Sanktionen gegen Russland - Brandenburger Finanzministerin warnt vor Öl-Embargo und kritisiert Habeck
Sollte die Europäische Union die geplanten Sanktionen gegen Russland beschließen, würde das vor allem Ostdeutschland treffen, warnt die Brandenburger Finanzministerin. Die Grünen weisen die Kritik zurück. Derweil tagt nun eine Bund-Länder-Gruppe.
Die Brandenburger Finanzministerin Katrin Lange (SPD) hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) vor einem übereilten Öl-Embargo gegen Russland gewarnt. Lange rechnet nach eigenen Angaben mit enormen Verwerfungen für die ostdeutsche Wirtschaft, wie die "Märkische Allgemeine" [Bezahlinhalt] am Montag berichtet.
"Keine Entscheidungen ins Blaue hinein"
"Mein Eindruck ist, dass der Bundeswirtschaftsminister den zweiten Schritt vor dem ersten macht", sagte Lange demnach und fügt an: "Weiterbetrieb, Versorgung und Bezahlbarkeit müssen verbindlich gesichert sein. Absichtserklärungen reichen da nicht. Erst wenn das klar ist, kann der Öl-Hahn zugedreht werden. Vorher nicht." Die Finanzministerin warnte davor, dass die auf europäischer Ebene beschlossenen "Sanktionen dürfen uns nicht mehr schaden als Russland". Das wäre widersinnig und beende auch nicht den Krieg. Daher fordert sie von der Bundesregierung: "Keine Entscheidungen ins Blaue hinein. Das geht so nicht."
Grüne fordern von Lange konstruktive Mitarbeit
Die Brandenburer Grünen weisen die Kritik an Habecks Kurs zurück. Der Bundeswirtschaftsminister fahre einen sehr besonnenen Kurs auf Bundesebene und bereite sich auf die möglichen Embargo-Szenarien vor, sagte die Grünen-Landesvorsitzende Julia Schmidt am Montag dem rbb. Er treffe aktiv Vorkehrungen, um die Abhängigkeit zu reduzieren.
Schmidt warf Lange vor, keine Zukunftsperspektive für Schwedt, den Standort der PCK-Raffinerie, zu schaffen, sondern "krampfhaft" am Status quo festzuhalten. Sie erwarte von der SPD und von Lange, dass sie den eingeschlagenen Kurs der Bundesregierung unterstützten und konstruktiv daran mitarbeiteten.
Lange hingegen betonte als Reaktion auf die Grünen-Kritik, es seien noch so viele Fragen offen, dass ein Öl-Embargo im Moment nicht verantwortbar wäre. Es gehe nicht nur um die Zukunft von Schwedt, sondern auch um die von Ostdeutschland sowie die Versorgungssicherheit und bezahlbare Energiepreise, sagte sie rbb24 Brandenburg aktuell. Der Bundeswirtschaftsminister kümmere sich, räumte sie ein, aber es fehlten belastbare Lösungen und Vorschläge. "Die muss er einfach liefern", so Lange.
Europäischer Sondergipfel zu Öl-Embargo
Auf einem europäischen Sondergipfel soll am Montag weiter über ein Öl-Embargo verhandelt werden, das als Teil eines sechsten Sanktionspakets kommen soll. Hintergrund ist der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Gegen ein Embargo auf Öl gibt es jedoch auch Vorbehalte.
Die Bundesregierung will ungeachtet dessen bis Ende des Jahres unabhängig von russischen Öl-Lieferungen werden. Davon direkt betroffen könnte die PCK-Raffinerie in Schwedt sein, die bislang über die "Druschba-Pipeline" zu 100 Prozent mit russischem Öl versorgt wird und einen großen Teil Ostdeutschlands, Berlin und Polens versorgt.
Bund und Länder beraten
Derweil hat eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern am Montag Beratungen zur Zukunft des Raffinerie-Standortes Schwedt aufgenommen. Es seien viele Ideen im Gespräch, aber konkrete Lösungen wurden nicht benannt, sagte Finanzministerin Lange nach der Auftaktsitzung.
Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte nach der Auftaktsitzung, es räche sich, dass ein russischer Energiekonzern in den vergangenen Jahren einen so starken Einfluss auf die Versorgungssicherheit bekommen habe, zitierte die Deutsche Presse-Agentur (DPA). Das PCK Schwedt gehört mehrheitlich der deutschen Tochter des russischen Staatskonzerns Rosneft.
Die Projektgruppe soll zukunftsfähige Lösungen für den Standort Schwedt und die PCK-Beschäftigten erarbeiten. In der Gruppe sind nach DPA-Informationen mehrere Bundesministerien sowie die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Zugleich wurden laut Bundeswirtschaftsministerium auch aktuelle Fragen rund um den Weiterbestand und die Versorgungssicherheit im Hinblick auf die Umstellung weg von russischem Öl für die PCK-Raffinerie diskutiert.
"Ich weiß, dass das für den Standort Schwedt und seine Beschäftigten eine Kraftanstrengung bedeutet. Es ist gleichzeitig aber auch die Chance, sich zukunftsfähig aufzustellen", so Kellner. Denn es sei klar, dass der Abschied von fossilen Rohstoffen näher rücke. So gebe es vielversprechende Ideen, wie beispielsweise mit Blick auf Wasserstoff, nachhaltiges Kerosin oder Bioökonomie, mit denen auch zukünftig Wertschöpfung am Standort stattfinden könne und Arbeitsplätze zukunftsfest gemacht werden könnten, so Kellner weiter.
"Gravierende Folgen für Unternehmen und Beschäftigte"
Finanzministerin Lange rechnet derweil mit negativen Folgen und einer "überproportionale Belastung der ostdeutschen Standorte Schwedt und Leuna (Sachsen-Anhalt) im Vergleich zu westdeutschen Standorten" durch ein mögliches Öl-Embargo. Die Gefahr bestehe, dass bei einem "abrupten Öl-Boykott große Teile der Wirtschaft in Ostdeutschland stillstehen, mit gravierenden Folgen für Unternehmen und Beschäftigte."
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte bei seinem Besuch in Schwedt im Mai angekündigt, neue Lieferwege für die PCK-Raffinerie zu ermöglichen. Damit würden je nach Schätzungen aber nur 60 bis 70 Prozent der bisherigen Leistung erreicht. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) fordert in diesem Zusammenhang eine Versorgungssicherheit und Milliardenhilfen vom Bund, um die Raffinerie in Schwedt langfristig zu sichern. Auch Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg hatten vor Versorgungsrisiken bei einem möglichen Öl-Embargo gewarnt.
Sendung: Antenne Brandenburg, Nachrichten, 30.05.2022, 11:30 Uhr