Eigentümerin auf EU-Sanktionsliste - Immobilienverkauf in Berlin wegen Russland-Sanktionen gestoppt
Erstmals wurde in Berlin ein Immobiliengeschäft gestoppt, weil die Eigentümerin auf der Sanktionsliste für Russland steht. Recherchen zeigen, dass es in Berlin bundesweit die meisten Immobilienunternehmen mit unklaren Eigentümerstrukturen gibt. Von R. Althammer, R. Schöffel, A. Senyurt
Es soll sich um eine Immobilie in Stadtlage handeln, mehr wollen weder Berliner Polizei noch Finanzbehörden dazu sagen. Die Eigentümerin hatte den Verkauf 2021 gestartet, doch es zog sich wohl hin. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine stand sie dann auf der EU-Sanktionsliste und sowohl der beauftragte Notar als auch ihre Bank meldeten den Vorfall – so wie vorgeschrieben. Verkauf gestoppt, etwaige Mieteinnahmen eingefroren.
Finanzbehörden gleichen Sanktions- und Steuerdaten ab
1.158 Personen und 98 Unternehmen und Organisationen stehen inzwischen auf den Sanktionslisten, doch nur wenige scheinen in Deutschland Immobilienvermögen zu besitzen. In München stießen die Finanzbehörden vor einigen Wochen beim Abgleich der Steuerdaten mit den Listen auf zwei Eigentumswohnungen und ein Grundstück, die einem kommunistischen Duma-Abgeordneten und seiner Frau gehören. Bei der russischen Duma hatte er dies nicht angegeben [duma.gov.ru].
Eine bundesweite Abfrage von rbb, BR, MDR und SWR bei den Finanzbehörden ergab: Seit Verhängung der Sanktionen suchen die Finanzbehörden in allen Bundesländern nach sanktionierten Personen. Die Ausbeute scheint überschaubar. In Baden-Württemberg "konnten nur wenige Fälle identifiziert werden". In Sachsen-Anhalt und Bremen wurde nichts gefunden. Ob die Berliner Finanzbehörden fündig wurden, dazu äußerte sich die Senatsfinanzverwaltung nicht. In einer mit den anderen Bundesländern und dem Bundesfinanzministerium abgestimmten Antwort heißt es lediglich: "Einzelheiten können im Hinblick auf die beabsichtigten Wirkungen nicht mitgeteilt werden."
Berliner Immobilienmarkt ist Hotspot bei anonymen Firmenkonstrukten
Ist Deutschland und vor allem Berlin vielleicht gar nicht das Eldorado der russischen Eliten, in dem sie Vermögen in Höhe von Hunderten Millionen Euro über die Jahre gut getarnt anlegten? Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bezweifelt das. Nach seiner Einschätzung dürften die wenigen Treffer eher "ein Beleg für die weitgehende Anonymität am Immobilienmarkt sein. Kriminelle aus der ganzen Welt einschließlich Russland verstecken deswegen hier immer noch viele Milliarden Euro verdächtiger, aber nach wie vor ungeklärter Herkunft."
Eine exklusive Auswertung von Daten der Auskunftei Creditreform scheint ihn zu bestätigen. Bundesweit gibt es demnach 774 Immobilienunternehmen, zu deren unmittelbaren Eigentümern wiederum Firmen in Zypern, auf den Britischen Jungferninseln, den Cayman und den Marshall Inseln gehören, also Länder, wo es besonders einfach ist, sich "unsichtbar" zu machen. 618 dieser Firmen haben laut Auswertung ihren Sitz in Berlin.
Immobilienunternehmen mit Eigentümern in Zypern, auf den Cayman-, Marshall- oder Britischen Jungferninseln
Berlin | 618 |
Bayern | 36 |
Hessen | 34 |
Brandenburg | 20 |
Nordrhein-Westfalen | 19 |
Baden-Württemberg | 17 |
Hamburg | 10 |
Sachsen | 7 |
Niedersachsen | 5 |
Bremen | 3 |
Schleswig-Holstein | 2 |
Rheinland-Pfalz | 1 |
Sachsen-Anhalt | 1 |
Mecklenburg-Vorpommern | 1 |
(Daten: Creditreform)
Oligarch nutzte Gesetzeslücken
Zwischen 2004 und 2021 haben russische Bürger nach einer Auswertung des bei der Senatsbauverwaltung angesiedelten Gutachterausschusses auf dem Berliner Immobilienmarkt gut 456 Millionen Euro investiert. Vor allem zwischen 2011 und 2017, danach brachen die Käufe ein. Die Zahlen beziehen sich auf all jene, die auch in den Grundbüchern stehen. Systematisch suchen kann man sie bis heute nicht, eine einheitliche Datenbank fehlt – wie in Berlin so in den anderen Ländern. Einzig die Finanzbehörden können anhand der Steuerdaten herausfinden, ob es in der Stadt Vermögen sanktionierter Personen gibt.
