Rede im Brandenburger Landtag - Melnyk kritisiert "blinden Fleck" in deutschem Kriegsgedenken

So 08.05.22 | 16:48 Uhr
Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, spricht während einer Veranstaltung des Brandenburger Landtages zum Gedenken an das Kriegsende vor 77 Jahren. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Audio: Antenne Brandenburg | 08.05.2022 | Statement Andrij Melnyk | Bild: dpa/Soeren Stache

Unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat der Brandenburger Landtag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Opfer des Weltkriegs gedacht. Zu Gast war auch der ukrainische Botschafter, Andrij Melnyk.

Der Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk, hat anlässlich des Gedenkens zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Brandenburger Landtag gefordert, ukrainische Kriegsopfer stärker in das Gedenken einzubeziehen. In Deutschland herrsche auch 77 Jahre nach Kriegsende ein "riesiger blinder Fleck" in der Erinnerung an die Barbarei der Nationalsozialisten, wenn es um die Ukraine gehe. Ukrainische Opfer des deutschen Angriffskrieges in Osteuropa seien derzeit weder in Geschichtsbüchern noch bei Gedenkveranstaltungen präsent, so der Botschafter.

Woidke: "Zerstörung in der Ukraine macht fassungslos und wütend"

Zusätzlich forderte Melnyk ein Mahnmal für die ukrainischen Opfer des Zweiten Weltkrieges. Eine solche Gedenkstätte gebe den rund 150.000 in Deutschland lebenden Ukrainern einen Ort, an dem sie um ihre gefallenen Landsleute trauern könnten.

Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erinnerte in seiner Rede an die Zivilisten und Soldaten, die durch den Krieg ihr Leben verloren haben. "Darunter waren viele Soldaten aus der Sowjetunion, der heutigen Ukraine und Weißrussland. Sie haben alle einen unfassbaren Blutzoll für unsere Befreiung gezahlt", betonte Woidke.

Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sagte Woidke, es mache ihn fassungslos, dass der Krieg in die Mitte Europas zurückgekehrt sei. "Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern sind Leidtragende eines verbrecherischen russischen Angriffskriegs", sagte Woidke. "Die Zerstörung ukrainischer Städte, Dörfer und der ukrainischen Kultur macht uns fassungslos und wütend."

Landtagspräsidentin Liedtke ruft zu Versöhnung auf

Angesichts seiner Geschichte trage Deutschland für den Frieden und das Zusammenleben in Europa eine besondere Verantwortung. Der Brandenburger Landesregierung sei es wichtig, Geflüchtete aus der Ukraine bestmöglich zu versorgen: "Wir treten diesen Menschen mit einem großen Herzen entgegen."

Zuvor hatte auch Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke im Parlament zu Frieden und Versöhnung aufgerufen. "Wir sind auch noch nach 77 Jahren und weit darüber hinaus zu tiefem Dank verpflichtet. Gerade deshalb schmerzt uns Deutsche und Europäer der russische Angriffskrieg auf die Ukraine so sehr: weil Russen, deren Urgroßväter zu den Befreiern gehörten, in brutaler Weise ein Volk überfallen haben, das selbst zu unseren Befreiern vom Nationalsozialismus zählte", sagte Liedke.

Zum 77. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs finden am Sonntag zahlreiche Gedenkveranstaltungen und Kundgebungen statt. Bereits am Vormittag wurden auf dem Schlossplatz in Oranienburg (Oberhavel) vor der Figur "Die Anklagende" Kränze niedergelegt. Im Friedenspark in Angermünde (Uckermark) gab es eine "stille Blumenniederlegung", am sowjetischen Ehrenmal auf dem Anger in der Lindenstraße Frankfurt (Oder) wurde der vielen Millionen Opfer des Zweiten Weltkriegs gedacht.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 08.05.2022, 19:30 Uhr

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