Platz für 10.000 Geflüchtete - Ankunftszentrum Tegel hat Betrieb aufgenommen
Nach wie vor kommen täglich Tausende Geflüchtete aus der Ukraine in Berlin an. Das neue Ankunftszentrum auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel soll die angespannte Lage verbessern. Am Sonntag hat es seinen Betrieb aufgenommen.
Das Land Berlin will Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine künftig schneller registrieren, in der Stadt unterbringen und weiter in andere Bundesländer verteilen. Dazu nahm ein Ankunftszentrum auf dem Gelände des stillgelegten Flughafens Tegel am Sonntagvormittag den Betrieb auf. Eine solche Registrierstelle sei in dieser Form und Größenordnung ziemlich einzigartig, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) auf dem früheren Flughafen-Gelände. "In Krisenzeiten läuft Berlin zur Höchstform auf", sagte Giffey.
In dem Zentrum sollen künftig möglichst alle Menschen registriert werden, die vor dem Krieg in der Ukraine Richtung Berlin geflohen sind.
Kapazität nur bis zur Verteilung
Gudrun Sturm vom Vorstand des Berliner Roten Kreuzes sagte bei der Eröffnung, hier würden die Menschen bei ihren ersten Schritten in Deutschland betreut. Der Präsident des Landesamts für Flüchtlinge (LAF), Alexander Straßmeier, erklärte, ein langes Verweilen in dem Zentrum sei nicht beabsichtigt. Die Geflüchteten sollten möglichst noch am Tag ihrer Ankunft, spätestens am nächsten Tag, in die Aufnahmeinrichtungen der anderen Bundesländer verteilt werden. Nur dann sei die Kapazität des Zentrums zu schaffen.
Geflüchtete, die in Berlin bleiben sollen, werden vorübergehend im Flughafengebäude in den früheren Flughafenterminals A und B untergebracht. Dort wurden für sie Unterkünfte eingerichtet.
26 Millionen Euro für Flüchtlings-Betreuung
Das Land Berlin hat bislang nach ersten vorläufigen Zahlen rund 26 Millionen Euro für die Aufnahme, Betreuung und Verteilung von Flüchtlingen aus der Ukraine ausgegeben. "Das ist noch nicht alles", sagte Giffey zu den Ausgaben. Sozialleistungen für die geflüchteten Menschen seien in den 26 Millionen Euro noch nicht eingerechnet.
Giffey forderte erneut, dass der Bund einen Teil der Kosten tragen müsse. Bis zum 7. April - der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz - müsse es eine Vereinbarung über die Finanzierung geben.
Integrationssenatorin Katja Kipping (Die Linke) bedankte sich bei allen, die das Ankunftszentrum in kürzester Zeit möglich gemacht hätten. Mit der Eröffnung beginne eine neue Phase der Begrüßung der Menschen aus der Ukraine. Hauptziel sei es gewesen, die Situation am Hauptbahnhof zu entzerren und in geordnete Bahnen zu lenken, so Kipping.
Verteilung nach Königsteiner Schlüssel
Auf dem Flughafengelände wurden innerhalb weniger Tage Zelte aufgebaut und die Abläufe zwei Tage lang getestet. Insgesamt sollen täglich bis zu 10.000 Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine in Tegel versorgt, registriert und in andere Bundesländer weitergeleitet werden. Der Bund wendet dafür die Schematik des sogenannten Königsteiner Schlüssels an, wonach jedes Bundesland einen bestimmten Anteil der Geflüchteten aufnimmt.
LAF-Präsident Straßmeir, kündigte an, man werde im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten. Dabei würden anfangs noch 80 Bundeswehrsoldaten auhelfen. Am Montag würden dann rund 100 Freiwillige aus anderen Landesbehörden eingearbeitet. Außerdem sei geplant, 50 neue Mitarbeiter einzustellen.
Senat: Rund 400 Helfer werden benötigt
Für das Ankunftszentrum werden laut Senat rund 400 Helfer benötigt. Giffey hatte per Rundschreiben Mitarbeitende aus allen Berliner Verwaltungen gebeten, sich als Freiwillige zu melden. Dringend benötigt werden nach Angaben von Giffey vom Sonntag noch ehrenamtliche Dolmetscher.
Das LAF setzt auf das neue Verteilzentrum: "Dann werden wir sehr viel mehr Menschen registrieren und verteilen können, die im Moment noch in den temporären und regulären Unterkünften des LAF untergebracht sind, weil sie sonst kein Dach über dem Kopf hätten", so Sprecherin Monika Hebbinghaus.
Mit den neuen Strukturen in Tegel sollen Flüchtlinge, die weiterreisen, gar nicht erst das Flughafengebäude betreten. Auf dem Rollfeld sind drei große Zelte errichtet worden. "Die Menschen werden dort betreut, können auch - falls nötig - schlafen, bevor es weitergeht", erklärt die Sprecherin des Ankunftszentrums, Regina Kneiding.
Koordinator Broemme rechnet mit bis zu 20.000 Menschen am Tag
Der Koordinator für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Berlin, Albrecht Broemme,
sagte am Montag im Inforadio vom rbb, dass derzeit weniger Menschen aus der Ukraine ankämen. Wegen der Kampfhandlungen seien die Fluchtwege dort schwer passierbar. Es gebe einen "Rückstau". Sobald sich der löse, müsse Berlin wieder mit wesentlich mehr ankommenden Menschen rechnen, so Broemme. "Wir hatten ja schon bis zu 10.000 Flüchtlinge am Tag. Das ist eine hohe Zahl für Berlin. Damit werden wir fertig werden. Wir müssen aber auch damit rechnen, mit 20.000 Flüchtlingen am Tag fertig zu werden." Zudem bereite er gerade weitere Unterkünfte vor, so Broemme.
Zu der Arbeit am neuen Ankunftszentrum in Tegel äußerte sich der frühere Präsident des Technischen Hilfswerkes zufrieden. Er sei "schwer begeistert", was in so kurzer Zeit entstanden sei. Es müsse aber noch bei der Weiterleitung der Menschen mit Bussen nachjustiert werden, so Broemme. "Es klingt theoretisch sehr einfach, dass man einen Bus hat, der zu einem bestimmten Fahrziel fährt. Nur müssen die Fahrziele erst kurzfristig festgelegt werden können. Es ist das sogenannte EASY-Verfahren über den Bund und die Länder. Damit die Flüchtlinge sich gleichmäßig auf die Städte verteilen und nicht dem Zufallsprinzip unterliegen. Das ist aber in der Praxis erheblich schwieriger."
Broemme zeigte sich zuversichtlich, dass die Koordinierung in den nächsten Tagen besser laufe und mahnte: "Wenn der Abfluss der Flüchtlinge in andere deutsche Städte oder ins europäische Ausland von Tegel aus nicht funktioniert, dann ist [das Ankunftszentrum] Tegel in ein bis zwei Tagen voll."
Sendung: Abendschau, 20.03.22, 19:30 Uhr