PCK-Raffinerie in Schwedt - Warum die Pipeline "Freundschaft" jetzt zum Problem werden könnte
Trotz des Kriegs importiert Deutschland weiter Öl aus Russland – zu einem großen Teil über Schwedt. Die Raffinerie versorgt rund 90 Prozent des Kraftstoffbedarfs der Region. Bald befindet sie sich fast komplett in den Händen eines russischen Oligarchen. Von Efthymis Angeloudis
5.327 Kilometer, von den westsibirischen Erdölquellen in der Oblast Tjumen bis zur deutschen Grenzstadt Schwedt – so lang ist "Druschba" oder "Freundschaft", die Pipeline, die seit 1963 Rohöl aus Russland in die Uckermark bringt. Viel ist seitdem von der Freundschaft nicht übriggeblieben. Die DDR und die Sowjetunion gibt es nicht mehr. Das einstige petrolchemische Kombinat wurde privatisiert und gehört nun mehrheitlich dem russischen Energie-Konzern Rosneft.
Doch während das russische Militär ukrainische Städte einkesselt und weiterhin zivile Ziele in Kharkiv, Mariupol und Kiew bombardiert, fließt das Rohöl weiter bis hin zur PCK-Raffinerie in Schwedt und von hier in die ganze Region.
Neun von zehn Fahrzeugen tanken "russisch"
Neun von zehn Fahrzeugen in Berlin und Brandenburg tanken Kraftstoffe der Schwedter Firma. Die PCK-Raffinerie, rund 120 Kilometer nordöstlich von Berlin, verarbeitet derzeit rund 220.000 Barrel Rohöl pro Tag. Über die Erdölleitung "Freundschaft" kommen nach Angaben der Raffinerie 25 Prozent des Rohölbedarfs Deutschlands. Doch für wie lange noch?
Nachdem die USA bereits einen Importstopp für russisches Öl und Gas beschlossen haben, gibt es auch in Europa Forderungen nach einem Embargo. "Die Mineralölwirtschaft in Deutschland hat eine Reduzierung von Importen an russischem Rohöl als auch an Mineralölprodukten, vorrangig Diesel, eingeleitet", teilte der Wirtschaftsverband Fuels und Energie e. V. (EN2X) rbb|24 am Freitag mit. Aktuell würde die Rohölversorgung sowie die Mineralölverarbeitung hierzulande an allen Standorten jedoch normal verlaufen.
Rosneft erwirbt Mehrheitsanteile der PCK-Raffinerie
Doch mögliche Sanktionen auf russisches Öl und Gas rücken die PCK-Raffinerie in Schwedt und ihren Mehrheitseigner Rosneft in den Fokus. Wie das Unternehmen im November mitteilte, hat es von seinem Vorkaufsrecht auf den Erwerb von Shell-Anteilen Gebrauch gemacht. Mit der Übernahme, die das Bundeswirtschaftsministerium derzeit prüft, gingen 91,67 Prozent der Unternehmensanteile auf Rosneft über, einen Konzern, den Igor Setschin - ein enger Vertrauter Putins - leitet.
Als Vizechef der Präsidenten-Administration hatte Setschin zunächst die Zerschlagung des einst größten Ölkonzerns Yukos angeordnet - und dessen Übernahme durch Rosneft. Dann wurde Setschin zum Rosneft-Chef ernannt. "Durch dieses Ereignis hat Putin die Oberhand gegen die Oligarchen gewonnen," erklärt Andreas Goldthau vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam. Es sei daher kein Wunder, dass Setschin sich so lange an der Spitze behauptet hat. "Er ist jemand, dem Putin vertraut."
Setschins Yacht in Frankreich beschlagnahmt
Vor einer Woche nun beschlagnahmten französische Zöllner eine Yacht, die dem Chef des russischen Ölkonzerns gehören soll. Die PCK-Raffinerie in Schwedt ist nicht von Sanktionen betroffen, bestätigte das Wirtschaftsministerium Brandenburgs dem rbb. Die Sanktionen betreffen lediglich die Privatvermögen der russischen Oligarchen.
Doch warum werden nur die Privatvermögen sanktioniert? Weil man nur so direkten Druck auf das Umfeld von Putin machen könne, erklärt Goldthau. "Es stellt sich die Frage, welche Signale bei Putin ankommen." Er sei abgeschnitten, vertraue nur wenigen Personen. "Einer Hand von Individuen, die in die Wirtschaft hineinwirken." Denn die russische Wirtschaft sei hoch personalisiert. "Wenn man direkt wirken möchte, muss man die Oligarchen sanktionieren. Deren Vermögen, deren Reisen."
Im Aufsichtsrat der russischen Ölgiganten sitzt im Übrigen seit 2017 auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). Er hatte die Berufung zu Rosneft damit gerechtfertigt, dass er so zu einer sicheren Energieversorgung für Deutschland beitragen könne.
Russland droht Lieferungen einzustellen
Auf Importe von russischem Gas und Öl kurzfristig zu verzichten, würde dazu nach Einschätzung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) auch die heimischen Industrieunternehmen massiv schädigen. Wärmeerzeugung, Mobilität, aber auch die Stromversorgung für die Unternehmen könne derzeit nicht anders gesichert werden.
Doch auch wenn die EU und Deutschland kein Embargo verhängen sollten, könnte dies Russland tun. Wegen der Sanktionen des Westens und der Diskussionen in der EU, sich von russischem Gas und Öl zu lösen, hat Russland bereits damit gedroht, die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland einzustellen.
Von dem russischen Import-Rohöl kommen zwei Drittel über die Druschba-Pipeline nach Ostdeutschland, ein Drittel gelangt über den Seeweg, etwa über Rotterdam, und weiter über Pipelines zu den Raffinerien im Westen und Süden."Bei diesem Drittel ist eine Umstellung auf Ölimporte aus anderen Ländern zwar möglich, doch nimmt dies einige Zeit in Anspruch", urteilt auch der Wirtschaftsverband EN2X.
Rohöl aus Russland kann nur schwer ersetzt werden
Im Fall der PCK-Raffinerie in Schwedt ist die Option einer Ersatzbelieferung mit Rohöl nicht ganz so einfach. Die Raffinerie sei auf das russische Erdöl ausgelegt, erklärt Andreas Goldthau. Öl unterscheide sich in leichtem und schweren, süßen und sauren Öl. Das komme auf den Schwefelgehalt an. "Diesel in Deutschland, dass aus russischen Pipelines kommt, kann man nicht einfach mit Brent-Öl ersetzen." Eine Umstellung der Raffinerien würde mehrere Monate dauern und das nur wenn man "viel Geld" in die Hand nehmen würde.
In den vergangenen Jahren stammte rund ein Drittel des in Deutschland verarbeiteten Rohöls aus Russland. Eine derartig große Energiemenge in kurzer Zeit zu ersetzen sei, heißt es von EN2X, nicht vollständig realisierbar.
Experten glauben zwar nicht, dass Russland seine Rohstofflieferungen an die EU komplett einstellen wird. Russland hatte immerhin stets betont, auch in Krisenzeiten ein zuverlässiger Energielieferant zu sein. Trotzdem würde es nicht das erste Mal sein, dass Putin die EU überrascht.
Sendung: Brandenburg Aktuell, 11.03.2022, 19:30 Uhr
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