Zahl der Geflüchteten nimmt zu - Kapazitäten am Ankunftszentrum Reinickendorf reichen nicht mehr aus
Immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine kommen in Berlin an. Nun reichen die Kapazitäten am Ankunftszentrum Reinickendorf nicht mehr aus. Eine Lösung ist aber in Sicht. Zudem ist auch ein zweites Ankunftszentrum in Planung.
In Berlin kommen mittlerweile so viele Geflüchtete aus der Ukraine an, dass die Kapazitäten am Ankunftszentrum Reinickendorf nicht mehr ausreichen. Das hat das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) der ARD am Donnerstag bestätigt.
Laut Sascha Langenbach, Pressesprecher des LAF, soll nun zusätzlich das Containerdorf neben dem Ankunftszentrum für die ukrainischen Geflüchteten bereitgestellt werden. Dort sei Platz für weitere 300 Menschen. Bisher leben dort noch unter anderem Ortskräfte aus Afghanistan. Die würden aber spätestens am Freitag umziehen.
1.700 Menschen am Mittwoch registriert
Am Mittwoch seien mindestens 1.700 Menschen registriert worden, sagte Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) am Donnerstag im Integrationsausschuss. Normalerweise würden so viele Geflüchtete innerhalb von ein bis zwei Monaten in Berlin gezählt – nun kämen so viele an einem Tag. Berlin stehe damit vor einer historischen Herausforderung, sagte Kipping.
"Die Dimension ist unfassbar, es ist die wahrscheinlich größte Flüchtlingsbewegung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg mit ganz eigener schneller Dynamik und kaum Vorlaufzeiten", erklärte Kipping – und das sei bloß die Spitze des Eisbergs.
1.000 der 1.700 Geflüchteten in anderen Bundesländern untergebracht
Berlin sei bilateral mit anderen Bundesländern im Austausch, so Kipping, um die Verteilung der Schutzsuchenden zu koordinieren. Besonders eng sei die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg. Etwa 1.000 der am Mittwoch registrierten 1.700 Geflüchteten seien in anderen Bundesländern untergebracht worden, etwa in Brandenburg an der Havel und in Potsdam. Die Ankommenden werden dort registriert, ärztlich versorgt und erhalten eine Unterkunft. Kipping appellierte jedoch an den Bund, die Koordinierung zwischen den Bundesländern zu zentralisieren.
Allein am Mittwoch kamen fünf Direktzüge aus Warschau in Berlin an, mit insgesamt circa 3.000-4.000 Personen. Weil es nach wie vor keine Entscheidung des Bundes zum Aufenthaltsstatus der Geflüchteten gibt, erfolgt auch keine offizielle Registrierung aller Ankommenden.
Zwar komme die Mehrheit der Schutzsuchenden weiterhin bei Freunden und Verwandten unter. Dennoch sei es laut Kipping nun notwendig, so viele Objekte wie möglich zu akquirieren. Die Senatsverwaltung für Soziales habe mittlerweile zehn neue Unterkünfte erschlossen – es handele sich jedoch um einen laufenden Prozess. Die genauen Standorte wollte sie gegenüber dem rbb noch nicht bestätigen. Auch Liegenschaften des Landes müssten nun aktiviert und eine Bettenbörse und private Unterkünfte genutzt werden.
Giffey erwartet mehr als 20.000 Geflüchtete
Angesichts stark steigender Flüchtlingszahlen aus der Ukraine hält Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eine bundesweite Koordination bei der Aufnahme der Menschen für nötig. "Berlin ist natürlich der große Dreh- und Angelpunkt und auch Zielort für viele Menschen, die hierher kommen", sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch. Es sei aber Unterstützung anderer Bundesländer nötig.
Giffey hält es mittlerweile für möglich, dass mehr als 20.000 Geflüchtete in Berlin eine Unterkunft brauchen. "Das ist eine sehr volatile Zahl", sagte sie. "Wir wissen nicht, wie sich das weiterentwickeln wird. So wie wir die Lage im Moment einschätzen, wenn wir die Bilder aus der Ukraine sehen, dann wird es eher hochgehen, als dass es weniger wird."
Senat stellt Hilfsanfrage an Brandenburg
Der Senat hat mittlerweile auch eine Hilfsanfrage an Brandenburg zur Aufnahmen von Flüchtlingen aus der Ukraine gestellt. Das hat Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) dem rbb am Mittwochabend bestätigt. Brandenburg will nun Berlin kurzfristig bis zu 420 Plätze zur Verfügung stellen.
Auch in Brandenburg selbst steigt derweil die Zahl der Flüchtlinge aus dem ukrainischen Kriegsgebiet. "Wir haben mittlerweile über 3.000 Kriegsflüchtlinge in Brandenburg", bilanzierte Stübgen. Die meisten Flüchtlinge, davon gehen die Behörden derzeit aus, werden zunächst versuchen, bei Verwandten oder Bekannten in der Bundesrepublik Zuflucht zu finden.
Zweites Ankunftszentrum in Planung
Der Berliner Senat hatte am Dienstag angekündigt, zunächst Unterbringungen für 20.000 Flüchtlinge zu schaffen. Berlin müsse dafür "großflächige Strukturen" schaffen, sagte Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke). Wo die geplante große Unterkunft entstehen soll, wollte sie noch nicht verraten. Ein zweites Ankunftszentrum neben dem in Reinickendorf sei nötig und werde geplant.
Spekulationen, dass ein zweites Ankunftszentrum in Tegel entstehe, wollte Kipping nicht bestätigen. "Natürlich weiß jeder, der sich in Berlin auskennt, es gibt einige große Orte: Messe, ICC, Tegel, Tempelhof. Die werden alle geprüft, und ein paar Sachen verdichten sich", sagte Kipping.
Neue Unterbringungen seien bereits in Neukölln, Pankow, Spandau, Friedrichshain und Reinickendorf entstanden. Bislang habe jeder ankommende Flüchtling ein Bett bekommen. Ein eigens eingerichteter Krisenstab organisiert die Verteilung. Angesichts der enormen Zahl an Flüchtlingen an der polnisch-ukrainischen Grenze gebe es keine Zeit zu verlieren.
Sendung: Abendschau, 03.03.2022, 19:30 Uhr