Schwierig wird es indes, wenn die Immobilie keiner Person, sondern einer Firma gehört. Denn wem welche Firma gehört, das ist oft unklar. Der russische Oligarch Rotenberg konnte deshalb nach rbb-Informationen vor einigen Jahren mit Hilfe seiner Familie eine Luxusimmobilie in Schmargendorf für mehrere Millionen Euro verkaufen. Ein schwer durchschaubares Geflecht von Firmen auf Zypern und in Berlin machte das möglich – und war rechtlich völlig legal. Im Zentrum stand seine Tochter Lilia Rotenberg sowie die Firma O. auf Zypern, deren "wirtschaftlich Berechtigter", letztlich also Eigentümer, Rotenberg war. Doch die Firma wie auch Rotenbergs Tochter standen und stehen anders als er nicht auf der EU-Sanktionsliste. Der Verkauf wurde problemlos abgewickelt.
Schlupfloch im Transparenzregister soll geschlossen werden
Seit 2017 soll das Transparenzregister eigentlich dafür sorgen, dass sich die wirtschaftlich Berechtigten hinter ominösen Firmenstrukturen offenbaren – ursprünglich bis 2021. Doch dank neuer Gesetze wurden die Fristen verlängert. Auf Anfrage von rbb24 Recherche teilte das zuständige Bundesverwaltungsamt mit, dass sich bis spätestens 31. Dezember 2022 gut 1,7 Millionen Unternehmen registrieren lassen müssen. Bis 26. Juni haben dies jedoch erst 850.000 getan.
Doch selbst wenn alle Fristen abgelaufen sind, besteht bislang ein Schlupfloch, für all jene, die sich nicht "offenbaren" wollen: Wenn der wirkliche Berechtigte oder Eigentümer sich nicht ermitteln lässt, dann kann der gesetzliche Vertreter, in der Regel ein Manager, der auf keiner Sanktionsliste erscheint, gemeldet werden. Ermittler, die dem Verdacht auf Geldwäsche nachgehen, halten das schon für eine Art "Begünstigung von Straftaten".
Sebastian Fiedler, jahrelang Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter und seit Herbst 2021 für die SPD im Bundestag, hat das jahrelang kritisiert. Was bei der Geldwäsche versäumt worden sei, falle Deutschland jetzt bei der Durchsetzung der Sanktionen "auf die Füße". Seine Hoffnung ruhe auf dem für den Spätsommer geplanten Sanktionsdurchsetzungsgesetz II.
Mit dem neuen Gesetz sollen etliche Leerstellen endlich geschlossen werden. Eine zentrale Bundesorganisation, angesiedelt sehr wahrscheinlich beim Zoll, soll sich zukünftig um die Durchsetzung der Sanktionen kümmern. Gemeinsam mit dem BKA, so Fiedler, könnten dann Experten endlich mit dem nötigen Know-how an die Arbeit gehen – und sanktionierte Vermögen ebenso wie Geldwäscher aufspüren.
Beschlagnahme verdächtiger Vermögen geplant
Schwerer ins Gewicht fallen wird aber der Punkt, den auch die im Frühjahr gegründete Taskforce zur Sanktionsdurchsetzung favorisiert: Die Einziehung verdächtiger Vermögen bis hin zur Enteignung. Der Staat, so Fiedler, werde bei verdächtigen Vermögenswerten einen Auskunftsanspruch haben. "Und wenn derjenige, der da offiziell eingetragen ist, nicht sagt, woher das Vermögen kommt, ist es weg."
Rot-Grün scheint sich dabei einig. Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, macht jedoch klar, dass derart rigorose Maßnahmen auf sanktionierte Personen beschränkt bleiben sollen. "Eine Schnüffeldatenbank, die sämtliche Vermögenswerte und deren Besitzer unter Generalverdacht stellt und damit unter Erklärungsdruck setzt" wäre seiner Meinung nach der falsche Weg. Der nächste Streit um die Durchsetzung der Sanktionen scheint vorprogrammiert.
Eine gemeinsame Recherche von BR, MDR, rbb, SWR.
Sendung: rbb24 Inforadio, Nachrichten, 06.07.2022, 9 Uhr