Krieg gegen die Ukraine - Wie sich der Konflikt zwischen Moskau und Kiew zuspitzte

Fr 25.02.22 | 06:26 Uhr
Zahlreiche Menschen demonstrieren unter anderem mit einem Plakat mit der Aufschrift «Stop war» (dt. Krieg beenden) vor dem Brandenburger Tor gegen den russischen Angriff auf die Ukraine. (Quelle: Kay Nietfekd/dpa)
Audio: Inforadio | 24.02.2022 | Andrej Melnyk (Ukr. Botschafter in Deutschland) | Bild: Kay Nietfekd/dpa

Die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland sind seit vielen Jahren angespannt. Russlands imperiales Streben und die politische Entwicklung in der Ukraine kollidierten zuletzt immer heftiger. Hier die wichtigsten Ereignisse der jüngeren Geschichte.

Noch während der UN-Sicherheitsrat in New York tagte, befahl der russische Machthaber Wladimir Putin in der Nacht zu Donnerstag den Angriff auf die Ukraine. In einer Fernsehansprache begründete er den Krieg mit einem angeblichen "Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind." Russland strebe die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine an.

Der russische Überfall auf das Nachbarland, sder durch nichts zu Legitimieren ist, hat eine lange Vorgeschichte. Hier einige zentrale Ereignisse in der neueren Geschichte der Ukraine und Russlands.

Nicht unterzeichnetes Partnerschaftsabkommen mit der EU

2004 wird die ukrainische Präsidentschaftswahl von Betrugsvorwürfen überschattet. Der Wahlsieg des pro-russischen Kandidaten Viktor Janukowitsch löst beispiellose friedliche Proteste aus. Als Folge der "Orangenen Revolution" wird die Wahl annulliert, und im Dezember wird der pro-westliche Oppositionsführer Viktor Juschtschenko Präsident. Damit beginnt in der Ukraine eine neue politische Ära.

Juschtschenko bekräftigt schon bald den Wunsch der Ukraine, der EU und der Nato beizutreten. Auf einem Nato-Gipfeltreffen in Bukarest 2008 stellen die Mitgliedstaaten Kiew erstmals eine Beitrittsperspektive in Aussicht - Moskau reagiert empört. In den folgenden Jahren kommt es wiederholt zum Streit zwischen Russland und der Ukraine, insbesondere wegen russischer Gaslieferungen.

2010 gelangt Janukowitsch dann doch ins Präsidentenamt. 2013 legt er überraschend ein EU-Assoziierungsabkommen zugunsten einer engeren Anbindung an Russland auf Eis. Der Schritt löst wochenlange Massenproteste aus.

Im Februar 2014 spitzt sich die Lage zu, als die Polizei in Kiew das Feuer auf die Protestierenden eröffnet. Rund einhundert Demonstranten und 20 Polizisten sterben. Der Unabhängigkeitsplatz Maidan wird zum Symbol. Janukowitsch flieht schließlich nach Russland und wird vom ukrainischen Parlament seines Amtes enthoben. Seitdem fürchtet Putin einen Nato-Beitritt der Ukraine, sieht seinen Einflussbereich gefährdet.

Krim-Annexion als erste russische Reaktion

Putin fackelte nicht lange und initiierte im Mitte März 2014 eine verdeckte Intervention russischer Streitkräfte auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Bewaffnete Männer in grünen Uniformen ohne Hoheits- und Rangabzeichen überfielen die Krim und inszenierten eine Volksabstimmung, in deren Folge die Russische Föderation sich die Krim einverleibte - Annexion.

Dabei ging es Putin auch um die Sicherung des russischen Schwarzmeer-Zugangs und den auf der Krim gelegenen Marine-Stützpunkts Sewastopol, der für die Russen von geopolitischer Bedeutung ist.

Dazu muss man wissen, dass der sowjetische Machthaber Nikita Chruschtschow 1954 die Krim an die Ukrainische Sowjetrepublik angegliedert hatte. Nach dem Auseinanderbrechen der UdSSR 1991 verblieb die Krim als selbständige Republik im neu gegründeten ukrainischen Nationalstaat. Dieser Zustand wurde damals auch von der neugegründeten Russischen Föderation anerkannt. Im Gegenzug gab die Ukraine ihre Atomwaffen aus Sowjetzeiten zurück.

