus der Ukraine, vermutlich auch noch aus anderen Ländern." Es gebe keinen nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem aktuellen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.

Geteilte Meinungen über den Umgang mit Denkmälern

Doch jenseits von Straftaten gibt es mancherorts in Brandenburg ein Unbehagen, wie man heute mit den sowjetischen Denkmalen umgehen sollte. In Wildau im Dahme-Spreewald-Kreis hat eine Privatperson gefordert, ein solches Denkmal abzureißen, wie die "Märkische Allgemeine" [Bezahlschranke] berichtet. Wildaus amtierender Bürgermeister Marc Anders (parteilos) teilte der Zeitung mit, es gebe keinen Abrissantrag in der Stadtverordnetenversammlung; das Denkmal sei dort auch bisher kein Thema gewesen. Man werde dem Bürger, der den Abriss vorgeschlagen hat, jedoch antworten.

Pete Heuer hält von solchen Forderungen nichts, wie er dem rbb sagt. Auch die Gedenkfeiern zum Kriegsende am 8. Mai sollten seiner Ansicht nach stattfinden. Russische Offizielle sollten aber "auf keinen Fall" dort reden dürfen. "Wir müssen davon ausgehen, dass sie Bestandteile des verbrecherischen Regimes in Moskau sind, das hat an dieser Stelle und zu dieser Zeit nichts zu suchen."

Wie weiter mit sowjetischen Denkmälern - abreißen, verhüllen oder unverändert lassen? Die Meinungen unter den Passanten, die am Mittwoch in Potsdam unterwegs sind, gehen auseinander. "Man sollte sie pflegen wie bisher - die Sowjetunion hat mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine großartige Leistung vollbracht", sagt eine Frau mittleren Alters. "Diese Soldaten haben ihr Leben gelassen, sie haben den Krieg gewonnen für uns Deutsche", stimmt ein Rentner zu. "Die Soldaten, derer hier gedacht wird, können nichts dafür, was jetzt passiert", findet ein Dritter. Eine Rentnerin geht noch weiter: "Wer jetzt vorschlägt, so etwas abzureißen, ist für mich ein Kriegshetzer", meint sie.

Widerspruch kommt von einer Potsdamerin mit polnischen Wurzeln. "Man sollte sie (Anm. d. Red.: die Denkmäler) verhüllen, damit man sie nicht sofort sieht. Als Zeichen, dass man an diese Leute jetzt nicht denkt", sagt sie. Ihre Tochter sieht es ebenso: "Verhüllen, als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine", lautet ihr Vorschlag.

Oberster Denkmalschützer plädiert für Erhalt und Pflege

Der Brandenburger Landeskonservator Thomas Drachenberg betont, dass Deutschland vertraglich verpflichtet ist, die sowjetischen Denkmale und Kriegsgräber zu erhalten. Die Bauwerke seien "Kinder ihrer Zeit", sie hätten etwas zu berichten. Die Vergangenheit könne man nicht korrigieren. "Eine demokratische Gesellschaft kann und muss sich an den Denkmalen reiben", erklärt der Professor. "Man muss verstehen, warum sie da stehen, und das Wissen von heute mit zusätzlichen Informationen darlegen." Dies könne etwa mit Tafeln geschehen; wichtig sei beispielsweise der Hinweis, dass bei der Schlacht auf den Seelower Höhen neben Russen und Ukrainern auch die polnische Armee gekämpft habe.

In Zukunft müsse auch der Angriffskrieg gegen die Ukraine thematisiert werden, ist Thomas Drachenberg überzeugt. "Da wird man nicht umhinkommen, das einzuordnen." Im Zweiten Weltkrieg seien die Opfer der Ukraine und Weißrusslands zahlreicher gewesen als die der ethnischen Russen. Wenn dies heute wichtig werde, müsse man das deutlich auf solch einer Tafel beschreiben, sagt der Landeskonservator. So könnte verhindert werden, dass die zahlenmäßig kleineren Volksgruppen im Gedenken zu kurz kommen.

Letschin: Panzer bleibt

Mehr als 50 sowjetische Ehrenmale gibt es in Brandenburg. Eines davon ist in Letschin im Kreis Märkisch Oderland. Dort steht ein sowjetischer Panzer als Denkmal und soll dort auch bleiben, sagt Bürgermeister Michael Böttcher (Freie Wähler). Denkmalstürmerei werde es nicht geben, jede Zeit habe ihre Geschichte. An dem Panzer im Letschiner Ortsteil Kienitz hängt jedoch neuerdings ein Banner, "Kienitzer Friedensappell" genannt. Aufschrift: "Die Toten mahnen uns. Zukunft heißt Frieden. Überleben heißt Frieden. Europa darf nie wieder durch Kriegshände brennen."

In Berlin hatte die CDU-Abgeordnete Stefanie Bung angeregt, wegen des russischen Kriegs in der Ukraine die sowjetischen Panzer am Ehrenmal in Tiergarten zu entfernen. Der Vorschlag gilt als chancenlos. Berlins oberster Denkmalschützer Christoph Rauhut teilte dem rbb auf Nachfrage mit, dass die sowjetischen Ehrenmale in Berlin als historische Dokumente der deutschen Geschichte geschützt seien. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich demnach im deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrag vom 9. November 1990 verpflichtet, sowjetische Denkmäler und Kriegsgräber in Deutschland zu erhalten und zu pflegen. Dies gelte auch weiter. "Gleichzeitig zeigt die aktuelle Diskussion die dringende Notwendigkeit zur kontinuierlichen Vermittlung dieser Ehrenmale. Sie sind Zeugnisse ihrer Zeit, die sich für aktuelle politische Vereinnahmungen nicht eignen", so Landeskonservator Rauhut.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.04.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

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