Polizei setzt Flaggenverbote durch - Gedenken an Weltkriegsende in Berlin und Brandenburg verläuft friedlich
An verschiedenen Orten in Berlin und Brandenburg ist am Sonntag an die Millionen Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnert worden. In Berlin standen vor allem 15 Gedenkorte mit Flaggenverboten im Fokus. In Brandenburg besuchte der ukrainische Botschafter Melnyk den Landtag.
Zum 77. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs gibt es am Sonntag zahlreiche Gedenkveranstaltungen und Kundgebungen in Berlin und Brandenburg.
Unter starker Polizeipräsenz begannen am Morgen die Veranstaltungen in Berlin. Zum Sowjetischen Ehrenmal in Mitte kamen einem Polizeisprecher zufolge bereits am Vormittag zahlreiche Menschen. Es wurden Blumen und Kränze niedergelegt, unter anderem vom ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk. Gegenüber des Mahnmals versammelten sich pro-russische und pro-ukrainische Protestierende, es blieb aber friedlich. Es wurden Rufe gegen den ukrainischen Botschafter Melnyk laut, andere riefen "Stop the war".
An dem Ehrenmal rollten zudem Jugendliche eine riesige ukrainische Bodenfahne aus, die Polizei setzte jedoch durch, dass sie wieder entfernt wurde. Ein Mann verteilte zudem ukrainische Papier-Flaggen, die die Polizei ebenfalls rasch wieder einsammelte. Der Mann wurde demnach von den Beamten von der Veranstaltung weggeführt.
Die Berliner Polizei hatte für den 8. und 9. Mai besondere Auflagen für 15 Gedenkstätten und Mahnmale erlassen. Dazu gehört etwa, dass auf dem jeweiligen Gelände oder in der Nähe weder russische noch ukrainische Fahnen gezeigt werden dürfen. Ebenso sind Uniformen oder Uniformteile - auch in abgewandelten Formen - sowie Marsch- oder Militärlieder verboten. Untersagt ist außerdem das Z-Symbol. Der Buchstabe wird von Befürwortern des Krieges genutzt und steht für "za pobedu" ("Für den Sieg").
Auch am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park legten im Laufe des Vormittags mehrere hundert Menschen Blumen ab und gedachten an den Denkmälern der Gefallenen.
Am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow wurden Mitglieder der Griechischen Kommunistischen Partei (KKE) und der Türkischen Kommunistischen Partei (TKP) von der Polizei des Platzes verwiesen. Sie hatten bei einer Kranzniederlegung Flaggen der beiden Parteien mit Hammer und Sichel sowie Flaggen der Sowjetunion gezeigt.
Gedenken und Demonstrationen
Vor dem Brandenburger Tor waren am Sonntagnachmittag Mitglieder des Berliner Ablegers der Neonazi-Partei "Der dritte Weg" unterwegs. Laut Angaben der Polizei handelte es sich dabei um eine unangemeldete Demo, die anfänglich aus zwei Menschen mit einem Transparent bestand. Laut "Tagesspiegel" sind etwa 50 Menschen dem Aufruf der Neonazi-Partei gefolgt und vom Brandenburger Tor zum Potsdamer Platz gezogen.
Die Neonazi-Partei gilt als Unterstützer des rechten Asow-Regiments, das unter anderem für die ukrainische Armee in Mariupol kämpft. Einige Mitglieder von "Der dritte Weg" hatten angekündigt, in der Ukraine kämpfen zu wollen. Den Berliner Innenbehörden liegen aktuell keine Erkenntnisse darüber vor, ob Neonazis des "Der dritte Weg" aus Berlin dort tatsächlich kämpfen.
Die Regierende Bürgermeisterin legte am Sonntagmittag am Ehrenmal in der Schönholzer Heide in Pankow einen Kranz nieder. Anwesend waren auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sowie die beiden Senatoren Klaus Lederer (Linke) und Daniel Wesener (Grüne). Die Veranstaltung lief nach Beobachtung eines rbb-Reporters friedlich und störungsfrei.
