Folgen des russischen Angriffskriegs - Schwedt befürchtet massive Einschnitte durch Embargo und staatliche PCK-Kontrolle
Angesichts eines möglichen weitreichenden Öl-Embargos gegen Russland und die damit verbundene Diskussion um die Zukunft der PCK-Raffinerie herrscht in Schwedt große Verunsicherung. Von Georg-Stefan Russew
Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine treffen die ganze Welt. Die Reaktion des Westens mit harten Sanktionen gegen Russland entfalten auch im westlichen Europa ihre Wirkungen. Ein im Raum stehendes komplettes Energie-Embargo versetzt beispielsweise die Menschen in der Uckermark rund um Schwedt in helle Aufregung.
Die Erdölraffinerie Petrolchemie und Kraftstoffe (PCK) arbeitet zu 100 Prozent mit russischem Erdöl, ist per Direktpipeline mit Russland verbunden. Zudem liegt das PCK mehrheitlich in der Hand der deutschen Unternehmenstochter des russischen Erdölriesen Rosneft. Die Bundesregierung in Person von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) prüft Schritte, wie kritische Infrastruktur wie die der PCK-Raffinerie unter deutsche Kontrolle kommen könnte. Schwedt versorgt mit seinen Treibstoffen die Region Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern sowie Teile Westpolens zu mehr als 90 Prozent.
Schwedter Bürgermeisterin fürchtet um Arbeitsplätze und ihre Stadt
Das Telefon der Schwedter Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD) stand in den vergangenen Wochen kaum mehr still und auch auf der Straße wird sie regelmäßig angesprochen. "Es gibt bei mir natürlich auch direkt Nachfragen von besorgten Bürgerinnen und Bürgern, vielen ehemaligen Beschäftigten aus der Raffinerie", sagt Hoppe im Gespräch mit dem rbb, "die möchten mit ihrem Wissen über technische Verfahren und Logistikzusammenhänge mir auch Input geben und sagen: 'Bitte Bürgermeisterin, kämpfe für unseren Standort'".
Im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuche sie das natürlich. "Wir sind hier alle sehr besorgt, auch weil man selbst so wenig tun kann", sagt Hoppe. Die entsprechenden Entscheidungen würden auf Bundes- und EU-Ebene getroffen. Da bliebe ihr nicht viel Spielraum, um eingreifen zu können. "Es gibt im Augenblick keine andere Stadt, die so sehr mit dem russischen Öl verknüpft ist und über die vielen Arbeitsplätze hier so besorgt ist", so Hoppe weiter. Über sämtliche Gesprächskanäle versuche sie mit dem PCK, der Landrätin der Uckermark, Karina Dörk (CDU), sowie Landes- und Bundesregierung in Kontakt zu treten.
Auf den Straßen Schwedts wird generell offen über die eigene Zukunft und die des PCK diskutiert. Einige sind sich sicher, wenn Rosneft Deutschland an die Kette gelegt werde - so wie der deutsche Ableger von Gazprom, der per Treuhandschaft unter Kontrolle der Bundesnetzagentur gestellt wurde, drehe Putin die Erdöl-Pipeline ab. "Das wäre der Untergang von Schwedt", ist sich eine Schwedterin sicher, die ihren Namen nicht nennen möchte. Für sie scheint das Aus für Schwedt schon besiegelte Sache zu sein. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), bekräftigte am Freitag in einem veröffentlichten Interview mit dem "Nordkurier", dass noch in diesem Jahr die Unabhängigkeit von russischem Öl kommen soll.
Ehemaliger Intendant fordert besonnenes politisches Handeln
Ähnlich wie Hoppe äußert sich auch der ehemalige Intendant der Uckermärkischen Bühnen, Reinhard Simon. Er lebt und arbeitet seit 30 Jahren in Schwedt, kennt viele Beschäftigte des PCK und steht fortwährend mit ihnen im Austausch. Im Ruhestand engagiert sich Simon neben Theaterprojekten auch für seine zweite Heimat Schwedt.
