Stufe 2 des Notfallplans ausgerufen - Berlin will Geflüchtete verstärkt in Zelten unterbringen
Wegen steigender Flüchtlingszahlen plant die Berliner Sozialsenatorin Kipping die Errichtung einer Zeltstadt für Geflüchtete. Es gebe kaum noch Kapazitäten, erklärte sie am Dienstag. Auch Terminals am früheren Flughafen Tegel will Kipping länger für die Unterbringung nutzen.
Sozialsenatorin Katja Kipping (Die Linke) hat die zweite Stufe ihres Notfallplans ausgerufen. Das hat ihr Sprecher dem rbb bestätigt. Dadurch soll es möglich sein, die Verfahren bei der Akquise neuer Unterkünfte zu beschleunigen. Hintergrund sei, dass den Angaben zufolge immer mehr Geflüchtete in die Hauptstadt ankommen und in Aufnahme- und Gemeinschaftseinrichtungen kaum noch freie Plätze vorhanden sind.
Kipping warnte am Dienstag vor einer sich zuspitzenden Lage für Geflüchtete in Berlin. Es würden dringend weitere Unterkünfte in Berlin benötigt, sonst bestehe die Gefahr, dass ankommende Asylbewerber und Ukraine-Geflüchtete obdachlos blieben.
Laut eines Papiers der Sozialverwaltung für die Senatssitzung am Dienstag, das dem rbb vorliegt, plant Kipping die Errichtung einer Zeltstadt für Geflüchtete. Später sollen Leichtbauhallen dazukommen. Der "Tagesspiegel" hatte zuerst berichtet.
Unterbringung für Geflüchtete knapp
Die Unterbringung werde "zunehmend komplizierter", erläuterte Kippings Sprecher. Man sei aber angesichts der großen Zahl an ankommenden Hilfsbedürftigen auf großflächige Unterkünfte angewiesen, die "mehrere hundert oder am besten mehrere tausend Leute" beherbergen könnten.
Als Standorte kämen beispielsweise das Tempelhofer Feld, der Olympiapark, das Messegelände sowie Freiflächen auf dem früheren Flughafen Tegel infrage. Dafür müssten jedoch auch andere Senatsressorts zustimmen. Kipping plant außerdem schon länger, die Terminal A und B in Tegel weiter zur Flüchtlingsaufnahme zu nutzen. Nach bisherigen Plänen sollen diese zum Jahresende geräumt werden, weil eine Hochschule dort einziehen will. Zusätzlich solle der Bund weitere Flächen und Gebäude zur Verfügung stellen, fordert die Sozialverwaltung.
Der Sprecher der Integrationsverwaltung betonte, Kipping mache die Vorschläge in einem "internen Arbeitspapier" zur aktuellen Situation, das die Senatorin am Dienstag zunächst im Senat habe besprechen wollen.
Nur rund 150 freie Plätze
Bereits im Sommer hatte Kipping wegen der Flüchtlingslage Stufe eins des Notfallplanes in Kraft gesetzt. In dem Zusammenhang wurde auf dem früheren Flughafengelände in Tegel eine Zelt-Notunterkunft als Reserve eingerichtet.
Aktuell stehen dem Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten laut Sozialverwaltung insgesamt 27.850 Plätze zur Verfügung. Davon sind in regulären Unterkünften derzeit 156 Plätze frei. Dem steht aber ein Unterbringungsbedarf für rund 2.700 Geflüchtete gegenüber.
Um den Bedarf zu decken, betreibt die Senatsverwaltung seit der zweiten Oktoberhälfte die Akquise temporärer großflächiger Unterkünfte.
Mehr Asylsuchende kommen nach Berlin
Die Lage ist deshalb sehr angespannt, weil einerseits die Zahl der Asylbewerber im Jahresverlauf immer mehr zugenommen hat. Hinzu kommen Zehntausende ukrainische Kriegsflüchtlinge in der Stadt und die Befürchtung, dass deren Zahl infolge des russischen Angriffskrieges gerade im Winter wieder stärker zunimmt als zuletzt. Diese Menschen haben einen anderen Status als Asylbewerber, viele kamen zunächst privat unter. Nun brauchen aber viele auch eine andere Unterkunft, weil ihre Gastgeber ihr Angebot nicht länger aufrechterhalten können oder wollen.
Viele Asylsuchende aus Syrien und Georgien
Nach Angaben des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) stellten in den ersten neun Monaten 9.036 Menschen Asylanträge in Berlin. Hinzu kamen 816 Flüchtlinge, die über Sonderaufnahmeprogramme in die Stadt kamen. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr listet das LAF 7.762 neue Asylbewerber auf, allerdings auf Basis einer Datengrundlage, die sich 2022 etwas verändert hat.
Im September sind knapp 2.300 Asylbewerber in Berlin angekommen. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort auf die Anfrage der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus [pardok-parlament-berlin.de] hervor. Davon blieben 1.828 Asylsuchende in der Hauptstadt. Im Oktober hat sich der Zuzug noch weiter verstärkt. Etwa 100 Asylbewerber pro Tag seien im Oktober angekommen, hieß es vom Senat. Anfang November sprach Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) dann bereits von täglich 150 Asylbewerbern und 150 Ukrainern - das entspreche dem Niveau von 2015. Giffey erwartet, dass die Zahlen im Winter weiter steigen.
Folge sind längere Wartezeiten schon bei der Registrierung, wie aus der Antwort des Senats auf eine AfD-Anfrage hervorgeht. Hauptherkunftsländer der Asylbewerber waren zuletzt Syrien, Georgien, die Türkei, Afghanistan und Moldau.
Sendung: rbb24 Inforadio, 8.11.2022, 11 Uhr
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