Kaum Personal vom Land Berlin - Am Hauptbahnhof und ZOB kümmern sich vor allem Freiwillige um die Geflüchteten
Am Hauptbahnhof spielen sich teils chaotische Szenen ab, wenn Geflüchtete aus der Ukraine mit dem Zug ankommen. Ähnlich sieht es am ZOB aus. Die Hilfsbereitschaft ist groß - sie wird aktuell aber hauptsächlich von Freiwilligen geleistet.
Erneut sind am Donnerstag Hunderte Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine am Berliner Hauptbahnhof angekommen. Bei der Ankunft von Zügen gab es zum Teil großes Gedränge auf dem Bahnsteig. Hinweisschilder leiteten die ankommenden Menschen in das erste Untergeschoss des Bahnhofes, wo Dutzende Helfer in gelben Westen warteten. Die Bahn und das DRK hatten Informationsstände aufgebaut. Viele Ukrainer wurden zum Ankunftszentrum in Reinickendorf gefahren, wo sie auf Unterkünfte verteilt wurden. Russisch und ukrainisch sprechende Menschen standen als Dolmetscher bereit.
Im Bahnhof stapelten sich in Kisten und auf Tischen gespendete Lebensmittel. Helfer verteilten das Essen. An anderen Stellen lagen oder hingen zahlreiche Kleidungsstücke für Erwachsene und Kinder, sortiert nach Geschlechtern und Art der Kleidung. "Es ist chaotisch, aber wir sind jeden Tag organisierter", sagte Alina Drokina, eine freiwillige Helferin im Ankunftsbereich.
Land räumt Probleme ein
Die Hilfe für Menschen aus der Ukraine, die dieser Tage in Berlin ankommen, wird derzeit überwiegend von Freiwilligen geleistet. Am Hauptbahnhof sind auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Deutsche Bahn im Einsatz. Entsprechende Aussagen von freiwilligen Helfern bestätigten am Mittwoch auch die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) und die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).
"Die Arbeit am Hauptbahnhof wird seit Tagen von Ehrenamtlichen selbst organisiert", sagte Kipping. "Dafür sind wir unendlich dankbar." Die Stadt habe aber am Mittwoch "angeleiert", dass das DRK und die Stadtmission helfen. Alles weitere müsse der Bund organisieren, hieß es aus dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF).
Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey erklärte: "Es gibt einen sehr starken Fokus auf Berlin. Wir werden da, soweit es geht, auch von unserer Seite versuchen zu handeln." Dafür sei aber auch die Hilfe anderer Bundesländer nötig. "Da werden wir jetzt auch in die organisatorischen Schritte gehen", betonte Giffey.
Christoph sieht Gemeinschaftsaufgabe
Die Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Wenke Christoph (Linke), sprach am Mittwochabend gegenüber dem rbb von einer "dynamischen Situation". So hätten sich die Ankunftszahlen etwa am Berliner Hauptbahnhof oder dem Zentralen Omnibus-Bahnhof sich von Dienstag auf Mittwoch auf insgesamt 1.400 Menschen vervierfacht. Eine solche Herausforderung habe es Berlin so noch nicht gegeben.
Christoph widersprach, dass am Hauptbahnhof gar keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes Berlins im Einsatz seien. "Die Verwaltung ist vor Ort", sagte sie. Vor allem seien die Mitarbeiter des Landes aber damit befasst, Unterkünfte zu finden. "Deshalb sind wir auch auf die Hilfe der Menschen in Berlin angewiesen. Ich glaube, das ist eine Aufgabe, die wir nur gemeinsam bewältigen können." Sie kündigte aber an, die Kapazitäten zur Betreuung der ankommenden Flüchtlinge aufzustocken.
Keine Toilette am ZOB
Berlin hat zwar einen Krisenstab eingesetzt und neue Unterkünfte für die Geflüchteten geschaffen, die Erstbetreuung bei der Ankunft übernehmen aber größtenteils Freiwillige. Die forderten bereits, dass sie die Verantwortung abgeben wollen.
Auch am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) verliefen die Ankünfte der Geflüchteten zuletzt teils chaotisch. Es habe nicht mal die Möglichkeit gegeben, eine Toilette zu nutzen, berichtete eine Freiwillige. Auch dort seien wenige oder keine Verantwortlichen der Stadt Berlin gewesen, es seien auch keine offiziellen Stellen eingerichtet worden. Viele Fragen der Geflüchteten - darunter viele Mütter mit ihren Kindern - hätten deshalb auch nicht beantwortet werden können.
Berlin erwartet deutlich mehr Geflüchtete
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind mehr als eine Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Diese Zahl hat der UN-Hochkomissar für Geflüchtete, Filippo Grandi, auf Twitter genannt. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR befürchtet laut einer Sprecherin die größte Flüchtlingskrise dieses Jahrhunderts.
Die EU hatte bereits am Mittwoch vor einer humanitären Krise "von historischem Ausmaß" gewarnt. Auch Berlin erwartet mittlerweile deutlich mehr Geflüchtete aus der Ukraine als ursprünglich geschätzt. Die bislang kommunizierte Zahl von bis zu 20.000 Flüchtlingen, die erwartet würden, beruhe auf Schätzungen, die ein bis zwei Wochen alt seien, sagte Linke-Politikerin Christoph. Sie gehe deshalb davon aus, dass es mehr würden.
Sendung: Abendschau, 03.03.2022, 19:30 Uhr