Giffey hatte zuvor in ihrer Mitteilung zum 8. Mai erneut um Verständnis für Maßnahme wie das Flaggenverbot an bestimmten Gedenkorten geworben. Ukrainische Verbände sowie Botschafter Melnyk hatten diese Auflagen für die Orte am Sonntag und Montag scharf kritisiert und ihre Rücknahme gefordert. Melnyk hatte auf Twitter die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) aufgefordert, diese "skandalöse Entscheidung" zu widerrufen und von einer "Ohrfeige an die Ukraine & ein Schlag ins Gesicht des ukrainischen Volkes" geschrieben. Giffey betonte, die Auflagen würden nur für 15 ausgewählte Gedenkorte gelten.
Am Sonntag sagte Giffey, es bedrücke sie, "dass keine zwei Flugstunden von Berlin entfernt ein Krieg in Europa Menschen wieder furchtbares Leid bringt". Sie wünsche sich, dass trotz der Situation in der Ukraine ein angemessenes und würdiges Gedenken an die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus in Berlin möglich ist. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine hatte der Senat entschieden, den Tag der Befreiung nur im Rahmen eines "stillen Gedenkens" zu begehen.
Anlässlich des 77. Jahrestages des Kriegsendes gedachte Giffey der Millionen Opfer des Zweiten Weltkriegs. Über 60 Millionen Menschen hätten sterben müssen, bevor der von Nazi Deutschland entfesselte Weltkrieg am 8. Mai 1945 zum Ende kam, sagte Giffey laut Mitteilung am Sonntag. Sie dankte den Alliierten, die Deutschland und Europa vor 77 Jahren aus der Gewaltherrschaft befreit hätten. Man habe aus der Katastrophe des Zweitens Weltkrieges die Lehre gezogen und wisse um die große Bedeutung eines vereinten Europas in Frieden und Demokratie, so Giffey.
Höhepunkt der Gedenkveranstaltungen in Brandenburg war eine Sondersitzung des Landtags am Nachmittag in Potsdam. Auf Einladung von Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) kam auch auch der ukrainische Botschafter Melnyk. Liedtke hatte kürzlich Melnyk in einem Zeitungsinterview für dessen Aussage kritisiert: Weil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch nicht in die Ukraine gereist ist und das damit begründet hatte, das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dort bislang nicht willkommen gewesen sei, hatte Melnyk den Kanzler als "beleidigte Leberwurst" bezeichnet.
An der Gedenkveranstaltung im Landtag sollten auch Brandenburgs Ministerpräsident Woidke und die Historikerin Kerstin Susanne Jobst von der Universität Wien sprechen.
Bereits am Sonntagvormittag wurden auf dem Schlossplatz in Oranienburg (Oberhavel) vor der Figur "Die Anklagende" Kränze niedergelegt. Im Friedenspark in Angermünde (Uckermark) gab es eine “stille Blumenniederlegung“, am sowjetischen Ehrenmal auf dem Anger in der Lindenstraße Frankfurt (Oder) wurde der vielen Millionen Opfer des Zweiten Weltkriegs gedacht.
Weitere Veranstaltungen und Demos am Montag
Die Berliner Polizei erwartet angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine eine "sehr sensible Gefährdungslage". Am Sonntag sollen nach Angaben eines Sprechers rund 1.600 Polizistinnen und Polizisten im Stadtgebiet unterwegs sein, am Montag 1.800 - auch aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei. Der Berliner Senat nannte die Zahl von insgesamt mehr als 50 Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen an beiden Tagen.
Die russische Botschaft hat für Sonntag und Montag (9. Mai) zahlreiche Veranstaltungen und Kranzniederlegungen angekündigt. Konkrete Zeiten nannte sie nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen nicht.
Am Montag wollen sich etwa 150 Mitglieder der russisch-nationalistischen Rockergruppe "Nachtwölfe" in Berlin am "Rotarmisten-Gedächtnis-Aufzug" beteiligen, der um 11 Uhr vor Brandenburger Tor starten und zum Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten führen soll. Auch deshalb sind am Montag noch mehr Polizeikräfte in Berlin unterwegs als am Sonntag. Von der Brandenburger Polizei hieß es am Sonntag, man beobachte das Eintreffen der Putin-nahen Rocker aus Frankfurt am Main genau.
Sendung: rbb24 Inforadio, 8. Mai 2022, 10 Uhr