Unbekannte Eigentümer - Russland-Sanktionen prallen an Berliner Immobilienmarkt ab

Mo 04.04.22 | 06:08 Uhr | Von René Althammer und Paul Toetzke
Altbauten am Planufer in Berlin-Kreuzberg. (Quelle: dpa/Bildagentur-online/Schoening)
Video: Abendschau | 04.04.2022 | R. Althammer/P. Toetzke | Bild: dpa/Bildagentur-online/Schoening

Die seit 2014 gegen russische Staatsbürger verhängten Sanktionen können im Immobilienbereich kaum durchgesetzt werden. Bis heute fehlt die gesetzliche Grundlage, Eigentümer bleiben oft unbekannt – auch in Berlin. Von René Althammer und Paul Toetzke

In einer ruhigen Nebenstraße in Charlottenburg stehen zwei Häuser, an denen deutlich wird, dass die von der EU verhängten Russland-Sanktionen in Deutschland nur schwer umsetzbar sind. Christoph Trautvetter, Finanzexperte vom "Netzwerk Steuergerechtigkeit" fasst das Problem wie folgt zusammen: "Wir wissen oft gar nicht, was wem gehört." Dabei ist seit langem bekannt, dass Berlin für russische Investoren im Immobilienbereich als "Hotspot" gilt. Seit 2014 haben nach Informationen von rbb24 Recherche und des ARD-Politikmagazins Kontraste russische Privatpersonen und Unternehmen hier Immobilien im Wert von rund 442 Millionen Euro erworben – sie alle stehen auch in den Grundbüchern.

Aber viele andere Immobilien gehören Firmen, die wiederum Firmen gehören, deren Eigentümer anonym sind. Das gilt auch für die beiden Häuser in der ruhigen Charlottenburger Nebenstraße. Frank Buckenhofer, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei-Zoll (GdP-Zoll) ist deshalb der Meinung, dass die Sanktionen kaum durchsetzbar sind: "Einer Durchsetzung von Sanktionen muss ja immer vorausgehen, dass man feststellt, ob es eigentlich Vermögen von sanktionierten Personen in Deutschland gibt", erklärt er im rbb-Interview. "Wir haben aber gar keine Behörde, die den gesetzlichen Auftrag hat, diese Vermögensgegenstände aufzuspüren."

Und Christoph Trautvetter ergänzt: "2019 hatte der Bundesrat gefordert, alle ausländischen Gesellschaften mit deutschem Immobilienbesitz zu verpflichten, sich ins deutsche Transparenzregister einzutragen. Doch das ging der Union zu weit. Deswegen hat der Bundestag diese Pflicht auf Neukäufer beschränkt. Die vielen anonymen Bestandseigentümer bleiben weiter unerkannt."

Eigentümer auf British Virgin Islands

In einem prachtvollen Gebäude über der Galerie Lafayette in Berlin befindet sich ein großräumiges Büro mit einer Glaskuppel. Auch wenn die Räume inzwischen verwaist sind, am Empfangstresen prangt noch immer der Name: Dialogue of Civilizations (DOC). Das DOC sollte sich als Think-Tank in Berlin etablieren, gegründet von Wladimir Jakunin, dem ehemaligen Chef der russischen Eisenbahn. In den USA und in Australien steht er seit der russischen Krim-Annexion wegen seiner Nähe zu Putin auf der Sanktionsliste. Warum sein Name nicht auf der 874 Personen umfassenden EU-Sanktionsliste steht, dazu äußert sich die EU-Kommission nicht, das sei vertraulich.

Ein Blick hinter die Strukturen des DOC zeigt das Grundproblem der Umsetzung der Russland-Sanktionen auf dem Berliner Immobilienmarkt. Nicht Jakunin, sondern ein irischer Manager namens Leonard O'Brien ist der einzige Gesellschafter des DOC. Der Ire ist auch einer der Gründer der Salamander Group, einer Schweizer Unternehmensgruppe, die Treuhanddienste anbietet. Und er ist Geschäftsführer von zwei Stiftungen Jakunins: der St.-Andreas-Stiftung - und dem DOC Endowment Fund, die sich an derselben Adresse in Genf wie die Salamander Group befinden und die für die Finanzierung des DOC verantwortlich sind. Und: O'Brien und weitere Manager der Group sind seit vielen Jahren im Berliner Immobiliengeschäft tätig – als Geschäftsführer. Ein kleines Imperium mit mindestens sechs Firmen: Amber Vierte, Deragon, Jaragon, Naragon, Oragon und Paragon.

rbb-Recherchen in den Berliner Grundbuchämtern ergeben, dass diesen Firmen 24 Immobilien – darunter auch die zwei Häuser in Charlottenburg – gehören. 2018 wurden die Firmen an drei Offshore-Firmen auf den Britischen Jungferninseln transferiert: die Pleasant Grove Management Limited, die Bayview Investment Limited und die Rising Spring Limited.