So will er sein Netzwerk, das er seit Jahren auch nach Potsdam und Berlin aufgebaut hat, nutzen, um für den PCK-Erhalt zu kämpfen. Ein denkbarer Weg wäre eine Petition der Schwedter in Richtung der Berliner Politik. Tenor seines Vorstoßes sei es, dass die politischen Verantwortungsträger in Berlin besonnen handeln, damit der Industriestandort Schwedt nicht untergeht.
"Es gibt ja Politiker, die meinen, das kann man zu machen und man kann anderswo Erdöl herbekommen. Da sagen aber Fachleute genau das Gegenteil", so Simon. Freunde, die im PCK unterwegs sind, haben ihm erklärt, dass das russische Erdöl besonders schwefel-haltig sei und die Anlagen der Raffinerie genau auf dieses Öl der Sorte "Ural" abgestimmt sei. Würde anderes Erdöl verwendet, dann riskiere man den völligen Zusammenbruch, wenn die Anlagen nicht umgebaut würden. "Aber wer soll das bezahlen. Rosneft kann daran kein Interesse haben", so Simon.
Schwedter sehr verunsichert
"Die Menschen hier sind verunsichert. Sie haben Angst", pflichtet Andre Nicke seinem Amtsvorgänger bei. Es würden nicht nur die Mitarbeitenden vom PCK vom Erdöl abhängen, sondern fast die gesamte industrielle Infrastruktur Schwedts.
Auch die Uckermärkischen Bühnen bekämen ihre Wärme über Umwege von der Raffinerie. "Das treibt mich als Intendant um, auch wir hängen von der Stadt, von finanziellen Zuweisungen und unserem Publikum ab", so Nicke. Theater sei auch in der Zukunft wichtig. Wenn es mit dem PCK weitergeht, dann braucht die Stadt als Industriestandort, als Ort, der Arbeitskräfte sucht und halten muss, ein großes kulturelles Angebot, ein attraktives Arbeitsumfeld.
"Und sollte es wider aller Erwartungen nicht weitergehen mit dem PCK und ein langer schmerzhafter, aber auch vielleicht die Zukunft betreffender notwendiger Transformationsprozess die Uckermark ergreifen", so Nicke, "auch dann braucht es die Uckermärkischen Bühnen, um in diesem Prozess ein Haltepunkt zu sein, der Impulse geben und die Menschen auffangen kann."
Russen und Ukrainer arbeiten in Schwedt zusammen
Die Macher der Uckermärkischen Bühnen treibt seit dem ersten Tag die Invasion in die Ukraine um. Man habe sich sofort solidarisch gezeigt und den Bühnenturm nachts in den Farben der Ukraine angestrahlt. "Und das ist bis zum heutigen Tag so - auch wenn wir auch schon Anfeindungen erfahren haben", sagt Nicke. "Wir haben an unserem Gebäude Schmierereien mit dem russischen Kriegs-Symbol 'Z' entfernen müssen. Das "Z" wird vor allem von den russischen Streitkräften und Unterstützern Russlands verwendet, um die öffentliche Billigung von Putins völkerrechtswidrigem Krieg auszudrücken.
Auch die PCK-Beschäftigten selbst treibt Putins Krieg um. Die Mitarbeitenden zeigten sich zutiefst bestürzt, so ein Sprecher der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Im PCK arbeiten Menschen aus Russland und der Ukraine zusammen, die den Angriffskrieg verurteilten.
Dennoch bliebe die Angst um den eigenen Arbeitsplatz, so der Gewerkschaftssprecher. "Und was aus der Stadt wird", ergänzte Schwedts ehemaliger Bürgermeister Peter Schauer (SPD). Ohne das PCK gebe es Schwedt so gar nicht.
Sendung: Antenne Brandenburg, 08.04.2022, 15:40 Uhr