Krieg gegen die Ukraine - Berliner Senat beruft wegen steigender Flüchtlingszahlen Sondersitzung ein

Mi 09.03.22 | 11:18 Uhr
Unmittelbar nach Ankunft werden am 08.03.2022 ukrainische Flüchtlinge von freiwilligen Helfern in Signalwesten im Lehrter Bahnhof in Empfang genommen. (Quelle: dpa/Matthias Tödt)
Audio: Radioeins | 08.03.2022 | Katja Kipping im Interview | Bild: dpa/Matthias Tödt

In Berlin kommen derzeit mehr als 10.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine pro Tag an. Die Sorge vor einer Überlastung der Kapazitäten wächst. Der Senat will noch am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

Der Berliner Senat berät am Mittwochabend in einer Sondersitzung über die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Das teilte die Senatskanzlei mit. Zentrales Thema soll dabei sein, wie die Stadt die Ankunft Tausender Kriegsflüchtlinge bewältigen kann.

An den Beratungen im Roten Rathaus sollen auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik, Landesbranddirektor Karsten Homrighausen und der Präsident des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten, Alexander Straßmeir, teilnehmen. Ebenfalls dabei ist der frühere THW-Chef Albrecht Broemme, der 2020 den Aufbau des Corona-Notkrankenhauses auf dem Messegelände geleitet und danach den Aufbau der Impfzentren koordiniert hat.

Stadtmission: Helfer überlastet

Angesichts weiter steigender Flüchtlingszahlen aus der Ukraine sorgt sich die Berliner Stadtmission um eine Überlastung der Helfer am Hauptbahnhof. Die Hilfsorganisation fordert eine umfassende Behördenunterstützung vom Senat.

Die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer im Hauptbahnhof sorgten derzeit für "Versorgung, Wärme und Struktur in dem Chaos", sagte Sprecherin Tabea Büttner am Dienstag dem rbb. Das seien Aufgaben, die die Behörden übernehmen müssten, erklärte sie in der Abendschau. Diese Unterstützung brauche es schon deshalb, weil den Helfern allmählich die Kraft ausgehe. Jeder sei an seinem Limit, sagte Büttner.

Kipping fordert Unterstützung vom Bund

Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) setzte bei ihrer jüngsten Forderung ebenfalls auf Hilfe vom Bund an. Sie erwarte von der Bundesregierung mehr Bemühungen beim Umgang mit der Flüchtlingssituation.

An Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gerichtet sagte Kipping am Dienstag dem rbb-Sender Radioeins, es sei seine Aufgabe, die Verkehrsströme der ankommenden Menschen aus der Ukraine zu organisieren. "Was wir dringend brauchen ist, dass die Verkehrsströme nicht alle nach Berlin gelenkt werden. Und das wäre die Aufgabe des Bundesverkehrsministers." Allein Berlin erreichten derzeit täglich mehr als 10.000 Geflüchtete aus der Ukraine.

Viele Busse kommen nachts mit Verspätung an

Die Sozialsenatorin forderte zudem eine konkrete Unterstützung am Busbahnhof in Westend. Zwar habe hier der Bund angefangen, Busse und Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, aber "wir haben teilweise die Situation, dass die Busse alle Berlin anfahren. Das ist das Tor zu Europa für die Kriegsflüchtlinge. Und dann müssen sie nach einer langen strapaziösen Flucht noch umsteigen in einen Bus, der womöglich in eine Richtung fährt, wo sie hätten gleich hinfahren können", so Kipping weiter.

"Welcome Hall Berlin" am Hauptbahnhof

Für die nächsten Tage erwartet der Senat weiter steigende Zahlen. Wichtig seien darum größere "Ankunftsstrukturen", hatte die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Beisein von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag betont.

Am Berliner Hauptbahnhof und am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) kommen die Kriegsflüchtlinge in der Regel an. Seit Sonntag werden unter Federführung des Bundesinnenministeriums Busse eingesetzt, die die Ukrainerinnen und Ukrainer auch in andere Bundesländer bringen.

Um die bislang provisorische Situation im Hauptbahnhof zu verbessern, ist auf dem
Bahnhofsvorplatz zum Spreebogen inzwischen ein beheiztes Zelt als "Welcome Hall Berlin" errichtet worden, das 1.000 Menschen als erste Notunterkunft dienen soll. "Wir haben hier die Möglichkeit, aus der Bahnhofssituation herauszukommen", so Giffey. Zwar sei das Zelt im Auftrag des Berliner Senats in kürzester Zeit von der Stadtmission errichtet worden, die richtige Arbeit darin könne aber erst am Donnerstag starten, hieß es. Am Mittwochnachmittag wird es eröffnet.

Am Sonntag und Montag 13.000 angekommene Geflüchtete

Ebenso wie bereits am vergangenen Sonntag kamen auch am Montag 13.000 Geflüchtete in Berlin an, wie der Senat dem rbb mitteilte.

Diese Zahl sei eine "Mindestschätzzahl" und beziehe sich nur auf die Menschen, die im Hauptbahnhof und am Zentralen Omnibusbahnhof gezählt wurden, hieß es. Wie viele Menschen auf anderen Wegen nach Berlin gekommen seien, könne nicht beziffert werden.

Laut Kipping seien alle, die nicht weiterreisen, in Berlin mit Betten und Essen versorgt worden. Jeden Tag würden neue Unterkünfte erschlossen. Bei einigen Bussen "knirscht es manchmal", sagte Kipping, da manche mit großer Verspätung nachts ankämen, zuletzt seien sieben Busse unangemeldet in Berlin eingetroffen. Berlin müsse sich auf einen "Marathon" einstellen und tue dies auch, so die Sozialsenatorin.

Seit Beginn der Fluchtbewegung habe Berlin insgesamt 6.500 Geflüchtete mit einer Unterkunft versorgt.

Sendung: Abendschau, 08.03.2022, 19:30 Uhr

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