Partei stellt 5-Punkte-Plan vor - Berliner CDU will russischer Propaganda den "Stecker ziehen"
Die Berliner CDU will mit einem 5-Punkte-Plan gegen die Desinformation des Kremls vorgehen. Landeschef Wegner fürchtet das Spaltungspotenzial der Propaganda. SPD und Linke wundern sich über die Initiative: Die Union fordere, was es längst gebe. Von Angela Ulrich
Die Berliner CDU nennt ihr Konzept "W-E-R-T-E". Hinter den fünf Buchstaben verbergen sich fünf Ziele, um russischer Propaganda über den Krieg in der Ukraine mehr als bisher Einhalt zu gebieten: Wachsamkeit stärken, Engagement fördern, Resilienz steigern, Teilhabe ermöglichen, Exklusion bekämpfen.
"Damit wollen wir dafür sorgen, dass den Desinformationskampagnen des Kreml im wahrsten Sinne des Wortes der Stecker gezogen wird", sagt CDU-Landeschef Kai Wegner dem rbb am Sonntag. Der russische Staat dürfe "durch propagandistische und geheimdienstliche Mittel" die Gesellschaft in der deutschen Hauptstadt nicht spalten. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" darüber berichtet.
Die Berliner CDU fordert den Senat in dem vierseitigen Papier auf, bestehende Präventionskonzepte verstärkt auch gegen Desinformationskampagnen einzusetzen. Die Christdemokraten stellen sich Modellprojekte vor, die gegen Hass im Netz vorgehen. Dazu gehöre auch, Propaganda "in Sozialen Medien zu erkennen, zu entlarven und wenn möglich zu löschen".
Außerdem solle der Berliner Verfassungsschutz gestärkt werden, auch, um "die Beobachtung von Putin-treuen Aktivisten, Propagandisten und Einflussagenten in Parteien wie der AfD" auszuweiten. Berlin dürfe "nicht zu einer Bühne von Putins Propaganda-Show werden", schreibt die CDU. Landeschef Wegner ist besorgt, wenn es in Berlin vermehrt zu Angriffen auf Russlanddeutsche und Spätaussiedler in der Stadt kommt. Wegner sei dankbar, dass sich auch unter den russischstämmigen Berlinerinnen und Berlinern so viele gegen Putin und für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine engagieren. "Wir müssen dem Kreml deutlich Grenzen aufzeigen, dass wir wehrhaft sind, und dass wir uns nicht spalten lassen."
Vorschläge lösen bei Linke und SPD Verwunderung aus
Bei der Berliner Linken stößt das CDU-Konzept auf Verwunderung. "Selbstverständlich muss man gegen Putin-Propaganda sein", sagt Landeschefin Katina Schubert dem rbb. "Aber ich würde der CDU raten, sich mal ein bisschen in der Projekte-Landschaft in Berlin umzusehen. Was sie alles fordert, an Präventions- und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen – da haben wir schon sehr viel, nur hat sich die CDU bisher nie dafür interessiert." Schubert nennt beispielsweise russischsprachige Integrationsbeauftragte in den Bezirken. Dafür gebe es auch schon seit Längerem gezielte Förderungen.
Auch bei der SPD ist der innenpolitische Sprecher im Abgeordnetenhaus, Tom Schreiber, zurückhaltend. "Man muss dann auch schon seriöse Vorschläge machen", kritisiert Schreiber den CDU-Vorstoß, "und nicht den Eindruck erwecken, als ob die Sicherheitsbehörden in Berlin jetzt auf das Papier gewartet hätten. So nach dem Motto: Wir haben bisher nichts getan und schauen einfach zu. So ist es ja weiß Gott nicht!"
Ehrenamtliche fühlten sich nicht gehört
Schreiber verweist auf die gemeinsame Vorgehensweise mit dem Bund. Das Z-Symbol, das für Putin-Unterstützung steht, sei verboten worden. Bei Versammlungen arbeite man mit strengen Auflagen, "klar, stringent und konsequent" – und die Berliner Polizei würde auch immer wieder einschreiten. "Ich würde der CDU empfehlen, auf den Rechtsstaat zu vertrauen", so Schreiber. Darüber hinaus setzt der SPD-Innenpolitiker auf Multiplikatoren, damit ukrainische und russische Gruppen in der Stadt nicht gegeneinanderstehen. "Das können wir nicht wollen und wollen wir auch nicht."
CDU-Landeschef Wegner gehen die Aktionen des Senats allerdings nicht weit genug. "Ich glaube trotzdem, dass da eine Menge Luft nach oben ist", sagt er. Er kenne zahlreiche deutsch-russische ehrenamtliche Organisationen, die sich nicht gehört und nicht stark genug unterstützt fühlten. "Die wünschen sich mehr vom Senat, und ich halte das absolut für notwendig."
Sonntag vor einer Woche hatte es einen Autokorso quer durch Berlin gegeben – mit russischen Flaggen und Sympathie-Bekundungen für Wladimir Putin. Vor einigen Tagen war das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park beschmiert worden. "Tod allen Russen" war da zeitweise zu lesen- Diese und andere Parolen wurden mittlerweile unkenntlich gemacht.
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat die antirussischen Schmierereien verurteilt. Dies sei eine "bewusste Provokation, auch um die Ukraine zu diskreditieren", sagt Melnyk und fordert mehr Schutz der Ehrenmale in Treptow und Tiergarten vor Vandalismus. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat dies bereits zugesagt. Rund 300 Straftaten haben deutsche Behörden seit Beginn des Krieges gegen russischsprachige Menschen registriert, schreibt die CDU in ihrem Papier. Sie warnt, dass dies "der Propaganda einen fruchtbaren Boden" bereite.
Gedenktage zum Ende des Zweiten Weltkriegs könnten missbraucht werden
Für Anfang Mai rechnet Berlin mit weiteren pro-russischen Kundgebungen. Bundesweit gibt es bereits Aufrufe zu einem neuen Autokorso in der Hauptstadt rund um die Gedenktage zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8./9. Mai.
Linken-Landeschefin Katina Schubert macht das Sorgen. "Wir haben uns verabredet in der Koalition, um uns das genau anzusehen", sagt sie. Schubert sieht sich als Verfechterin der Versammlungsfreiheit, aber angesichts der drohenden Bilder müssten alle machbaren Auflagen und Verbote geprüft werden. "Aber da muss man dann auch vor Gericht mit durchkommen", so Schubert.
Auch SPD-Innenpolitiker Schreiber blickt unruhig auf den 8./9. Mai. Er erwarte, dass "ganz klar das Konzept gefahren wird, stringent und zügig einzugreifen, sollte gegen Auflagen verstoßen werden". Das sieht auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey so. Sie hat angekündigt, jegliche Unterstützung für den Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Möglichkeit unterbinden zu wollen. Russische Fahnen in Berlin zu zeigen, bleibe aber weiterhin erlaubt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 10.04.2022, 19.30 Uhr
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