Verfahren könnte Monate dauern - Berliner CDU will juristisch gegen Verbot ukrainischer Fahnen vorgehen
Beim Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs in Berlin wurde am Sonntag nicht nur das Tragen russischer, sondern auch ukrainischer Fahnen an bestimmten Orten untersagt. Die CDU will deswegen vor Gericht ziehen. Dieses erklärt aber: Ein Verfahren würde dauern.
Der Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, will beim Berliner Verwaltungsgericht eine Klage gegen das vorübergehende Verbot ukrainischer Flaggen an Ehrenmalen und Erinnerungsorten einreichen. Das teilte er dem rbb mit. Das Verbot gilt für 15 Orte in Berlin am 8. und 9. Mai. "Diese Entscheidung des Senats ist eine Schande für Berlin", sagte Evers.
Das Verwaltungsgericht erklärte allerdings auf Anfrage des rbb, das Verfahren könne Wochen oder sogar Monate dauern, da es sich nicht um ein Eilverfahren handele.
Evers und CDU-Landeschef Kai Wegner hatten bereits am Freitag die Entscheidung der Berliner Innenverwaltung kritisiert, wonach an bestimmten Gedenkorten nicht nur das Tragen russischer Fahnen und Zeigen des "Z"-Symbols verboten sind, sondern während des Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkriegs auch ukrainische Fahnen.
Evers: "Auch eine Frage des Anstands"
Das Verbot russischer Fahnen sei als Billigung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nachvollziehbar, sagte Evers. Das Verbot ukrainischer Fahnen sei hingegen nicht haltbar: "Der 8. Mai mahnt uns: Nie wieder Krieg! Und es muss erlaubt sein, mit den Opfern des russischen Angriffskrieges Solidarität zu zeigen - gerade heute, und gerade an diesem Ort", sagte Evers. "Das ist nicht nur eine Frage der Meinungsfreiheit, sondern auch des Anstands."
Evers, Wegner und weitere CDU-Politiker nahmen am Sonntag am Gedenken am sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni in Tiergarten teil. Die Polizei habe ihnen das Mitführen ukrainischer Fahnen verwehrt, sagte Evers dem Tagesspiegel. Auch das Zeigen von Solidaritätsbekundungen mit dem Wortlaut "Solidarität mit der Ukraine" und dem Adenauer-Zitat "Wir wählen die Freiheit" sei untersagt worden, teilte die Berliner CDU auf Twitter mit.
Evers selbst teilte auf Twitter ein Bild, auf dem er von Polizeikräften aufgefordert wird, ein entsprechendes Plakat niederzulegen.
Ukrainischer Außenminister: "Berlin hat einen Fehler gemacht"
Auf Kritik war das Flaggenverbot auch beim ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk gestoßen. Er forderte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) auf Twitter dazu auf, diese "skandalöse Entscheidung" rückgängig zu machen.
Auch in der Ukraine selbst wurde das Flaggenverbot kritisch aufgenommen. Außenminister Dmytro Kuleba verurteilte die Verordnung der Berliner Polizei: "Berlin hat einen Fehler gemacht, als es ukrainische Symbole verbot", schrieb Kuleba am Sonntag im Nachrichtendienst Twitter. "Es ist zutiefst falsch, sie gleichberechtigt mit russischen Symbolen zu behandeln." Die Entscheidung sei "ein Angriff auf all diejenigen, die derzeit Europa und Deutschland gegen die russische Aggression verteidigen", schrieb Kuleba weiter.
Polizei verweist auf "würdevolles Gedenken"
Im Zusammenhang mit dem Fahnenverbot, von dem nur Veteranen und Diplomaten ausgenommen sind, gab es am Sonntag einen Zwischenfall: Als Botschafter Melnyk einen Kranz am Ehrenmal in Tiergarten niederlegte, wurde er von 100 pro-russischen Demonstranten auf der Straße des 17. Juni mit "Nazi"-Rufen und "Melnyk raus" empfangen.
Neben dem Ehrenmal entrollten mehrere Personen ein großes ukrainischen Banner, das kurz danach von Polizeikräften wieder entfernt wurde. Das Polizeipräsidium begründete auf Twitter die Verordnung damit, dass "das friedliche, würdevolle Gedenken im Vordergrund stehen" sollte.
Viele russische Fahnen im Treptower Park
Am Montag (9. Mai) überwogen auf mehreren Gedenkveranstaltungen, darunter vor allem auf jener am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow, russische Fahnen. Dazu erklärte eine Polizeisprecherin auf rbb-Nachfrage: "Am Ehrenmal im Treptower Park fand die offizielle Gedenkveranstaltung der Russischen Botschaft statt. Gäste dieser Delegation durften Fahnen tragen." Die Fahnen seien nach der Veranstaltung wieder heruntergenommen worden.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik verteidigte am Montag die Fahnen-Verfügung: "Wollen wir an Tagen wie diesen in Berlin Menschen auf der einen Seite mit russischen Fahnen, auf der anderen Seite mit ukrainischen Fahnen, die aufeinander losgehen? Zunächst nur verbal, aber dann vielleicht auch mit anderen Mitteln? Ich denke nein!"
Gedenken und Demonstrationen
Sendung: rbb24 Inforadio, 9. Mai 2022, 8 Uhr