Zivilisten willkürlich hingerichtet - Augenzeugen berichten von Kriegsverbrechen auch im Nordosten Kiews

Di 05.04.22 | 10:24 Uhr
Eine durchschossene Frontscheibe eines Autos (Quelle: imago/Maxym Marusenko)
Audio: Inforadio | 05.04.2022 | Torsten Mandalka | Bild: imago/Maxym Marusenko

Die Bilder aus Butscha von mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen haben die Welt erschüttert. Nach Informationen von rbb24 Recherche sollen auch in Bohdaniwka und Schewtschenkowe Zivilisten willkürlich hingerichtet worden sein.

Neben Butscha soll es in der Ukraine auch in nordöstlichen Vororten von Kiew Kriegsverbrechen gegeben haben. Das geht aus Augenzeugenberichten hervor, die rbb24 Recherche vorliegen. Danach sollen auch in den Ortschaften Bohdaniwka und Schewtschenkowe Zivilisten willkürlich hingerichtet worden sein.

Eine 46-jährige Frau berichtete rbb24 Recherche, sie sei in ihrer Datsche in Bohdaniwka mit ihrem Mann und ihrer 10-jährigen Tochter am 9. März in die Gewalt russischer Soldaten geraten. Die Soldaten hätten ihren Mann willkürlich erschossen, nachdem er ihrem Verlangen nach Zigaretten nicht nachkommen konnte. Der Frau und der Tochter gelang später die Flucht.

Willkürliche Hinrichtungen auch in Irpin?

In Schewtschenkowe soll ein Mann von russischen Soldaten erschossen worden sein, nachdem sie eine Camouflage-Jacke in seinem Auto entdeckt hätten. Über diesen Fall berichtete auch die britische Zeitung "Times" ausführlich. Demnach soll die Frau des Mordopfers nach der Tat mehrfach vergewaltigt worden sein. Auch ihr gelang später die Flucht. In diesem Fall ermittelt bereits die ukrainische Generalstaatsanwältin.

rbb24 Recherche liegen darüber hinaus Aussagen über willkürliche Hinrichtungen in Irpin westlich von Kiew vor. Alle diese Aussagen müssen noch von unabhängiger Seite überprüft werden.

Experten ordnen Taten als Kriegsverbrechen ein

Experten wie der Göttinger Völkerrechtler Kai Ambos, der auch Richter am Kosovo-Tribunal in Den Haag ist, ordnen solche Taten klar als Kriegsverbrechen ein: "In Fällen, wo Zivilisten Opfer von Gewalt sind, sei es direkte Tötung, grausame Behandlung oder sexuelle Gewalt, haben wir ganz klar eine Verletzung des ehernen Grundsatzes des Schutzes der Zivilbevölkerung", so Ambos. Auch der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel teilt diese Einschätzung: "Nach allem, was wir wissen, sind Zivilisten und zivile Einrichtungen ein Ziel und es gibt eine radikale Tendenz." Noch sei aber nicht klar, welche Dimension diese Fälle von Kriegsverbrechen haben.

Die mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Ukraine werden inzwischen international untersucht. Nicht nur die Vereinten Nationen gehen den Berichten nach, auch Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch sammeln Indizien und Beweise. In Deutschland befassen sich Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und die Bundesanwaltschaft mit den Vorwürfen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.04.2022, 9 Uhr

 

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