Messe, Tegel, Tempelhof - Berlin plant weitere Unterkünfte und Ankunftszentren für Geflüchtete
Berlin erwartet auch in den kommenden Tagen und Wochen Tausende Menschen aus der Ukraine. Um die Ankunft zu verbessern, greift das Land auf Strukturen und Personen zurück, die sich schon in der Corona-Krise bewährt haben.
Der Berliner Senat sucht weiter händeringend nach Unterkünften für die Menschen aus der Ukraine, die in Berlin bleiben wollen. "Es geht darum, dass wir in den nächsten Tagen massiv zusätzliche Unterkunftsplätze schaffen", sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Donnerstag bei der Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus.
Bisher seien bereits mehr als 8.000 Menschen vom Land Berlin untergebracht worden, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. "Wir sind an einem Punkt, an dem wir jeden Abend 1.000 Betten in der Stadt brauchen." Giffey kündigte an, dass in den kommenden Tagen fünf weitere Unterkünfte für Geflüchtete mit 2.000 Plätzen "ans Netz gehen" sollen.
Ankunftszentrum in Tegel
Es sei auch klar, dass das Ankunftszentrum in Reinickendorf mit 600 Plätzen, die alle belegt seien, nicht mehr ausreiche. Deshalb habe der Senat die Entscheidung getroffen, ein Ankunfts- und Verteilzentrum am ehemaligen Flughafen Tegel zu schaffen. "Dieses Ankunftszentrum wird nicht nur Unterbringungsort mit bis zu 3.000 oder vielleicht mehr Plätzen sein", sagte Giffey, "sondern es wird auch Ankunfts- und Verteilzentrum für über 10.000 Menschen am Tag sein."
Vor Ort werde den Ankommenden neben der medizinischen Versorgung auch eine Beratung für arbeitsrechtliche und asylrechtliche Fragen angeboten. Zudem sei die unmittelbare Nähe zum Impfzentrum im ehemaligen Flughafen Tegel eine sehr gute Kombination, so Giffey.
Bezirke sollen neue Möglichkeiten prüfen
Der Senat sieht aber noch weiteren Bedarf. Deshalb werde nicht nur das neue Ankunftszentrum vorbereitet. "Sondern wir haben uns entschlossen, dass wir möglichst noch heute Abend zusätzlich die Messe mit als Kapazität nutzen werden", sagte Giffey.
Sie habe außerdem mit den Bezirksbürgermeistern eine regelmäßige Schaltkonferenz eingerichtet, so die Regierende Bürgermeisterin. "Wir haben mit den Bezirken vereinbart, dass wir alles prüfen, was irgend geht. Dass wir alles tun wollen, um zu verhindern, dass wir noch mal in eine Situation der Belegung von Turnhallen kommen", sagte Giffey auf die Situation 2015 anspielend, als die große Zahl syrischer Flüchtlinge Berlin vor erhebliche Herausforderungen stellte.
Allein am Hauptbahnhof kamen nach Angaben der Sozialverwaltung am Mittwoch etwa 9.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine an. Die geschätzte Gesamtzahl sei jedoch höher, hieß es. Von den ankommenden Menschen habe das Land 900 untergebracht, insgesamt haben nach Senatsangaben 8.900 Menschen auf anderem Weg eine Unterkunft gefunden.
Aufnahmezentrum auch in Tempelhof möglich
In die Überlegungen des Senats zur Unterbringung der Flüchtlinge werde auch der ehemalige Flughafen Tempelhof einbezogen, so Giffey. In einem Hangar sei bereits ein großes Sachspendenlager eingerichtet worden, um die vielen Spenden, die kämen, zu kanalisieren. Berlin stehe auch im sehr engen Austausch mit Brandenburg, um dort größere Kapazitäten für Geflüchtete zu schaffen.
Am Wochenende soll das neue Ankunftszentrum seinen Betrieb aufnehmen, wie Gudrun Sturm vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) beim gemeinsamen Pressestatement mitteilte. Das DRK übernimmt die Trägerschaft des dortigen Ankunftszentrums. In den ehemaligen Terminals A und B werden demnach Unterkunftsmöglichkeiten geschaffen. Die am Berliner Hauptbahnhof oder am Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) ankommenden Kriegsflüchtlinge sollen dann per Bus direkt dorthin gebracht werden.
