Ukraine-Geflüchtete - Verdi und Personalräte warnen vor Verwaltungs-Krise in Berlin

Mi 23.03.22 | 15:41 Uhr
Blick auf einen Wegweiser im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Berlin (LAF) in Berlin-Reinickendorf. Durch den Krieg in der Ukraine wird mit zahlreichen Flüchtlingen gerechnet. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Video: Abendschau l 23.03.2022 l Agnes Sundermeyer | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Die Ankunft von Zehntausenden Geflüchteten aus der Ukraine bringt die Berliner Verwaltung an ihre Belastungsgrenze. Personalräte und die Gewerkschaft Verdi fordern den Senat auf, das Personal der beteiligten Behörden zu entlasten.

Personalräte in Berliner Behörden und die Gewerkschaft Verdi haben abgesichts der Ankunft ukrainischer Kriegsflüchtlinge vor einer Krise der Berliner Verwaltung gewarnt. Ohne Hilfe des Bundes werde Berlin nicht in der Lage sein, den Zustrom von Geflüchteten zu bewältigen, sagte die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Andrea Kühnemann dem rbb.

Die Berliner Behörden seien nicht in der Lage, Reserven zu aktivieren, denn durch den jahrelangen Sparkurs der Stadt seien die Einrichtungen noch immer geschwächt. Es fehle an Personal und Sachmitteln. "Jetzt kommt es darauf an, die Kräfte zu bündeln und die anstehenden Probleme schnell, unbürokratisch und gut zu lösen", sagte Kühnemann. Der Senat müsse dazu einen gesamtstädtischen Krisenstab einrichten.

Kritik an Arbeitsbedingungen

Die Vorsitzende des Hauptpersonalrats, Daniela Ortmann, kritisierte die Arbeitsbedingungen im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und im Krisenstab des Senats. Normale Arbeitszeit- und Arbeitsschutzbestimmungen würden seit Kriegsbeginn ignoriert. Es sei großartig, dass diese Arbeit bisher freiwillig geleistet werde, sie sei aber eine enorme Belastung und werde die Beschäftigten auf absehbare Zeit krank machen.

Ortmann verteidigte das Schreiben der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) an alle Beschäftigten der Berliner Verwaltung. "Die Aufgabe ist nur zu stemmen, wenn wir uns alle unterhaken", sagte Ortmann im Gespräch mit dem rbb. Sie habe kein Verständnis, wenn einzelne Behördenleitungen grundsätzlich die Unterstützung verweigerten. Auch Führungskräfte könnten durchaus für drei Wochen in Tegel aushelfen.

Schichten bis zu 14 Stunden

Die Personalratsvorsitzende des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), Nurda Tazegül, berichtete von überlangen Arbeitszeiten. Schichten von bis zu 14 Stunden seien keine Seltenheit. Auf Dauer werde die Lage trotz des außergewöhnlichen Engagements nicht zu bewältigen sein. Dem LAF fehle es seit der Gründung im Jahr 2016 an ausreichend Personal, sagte die Personalratsvorsitzende. Neben den Freiwilligen aus anderen Behörden, den zunächst 80 Bundeswehrsoldaten und weiteren befristeten Beschäftigungspositionen für die nächsten Wochen und Monate müsse das LAF von derzeit 600 Stellen dauerhaft um mindestens 250 weitere Stellen verstärkt werden, forderte Tazegül.

Der Personalratsvorsitzende des Bezirksamts Reinickendorf, David Blankenburg, warnte vor einer Überlastung der Beschäftigten. Die Bezirke hätten sich bisher weder von den Folgen des jahrelangen Sparkurses erholt, noch seien die Digitalisierung und die Corona-Krise nicht bewältigt. Der Kontakt zu den traumatisierten Geflüchteten gehe auch an den Beschäftigten nicht spurlos vorbei. Es sei schwierig, unter den Bedingungen zusätzliches Personal zu gewinnen. Um die ohnehin schon hohe Fluktuation in den Bezirken zu stoppen, müsse der Senat schnell Anreize schaffen und die Arbeitsbedingungen verbessern.

Sendung: Inforadio, 23.03.2022, 14:00 Uhr

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