Versorgungssicherheit - Ampel-Koalition will Stilllegung von Kohlekraftwerken aussetzen

Do 24.03.22 | 15:27 Uhr
Wasserdampf steigt am frühen Morgen aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG)
Audio: Antenne Brandenburg | 24.03.2022 | Holger Keßler | Bild: dpa/Patrick Pleul

Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine wird in Deutschland die Frage der sicheren Stromversorgung diskutiert. Nun nimmt die Ampel-Koalition die Kohlekraftwerke des Landes ins Visier und will deren Stilllegung "aussetzen". Das Ausstiegsziel 2030 bleibt.

Die Ampel-Koalition will die Stilllegung der Kohlekraftwerke aussetzen, um den Gasverbrauch in der Stromerzeugung kurzfristig zu verringern. Die Kraftwerke sollten länger in Sicherheitsbereitschaft gehalten werden, teilten SPD, Grüne und FDP am Donnerstag nach einer nächtlichen Sitzung des Koalitionsausschusses mit.

"In diesem Rahmen kann die Stilllegung von Kohlekraftwerken nach Überprüfung durch die Bundesnetzagentur bis auf Weiteres ausgesetzt werden", heißt es in dem Ergebnispapier. "Dabei halten wir am Ziel Kohleausstieg idealerweise bis 2030 fest."

In der Sitzung war ein Paket von Maßnahmen beschlossen worden, dass zur Abfederung der explodierenden Energiekosten dienen soll. Dabei geht es vor allem darum, die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen aus Russland schnell zu beenden.

Steinbach: Stilllegung von Jänschwalde-Blöcken verschieben

Am Donnerstagvormittag hatte sich bereits Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) dafür ausgesprochen, die endgültige Stilllegung von zwei Blöcken des Kohlekraftwerks Jänschwalde (Spree-Neiße) in der Lausitz zu verschieben. Er habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Brief geschrieben und die Bundesregierung aufgefordert, umgehend mit den Kraftwerksbetreibern zu verhandeln, sagte er bei einer Energiedebatte im Landtag.

Damit könne bei einem möglichen Ausfall oder einer Unterbrechung der Erdgas-Lieferungen aus Russland schnell ein Ersatz für abzuschaltende Erdgaskraftwerke bereitgestellt werden, schrieb Steinbach in dem Brief vom Montag, der dem rbb vorliegt. "Im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise ist bei einem Ausfall insbesondere von Erdgas-Importen aus Russland von weiteren Engpässen und Preissteigerungen auf dem deutschen und europäischen Strom- und Energiemarkt auszugehen", warnte der Minister. Die Strompreise hätten in den vergangenen Jahren zwischen 30 bis 60 Euro pro Megawattstunde gelegen, zwischenzeitlich gebe es Preissprünge auf bis über 500 Euro pro Megawattstunde.

Bisher war vorgesehen, die zwei Blöcke in Jänschwalde nur noch bis Oktober 2022 beziehungsweise Oktober 2023 in Bereitschaft zu halten. Im Falle des Falles können sie innerhalb weniger Tage wieder Strom liefern. 2028 soll das Kraftwerk Jänschwalde dann endgültig abgeschaltet werden.

Studie zum Kohleausstieg in Arbeit

Das Kohleausstiegs-Datum war auch Thema eines Treffens von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit den Ministerpräsidenten der Braunkohleländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen am Mittwoch. Im Anschluss hat Habeck an einem vorgezogenen Kohle-Ende bis 2030 festgehalten. Er kündigte an, dass dazu eine wissenschaftlich-technische Studie erarbeitet werde. Geprüft würden jetzt der Ausbau der Erneuerbaren Energie sowie Reservekapazitäten, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Die Bundesregierung unter Angela Merkel hatte den Kohleausstieg bis 2038 beschlossen. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Ampel-Regierung war dann die Rede von einem Ausstieg "idealerweise" 2030.

Woidke fordert Einbeziehung der Bürger

Wirtschaftsminister Habeck räumten nach dem Treffen mit den Ministerpräsidenten ein, dass ein vorgezogener Ausstieg möglicherweise für die betroffenen Regionen "eine weitere Zumutung" bedeute. Gebe es die Möglichkeit, diesen vorzuziehen, müssten auch Maßnahmen zur Stärkung der Region vorgezogen werden, sagte Habeck. Neue Arbeitsplätze müssten entstehen, bevor die alten wegfielen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte nach dem Treffen, dass es ohne Versorgungssicherheit und Preisstabilität keinen vorgezogenen Kohleausstieg geben dürfe. Er forderte außerdem eine stärkere Einbeziehung der Bewohner der Kohleregionen in veränderte Zeitpläne. "Und ich erwarte auch, dass die Bundesregierung von Anfang an klar macht, dass in diesem Prozess eines eventuell weitereren Vorziehens des Kohleausstiegs keine zusätzlichen Lasten auf die Länder zukommen." Bei dieser Halbierung des Zeitraumes müsse es auch weitere Mittel geben, um die Region zu stärken, so Woidke weiter. In der Lausitz hängen an der Kohle rund 15.000 direkte und indirekte Jobs.

Sendung: Antenne Brandenburg, 24.03.2022, 17:30 Uhr

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