Diskussion durch Krieg in der Ukraine - Bund will an Kohleausstieg "idealerweise" 2030 festhalten
Die erste Infrastrukturkonferenz in Cottbus stand unter dem Eindruck der Ereignisse in der Ukraine. Statt um die Zukunft der Energieregion Lausitz ging es zunächst um die Frage, wie künftig Wohnungen beheizt werden können, sollte russisches Gas ausbleiben. Von Florian Ludwig
Die Worte aus dem Koalitionsvertrag sollen Bestand haben: Mit der Kohleverstromung soll in Deutschland im Idealfall bereits 2030 Schluss sein. Daran will die Bundesregierung festhalten, sagte der Wirtschaftsstaatssekretär des Bundes, Michael Kellner (Grüne), am Dienstag am Rande der ersten Infrastrukturkonferenz für die Lausitz und Mitteldeutschland in Cottbus dem rbb. Dabei haben Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung über den Strukturwandel in der Lausitz beraten.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ist eine Diskussion um das Ausstiegsdatum aus der Kohle entbrannt. Ob Russland auch künftig verlässlich Gas, Kohle und Öl liefern wird, ist unklar.
Woidke: die nötige "ideale Welt ist verschwunden"
Man sehe zwei große Krisen, so Kellner. "Wir sehen die Klimakrise. Wir sehen, wie hoch die Dringlichkeit ist, deshalb müssen wir raus aus der Kohle." Gleichzeitig zeige laut Kellner der Angriff Putins auf die Ukraine einmal mehr, dass Deutschland von fossilen Energien unabhängig werden müsse - und, "dass heute erneuerbare Energien auch ein Beitrag zur nationalen Sicherheit sind. Deshalb geht es um Beschleunigung und nicht um ein Abbremsen."
Dagegen erklärte erst am Dienstag Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), dass er keine Chance mehr sieht, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Er wies im rbb darauf hin, dass die Regierungskoalition im Bund beim Ausstiegsdatum von "idealerweise" gesprochen habe. "Die ideale Welt, die es dazu braucht, ist spätestens mit dem russischen Angriff verschwunden", sagte Woidke im Interview auf Radioeins vom rbb.
Mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien
Neben Bundeswirtschaftsstaatssekretär Kellner betonte auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), bei der Konferenz in Cottbus immer wieder, dass die Bundesregierung trotz aller Unsicherheiten zum Kohlekompromiss und zu allen Zusagen stehe. Der Kohleausstieg solle trotzdem im Idealfall schon 2030 gelingen.
Dafür brauche es aber vor allem Geschwindigkeit, sagte Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. "Relevant ist, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien in einem Tempo und in einem Maße vorantreiben, wie wir es bisher nicht kennen." Dafür müsse die Bundesregierung die Genehmigungsverfahren so organisieren, dass es schneller geht, sagte Andreae.
Mehr Tempo vor allem bei den Planungen war bei der Konferenz die Hauptforderung der Wirtschaft an die Politik, beispielsweise beim Bau von Wasserstoffkraftwerken. Ohne Versorgungssicherheit würde es keinen Kohleausstieg geben können, so die Argumentation.
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung erinnerte deshalb an ein Mittel, dass schon einmal geholfen hat. "Wir haben in Ostdeutschland exzellente Erfahrungen mit dem Verkehrswegebeschleunigungsgesetz in den 1990er und 2000er Jahren gemacht", sagte Schneider. Dabei habe es eine Klageinstanz beim Bundesverwaltungsgericht gegeben, ansonsten sei gebaut worden. "Ich finde, wir müssen jetzt in eine Zeit kommen, und da können wir uns sehr lange Beteiligung- und Entscheidungsprozesse einfach nicht mehr leisten."
Sendung: Antenne Brandenburg, 01.03.2022, 16:40 Uhr