Union-Geschäftsführer Ruhnert in der Wintertransferphase - Wer hat wirklich Lust auf Union?
Am 1. Januar öffnet das Winter-Transferfenster. Union-Geschäftsführer Oliver Ruhnert verkündet in dieser Zeit traditionell viele Wechsel. Und auch in diesem Jahr hat er einiges vor. Von Till Oppermann
Noch vor Weihnachten gab der 1. FC Union Berlin seinen ersten Abgang bekannt: Marc Lettau verlässt die Eisernen und schließt sich dem VfL Bochum an. Zugegeben: Lettau ist kein Lizenzspieler. Und doch: Als langjährige rechte Hand von Oliver Ruhnert erfüllte der 37-Jährige wichtige Aufgaben für die Eisernen: Er war der administrative Leiter der Lizenzspielerabteilung. Auf die am 1. Januar beginnende Transferperiode wird Lettaus Abgang aber keine Auswirkungen haben. Denn sein Ex-Chef Ruhnert hat ein Prinzip: "Wir brauchen eine stetige Veränderung."
Spieler mit wenigen Einsätzen sollen gehen
Obwohl Union bei der Mitgliederversammlung vor einem Monat für das Geschäftsjahr 2021 Rekordzahlen verkündete, sieht Oliver Ruhnert seine Priorität darin, den Kader zu verkleinern. Gerade Spielern mit geringer Einsatzzeit legt der Sauerländer einen Wechsel nahe: "Wenn man erkennt, dass man keine Möglichkeit bekommt und die Konkurrenz vielleicht einfach zu groß ist, dann erwarte ich von einem Profi, dass er über einen Wechsel nachdenkt", so Ruhnert. Wer damit gemeint sein könnte, wird mit einem kurzen Blick auf die Einsatzzeiten in der bisherigen Saison schnell klar.
Gedränge im zentralen Mittelfeld
Zum Beispiel Tim Skarke, der im Sommer von Darmstadt 98 in die Hauptstadt wechselte und es nur auf sechs Pflichtspieleinsätze brachte. Seine Leihe zu Schalke 04 scheint nur noch Formsache zu sein. Aktuell "feilschen" die Vereine um die Leihgebühr, wie es S04-Manager Peter Knäbel kürzlich ausdrückte. Als Flügelstürmer kam Skarke in Urs Fischers 3-5-2-System nicht zum Zug.
Die geringen Einsatzzeiten anderer Spieler sind jedoch nicht nur aufs Spielsystem, sondern auch auf die Kadergröße zurückzuführen. Insbesondere im zentralen Mittelfeld herrscht mit zehn Anwärtern auf drei Plätze große Konkurrenz. Levin Öztunali kam in einem Kurzeinsatz auf insgesamt sechs Minuten Spielzeit. Seinem Kollegen Kevin Möhwald gelang noch nicht einmal der Sprung in den Spieltagskader. "Am Ende ist der Spieler derjenige, der an sich denken muss", rät Ruhnert.
Gerüchte um Reis und Mannsverk
Vielleicht formuliert der Geschäftsführer es so direkt, weil die Eisernen trotz ihres Überangebots gerne in der Mittelfeldzentrale nachlegen würden. Zu oft fehlt besonders in Rückstand die Kreativität im eigenen Ballbesitz. Die "Hamburger Morgenpost" [Bezahlinhalt] berichtet von eisernem Interesse am HSV-Mittelfeldspieler Ludovit Reis, der allerdings kürzlich klarstellte, frühestens im Sommer wechseln zu wollen.
Ein norwegisches Medium [nettavision.no] sagt den Köpenickern außerdem Interesse an Sivert Mannswerk nach. Der 20-jährige Sechser überzeugte für Molde FK in der Conference League. Allerdings gelten beide Spieler als von zahlreichen Vereinen umworben. Folgt man Oliver Ruhnert, ist das eher ein Grund, die Gerüchte um Mannsverk und Reis nicht ernst zu nehmen. Es gäbe zwar Spieler, die auffallen und auf die man schaue. "Aber prinzipiell beschäftigen wir uns mit den Akteuren, die weniger im Fokus stehen." Fakt ist trotzdem: Sportlich muss sich Union nicht mehr vor vielen Konkurrenten verstecken.
Leistungsträger wecken Begehrlichkeiten
Das gilt allerdings nicht für die Gehälter. Trotz zwei Jahren im Europapokal liegt Unions Gehalts-Etat mit 43 Millionen Euro für alle 53 Mitarbeiter der Lizenzspielerabteilung im unteren Ligadrittel. "Bei uns wissen die Spieler, dass sie beim Gehalt nicht zu weit auseinanderliegen", sagt Ruhnert. Wahrscheinlich ist diese Gleichheit ein Grund dafür, dass in der Mannschaft stets ein gutes Klima herrscht. Aber gleichzeitig bedeutet die Gleichheit auch, dass weiterhin Leistungsträger den Verein verlassen werden, um anderswo finanziell auszusorgen.
Über Gerüchte, der FC Barcelona plane Rani Khedira zu verpflichten, mussten die meisten noch schmunzeln. Dass Nottingham Forest daran interessiert sein soll, Unions Sheraldo Becker in England wieder mit Taiwo Awoniyi zusammenzubringen, lässt da schon eher aufhorchen. Die Premier League ist einer der erklärten Träume Beckers und Nottingham kann mehr Gehalt zahlen als Union. Gegen den Wechsel spricht Beckers sportlicher Ehrgeiz. Forest spielt gegen den Abstieg, aber Unions bester Torschütze und Vorlagengeber will zu einem Topklub.
Angriff könnte Baustelle werden
Mit 23 Einsätzen in allen Wettbewerben stand neben Becker bisher Kevin Behrens in den meisten Spielen auf dem Platz. Trotzdem kommt Behrens als Joker nur auf 605 Spielminuten. Auf der Suche nach einem kopfballstarken Stürmer ist nun der 1. FC Köln auf den 31-Jährigen gestoßen. Unter Union-Legende Steffen Baumgart wäre Behrens wohl Stammspieler in Köln.
Sollte er im Winter wechseln, muss Union im Angriff dringend nachlegen. Denn Rekordtransfer Jordan Siebatcheu befindet sich nach seinem starken Start in einer Formkrise - seit Mitte September gelang ihm kein Tor mehr. Sollte Siebatcheu nicht zurück in die Spur finden, brauchen die Eisernen dringend einen adäquaten Ersatz: Behrens oder einen anderen körperlich starken Mittelstürmer. Die sportliche Leistungsfähigkeit sei laut Ruhnert zwar das wichtigste, aber nicht einzige Kriterium für einen Neuzugang: "Die zweite Priorität ist dann, wenn man sich mit einem Spieler unterhält: Will der eigentlich? Hat der wirklich Lust auf Union?"