Neue Unterkünfte in mehreren Bezirken
Nach Angaben von Sozialsenatorin Kipping wurden in den vergangenen zehn Tagen neben zahlreichen privaten Unterkünften von Kriegsflüchtlingen 1.100 Hostelplätze genutzt, zudem 650 Übernachtungsplätze von Kirchengemeinden. Weitere fünf vom Land Berlin organisierte Unterkünfte sollen bald entstehen, so Kipping weiter. Sie sollen in der Salvador-Allende-Straße (Köpenick), am Kurt-Schumacher-Damm (Tegel), in der Zossener Straße (Kreuzberg), in der Rheinpfalzallee (Karlshorst) und in der Rennbahnstraße (Weißensee) liegen.
Daneben werden Flüchtlinge aus der Ukraine nun auch im Säälchen auf dem Holtzmarkt 25 in Friedrichshain und im Festsaal Kreuzberg untergebracht. Das bestätigte Kommunikationsmanager und Flüchtlingsaktivist Holger Michel auf rbb-Nachfrage. Er werde die Hilfe vor Ort organisieren, so Michel. Die Räumlichkeiten seien zuvor vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten aufgetan worden. Laut rbb-Informationen sollen an beiden Orten bis zu 200 Plätze für Geflüchtete aus der Ukraine bereitgestellt werden.
Zunächst hatte es geheißen, dass das FEZ in Treptow-Köpenick Flüchtlingsunterkunft werden soll. Michel korrigierte diese Information später im Gespräch mit dem rbb.
Broemme wird Chef-Koordinator - Bundeswehr soll helfen
Die Regierende Bürgermeisterin Giffey kündigte zudem bereits am Mittwochabend an, dass in den Berliner Ankunftsstellen schon bald auch Bundeswehrsoldaten aushelfen sollen. Ein entsprechendes Amtshilfeersuchen werde am Donnerstag beim Bundesverteidigungsministerium gestellt, so Giffey. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte am Donnerstag, sie gehe von ungefähr 40 Helfenden aus, die Berlin von der Bundeswehr benötige.
Und zu einem weiteren schon in der Corona-Krise bewährten Mittel greift der Berliner Senat: Um das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten zu entlasten, übernimmt der ehemalige THW-Präsident Albrecht Broemme die Koordinierung der Unterbringungsmöglichkeiten. Er werde das zunächst aus seinem Homeoffice machen, da er am Mittwoch positiv auf das Coronavirus getestet worden sei, so Giffey. Broemme war schon an der der Organisation und Einrichtung der Berliner Impfzentren sowie dem Bau des Corona-Krankenhauses in der Messe federführend beteiligt.
LKA-Beamte sollen für mehr Sicherheit sorgen
Franziska Giffey kündigte außerdem an, dass die Sicherheit der ankommenden Frauen und Kinder aus der Ukraine verbessert werden soll. Nach Berichten über Menschenhändler und unseriöse Unterbringungsangebote am Berliner Hauptbahnhof werde dort und auch am ZOB eine gemeinsame Leitstelle der Polizei und Feuerwehr eingerichtet. "Das Landeskriminalamt wird hier im Einsatz sein", so Giffey.
Allein in den vergangenen drei Tagen seien täglich 13.000 Menschen aus der Ukraine am Hauptbahnhof und am ZOB eingetroffen, viele seien auch auf anderen Wegen in Berlin angekommen, bilanzierte Giffey. "Es hat sich auch gezeigt, dass sehr viele Ukrainer nicht woanders hinwollen und viele Busse, die nach Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz weiterfahren, nicht stark belegt sind, weil viele hier mit der Anbindung an die ukrainische Community bleiben wollen", fasste die Regierende Bürgermeisterin zusammen. Berlin müsse sich also auf einen "Marathon" vorbereiten.
Sendung: Inforadio, 10. März 2022, 17 Uhr