Fußballer liefert Spenden an die Front - "Ich kann den Jungs nur danken für die Solidarität"

Di 12.04.22 | 08:36 Uhr
Concordia Britz hilft
Bild: Privat

Evgeni Lozynskyy, 26 Jahre alt, studiert an der Freien Universität. Dann bricht Krieg in der Ukraine los. Lozynskyy organisiert Hilfstransporte und fährt sie aus - direkt an die Front. Sein Berliner Fußballklub Concordia Britz unterstützt ihn.

rbb|24: Herr Lozynskyy, Sie sammeln Spenden für die Ukraine und liefern diese gemeinsam mit Freunden aus. Wo halten Sie sich aktuell auf?

Evegni Lozynskyy: Gerade wieder in Deutschland. In Lübeck habe ich mit vier Freunden ein Auto gekauft. Damit fahren wir heute Abend wieder zurück in Richtung Dnipro in der Ostukraine. Dort sind wir seit der Krieg ausgebrochen ist, also seit etwa sieben Wochen.

Wie würden Sie die Situation in Dnipro beschreiben?

Man hört ständig den Fliegeralarm, man muss alle zwei, drei Stunden in den Luftschutzbunker. Als wir in Dnipro übernachtet haben, gab es einen Angriff auf der anderen Seite des Flusses, da ist eine Rakete in die Ölfabrik eingeschlagen. Abends ist es beängstigend, ab acht Uhr ist kaum noch jemand auf den Straßen, ab neun Uhr gilt die Ausgangssperre. Die wird auch streng kontrolliert, mit harten Strafen.

Mit wem haben Sie vor Ort zu tun?

Vor allem mit Soldaten, die wir unterstützen. Aber auch mit Freiwilligen, die Kinder aus Mariupol evakuiert haben. Ich treffe auf Ärzte, die gerade einen unfassbar wichtigen Job machen und tausenden Menschen das Leben retten. Ich begegne ganz normalen Menschen, die ihren Teil dazu beitragen wollen, das Land vor dem russischen Angriff zu verteidigen, indem sie zum Beispiel Tarnnetze nähen oder für die Soldaten kochen.

"Ich muss jetzt helfen", so lautete die knappe Textnachricht, die Sie vor sieben Wochen an Ihr Fußballteam Concordia Britz adressierten. Klingt, als wären Sie sehr in Eile gewesen. Wie waren die Umstände?

Als der Krieg ausgebrochen war, habe ich mich ja in Dnipro aufgehalten. Für mich war klar, dass ich den Krieg nicht von zu Hause in den Nachrichten verfolgen kann. Als erstes ging es darum, meine ukrainischen Verwandten in Sicherheit zu bringen. Da ich einen deutschen Pass habe, ist es mir möglich, aus- und wieder einzureisen. Ukrainischen Staatsbürgern zwischen 18 und 60 Jahren ist das verwehrt. Ein Teil meiner Verwandtschaft ist mittlerweile in Deutschland untergebracht, manche sind nun in Moldawien, ein anderer Teil lebt weiterhin in der Ukraine.

Wie unterstützen Ihre Concordia-Vereinskollegen Sie?

Die Jungs haben eine unglaubliche Spendenaktion ins Leben gerufen, haben Sachspenden eingesammelt, wie zum Besipiel Isomatten, Schlafsäcke, aber auch Schmerzmittel, blutstillende Verbände. Es wurden auch Gelder gesammelt, die wir dann in Medizin und Schutzausrüstung gesteckt haben. Außerdem hat die Mannschaft einen Transporter gemietet, den sie dann mit den Hilfsgütern mehrfach zu mir an die ukrainische Grenze gefahren hat. Die Summe aller Güter belief sich auf rund 20.000 Euro.

Woher wissen Sie und das Team, was gerade gebraucht wird?

Ich bekomme die Infos direkt von der Front, beziehungsweise von den Krankenhäusern. Die Jungs haben das dann entsprechend besorgt.

Concordia Britz sammelt Spenden für die Ukraine

Spendenaktion bei Concordia Britz
Privat

"Die Hilfsbereitschaft ist nach wie vor extrem hoch, aber die Spenden, die wir sammeln, werden immer weniger", sagt Evgeni Lozynskyy am Telefon. Über die Klub-Homepage seines Vereins Concordia Britz gibt es nach wie vor die Möglichkeit, die Hilfstransporte von Lozyskyy mit Spenden zu unterstützen [vfb-concordia-britz.de].

Wie kommen die Hilfsgüter dahin, wo sie gebraucht werden?

Ich übernehme die Sachen an der ukrainisch-polnischen Grenze. Über meine persönlichen Kontakte sind diese dann meistens nach Dnipro gekommen. Teile gingen auch nach Tschirnihiw. Die Stadt ist mittlerweile befreit, war allerdings wochenlang eingekesselt, die Zufahrt wurde von den Russen kontrolliert. In einer Nacht- und Nebelaktion hatten Freiwillige die Hilfsgüter durch einen Wald gefahren, am Waldrand wurden die Sachen dann von Bekannten meines Cousins, die dort kämpften, mit Rucksäcken in Empfang genommen und in die Stadt transportiert. Es waren teilweise die Güter von Concordia Britz.

War der Teamgeist bei Concordia Britz je so groß wie jetzt?

Durch Teamgeist hat sich Concordia sowieso immer ausgezeichnet. Wir sind immer als Team aufgetreten, verstehen uns auch abseits des Platzes gut. Trotzdem kann ich den Jungs nur danken für die Solidarität und Hilfsbereitschaft, das berührt mich sehr.

Nach dem Massaker von Butscha gibt es Hinweise für weitere Massengräber. Moskau geht mit Bombardements gegen Zivilisten vor. Es scheint, niemand kann sich sicher fühlen. Wie gehen Sie persönlich damit um?

Die Gefahr ist stets da, gerade natürlich im Osten des Landes. Aber auch als wir in Lwiw übernachtet haben, gab es einen Raketenschlag, nur wenige Kilometer von uns entfernt – es war fünf Uhr morgens und wir sind durch einen großen Schlag aufgewacht, die Wände haben vibriert. In Nahkämpfe waren wir bislang zum Glück aber nicht verwickelt. Wir schauen, dass wir die sichersten Routen nehmen. Aber zu 100 Prozent sicher ist man in der Ukraine nirgends.

Was hilft Ihnen, um klarzukommen in dieser brutalen Ausnahmesituation?

Mir hilft die Unterstützung der Freunde, der Familie, aber nicht zuletzt auch der Spirit, der gerade in der Ukraine herrscht. Die Leute sind zusammengerückt, jeder versucht alles zu geben, um den Angriff abzuwehren. Da fühle ich auch einfach verpflichtet, so viel zu geben wie ich kann.

In Berlin studieren Sie normalerweise Politikwissenschaften. Wann soll es zurückgehen für Sie in die Normalität?

Langsam muss ich wieder zurückkommen, weil ich mein Studium nicht sausen lassen kann, ich muss zum Beispiel Hausarbeiten abliefern. Aber meine Uni hat bisher mit Verständnis reagiert und einer Verschiebung von Abgabefristen.

Das Interview führte Shea Westhoff

Sendung: rbb|24 Inforadio, 13.04.2022, 18:15 Uhr

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