Im Mai 1997 unterzeichnen Russland und die Ukraine einen Freundschaftsvertrag, mit dem sie einen wesentlichen Streitpunkt beilegen: Russland bleibt im Besitz der meisten Schiffe der Schwarzmeer-Flotte auf der ukrainischen Halbinsel Krim. Im Gegenzug verpflichtet sich Moskau, Kiew eine bescheidene Gebühr für die Nutzung des Hafens von Sewastopol zu zahlen.

Von Moskau unterstützte Separatisten greifen sich Luhansk und Donezk

Nur kurze Zeit später im April 2014 griffen prorussische Separatisten im ostukrainischen Donbass nach Luhansk und Donezk. Dabei wurden sie vom russischen Militär unterstützt, dass wieder in grünen Uniformen ohne Hoheit- und Rangabzeichen auftrat. Sie riefen die selbsternannten Volksrepubliken aus. In Folge flüchteten hunderttausende aus der Region.

Auch hier wurde per "Referendum" eine Abspaltung von der Ukraine proklamiert. Russland äußerte erneut die Sorge, dass die Ukraine Nato-Mitglied werden könnte, die Nato direkt an die russische Grenze vorrücken könnte. Mit der Besetzung von Teilen des Donbass - die prorussische Milizen besetzten etwa ein Drittel der Oblaste/Bezirke Luhansk und Donezk - wollte Putin, so Experten, offenbar Nato-Statuten aushebeln. Danach ist Krisenregionen ein Nato-Beitritt verwehrt, um nicht Konflikte ins Bündnis zu holen.

In dem bewaffneten Konflikt im Donbass, den sich prorussische Milizen und die ukrainische Armee lieferten, starben nach UN-Angaben 14.000 Menschen.

Minsker Abkommen ist spätestens seit dem 15. Februar tot

2014 und 2015 verhandeln Russland, die Ukraine, Deutschland und Frankreich im sogenannten Normandie-Format die Grundlagen des Minsker Abkommens (Minsk I und II), dass einen dauerhaften Waffenstillstand und die Reintegration der selbsternannten Volksrepubliken in die Ukraine festlegt.

Sowohl Russland als auch die Ukraine warfen sich in der Folge immer wieder Blockadehaltung vor. Gerade die in Minsk II festgehaltene Garantie der Ukraine, den selbsternannten Volksrepubliken per Verfassung Autonomie zu gewähren, sorgte für Streit. Moskau untergrub das Abkommen, in dem es der Bevölkerung in den "Volksrepubliken" russische Pässe ausstellte.

Im September 2017 tritt das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU tritt in Kraft.

Die russischen Vorstöße der vergangenen Tage nun ließen für das Minsker Abkommen quasi keinen Spielraum mehr, spätestens als das russische Parlament am 15. Februar 2022 sich dafür aussprach, die beiden selbsternannten Volkrepubliken Donezk und Luhansk als "souveräne und unabhängige Staaten" anzuerkennen.

Russland verlegt zehntausende Soldaten an die ukrainische Grenze

Bereits im vergangenen Jahr begann der Kreml damit, zehntausende Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammenzuziehen, was Furcht vor einem russischen Einmarsch auslöste. Am 21. Februar 2022 erkennt der russische Präsident Wladimir Putin die Unabhängigkeit der Separatistenregionen von Donezk und Luhansk an. Er kündigt die Entsendung russischer Truppen an.

In der Nacht zu Donnerstag startet Russland einen Großangriff auf die Ukraine. Russische Bodentruppen dringen aus mehreren Richtungen in die Ukraine ein. Die Regierung in Kiew verhängt das Kriegsrecht und bricht die diplomatischen Beziehungen zu Moskau ab.

Viele Staaten auf der ganzen Welt verurteilen den Angriff als klaren Bruch des Völkerrechts.

Sendung: Inforadio, 24.02.2022, 16:48 Uhr

Mit Material von Georg-Stefan Russew

Die Kommentarfunktion wurde am 25.02.2022 um 22:12 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Nächster Artikel