Papiertiger: Das Transparenzregister

Eigentlich sollte es nicht schwer sein, herauszubekommen, wer wirklich hinter dem Firmenkonstrukt steht. Seit 2018 gibt es in Deutschland das Transparenzregister, in dem die sogenannten "wirtschaftlich Berechtigten", also die wahren Eigentümer, erfasst werden sollen. Doch die Abfrage ergab: Keine dieser Firmen hat sich dort angemeldet. Zuständig für das Transparenzregister ist das Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln, wo gut 50 Mitarbeiter überprüfen, ob Unternehmen ihrer Meldepflicht nachkommen. Warum es in diesem Fall nicht geschehen ist, dazu will das BVA "aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Stellungnahme abgeben."

Im vergangenen Jahr wurde das Transparenzregistergesetz nochmals "verschärft". Federführend war das Bundesfinanzministerium unter dem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz. Trotz der Verschärfung blieb ein "Schlupfloch". Laut Gesetz gilt: "Wenn auch nach Durchführung umfassender Prüfungen ... kein wirtschaftlich Berechtigter ... ermittelt werden kann, gilt als wirtschaftlich Berechtigter der gesetzliche Vertreter...". Heißt: Wenn der Eigentümer im Hintergrund bleiben will, dann reicht es, die Manager im Transparenzregister zu melden. Für die Durchsetzung der Sanktionen ist das wenig hilfreich. Für den russischen Oligarchen Wladimir Jakunin indes könnte es sehr hilfreich sein, falls er hinter den Firmen stecken sollte. Da er in den USA auf der Sanktionsliste steht, drohen allen, die mit ihm Geschäfte machen, ebenfalls Sanktionen. Auf den Britischen Jungferninseln ist das Geheimnis jedoch gut geschützt.

Die Taskforce ist die Antwort auf politische Versäumnisse

Der Beschluss der Bundesregierung vom 15. März 2022 zur Gründung einer Taskforce zur Umsetzung der aktuellen Russland-Sanktionen ist somit auch ein Eingeständnis politischen Versagens. Sanktionen, so meint Frank Buckenhofer (GdP-Zoll), gäbe es ja nicht erst seit der Krim-Annexion im Jahr 2014. Die Taskforce solle jetzt deutlich machen, Deutschland tue etwas, weil es bislang "sehr schlecht aufgestellt ist". Es habe ein wenig den "Charme eines politischen Theaters". Die Taskforce sorge aber auch dafür, dass man jetzt Informationen zwischen Behörden austauschen könne, "die ansonsten nicht so ganz eng miteinander zusammenarbeiten. Es ist ein bisschen Aktionismus in der Hoffnung, dass am Ende was dabei rauskommt".

Nachfragen beim Berliner Senat bestätigen Buckenhofers Einschätzung. Aus der Senatsverwaltung für Finanzen heißt es zurückhaltend, es sei eine Herausforderung, an verschiedenen Stellen vorliegende Informationen noch besser zu verknüpfen, "um eine effektive Durchsetzung der Sanktionen bundesweit sicherzustellen... Dazu bedarf es zunächst der Schaffung klarer gesetzlicher Vollzugsgrundlagen und Zuständigkeiten."

Seit Freitag bekannt wurde, dass die Ukraine Deutschland per Rechtshilfe darum gebeten hat, mögliche Vermögenswerte von zehn russischen Staatsbürgern, die an der Ukraine-Invasion beteiligt sein sollen, fest- und sicherzustellen, muss sich jetzt das Berliner Landeskriminalamt mit der Frage beschäftigen, ob und wie beispielsweise die bislang unbekannten Eigentümer Berliner Immobilien ermittelt werden können. Ein erster Schritt auf dem Weg zur praktischen Umsetzung der EU-Sanktionen.

Finanzpolizei nach italienischem Vorbild

Bislang wurden in Deutschland nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums nur Konten im Wert von etwas mehr als 93 Millionen Euro eingefroren. In Italien und Frankreich wurden dagegen Yachten und Villen im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro beschlagnahmt. Frank Buckenhofer verweist deshalb auf eine schon gut 20 Jahre alte Forderung der Gewerkschaft der Polizei: "Deutschland braucht eine Finanzpolizei", die Vermögen unklarer Herkunft aufspürt. Diese könnten dann sichergestellt werden - bis sich die Eigentümer melden.

Trotz mehrerer Anfragen haben sich die Geschäftsführer der Berliner Immobilienfirmen nicht dazu geäußert, wer hinter den drei Firmen auf den British Virgin Islands steht. Somit bleibt die Frage, ob die Immobilien Investitionen von Jakunin beziehungsweise seiner Stiftungen sind, ungeklärt.

Sendung: rbb24 Abendschau, 04.04.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von René Althammer und Paul Toetzke

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