Täglicher Anruf in der Ostukraine - "Sie sind lebendig und gesund"
Der Ukraine-Krieg bewegt viele Menschen auch in Ostbrandenburg. Einer von ihnen ist Ihor Zakharchenko, der in Frankfurt (Oder) lebt und studiert und aus der Ostukraine stammt. Er informiert sich täglich über die Situation vor Ort, wie er berichtet.
"Sie sind lebendig und gesund", sagt Ihor Zakharchenko am Samstagmittag im Gespräch mit dem rbb. Er telefonierte erst am Morgen mit seinen Eltern, wie er berichtet. Außerdem habe er mit seinen Großeltern und auch mit seinem Bruder und Bekannten gesprochen.
Ihor Zakharchenko stammt aus Charkiw, einer ostukrainischen Millionenmetropole rund 50 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt. Seit September 2020 lebt, arbeitet und studiert der heute 23-Jährige in Frankfurt (Oder). In seiner Heimat war er zuletzt im Januar 2022. Seit dem Ausbruch des Krieges zwischen Russland und der Ukraine telefoniere und schreibe er täglich mit seinen Verwandten und Freunden.
Heimatstadt unter Beschuss
Zakharchenko hatte erst am Donnerstag im rbb-Gespräch berichtet, dass sich sein bester Freund für den Militärdienst gemeldet hat. Mittlerweile seien vier weitere Bekannte hinzugekommen, sagte Zakharchenko am Samstag.
Mit Bangen verfolge er die Entwicklungen in seinem Heimatland seit der Invasion durch russische Streitkräfte in der Nacht zum Mittwoch. Mittlerweile sei auch seine Heimatstadt Charkiw von Raketen getroffen worden, erzählt er. "Gestern ist eine Bombe ungefähr 200 bis 300 Meter von meinem Elternhaus eingeschlagen", so Zakharchenko. Es habe sich um einen Blindgänger gehandelt, der nicht hochgegangen sei.
Unabhängig bestätigen lassen sich seine Berichte nur schwer, da die Nachrichtenlage unübersichtlich ist. Die österreichische Tageszeitung "Kurier" [€] berichtet jedoch am Samstag, dass Charkiw unter Raketenbeschuss stehe und sich verteidige.
Das bestätigt auch Zakharchenko: "Der Bezirk, wo ich wohnte, wurde gestern bombardiert." Demnach seien Raketen in der Nähe eines dortigen Krankenhauses eingeschlagen. Bislang seien aber noch keine russischen Truppen in die Stadt eingedrungen. Doch seien die Einschläge näher, das Gefechtsfeuer lauter. Jedoch habe die Bevölkerung noch keine Waffen von der Region erhalten, sondern sich vielmehr mit selbstgebauten Molotowcocktails eingedeckt. "Daher scheint die Situation in Charkiw noch nicht so schlimm zu sein", sagt Zakharchenko.
Eine Explosion habe es aber in der Militärakademie gegeben, in der Ihor Zakharchenko seinen Militärdienst geleistet habe.
Leutnant der Reserve
In der Ukraine besteht eine allgemeine Wehrpflicht, die für Männer ab 20. Jahren verpflichtend ist und in der Regel zwölf Monate dauert. Ihor Zakharchenko hat diese nach eigenen Angaben ebenfalls absolviert: "Ich bin Leutnant der Reserve bei der Nationalgarde", sagt er. In welchem Truppenteil er eingesetzt wird, sei davon abhängig, was er zuvor studiert habe, erklärt er. Die Mitglieder der Nationalgarde seien jedoch eher Polizisten als Soldaten.
"Das betrifft in erster Linie erfahrene Soldaten", sagt Zakharchenko zu der von dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski verfügten allgemeinen Mobilmachung. "Ich könnte aber jederzeit angerufen werden, glaube ich", so Zakharchenko. Es könnte sogar sein, dass er bereits ein entsprechendes Schreiben an seine Heimatadresse erhalten hat. Das sei üblicher als ein Anruf. Da jedoch seine Eltern das Haus verlassen hätten, wisse er es nicht.
Mit Spenden und Demos die Heimat unterstützen
Jedoch möchte Ihor Zakharchenko sein Heimatland auf andere Art und Weise unterstützen als durch den Dienst an der Waffe. Auch weil er sein Studium an der Europa-Universität nicht abbrechen möchte und er auch gar nicht wüsste, wie er in der jetzigen Situation in die Ukraine kommen soll.
Er habe in den vergangenen Tagen daher mehrere Freunde aus unterschiedlichen Ländern zum Spenden bewegen können. Auch Zakharchenko sende einen Großteil seines Gehalts als Unterstützung in die Ukraine, sagt er.
"Heute bin ich wieder mit Freunden auf der Demo in Berlin", sagt er am Samstag. Gemeinsam wollen sie dort für die ukrainische Sache im friedlichen Protest kämpfen.