Ukrainischer Botschafter im Abgeordnetenhaus - "Wir brauchen eine Luftbrücke 2.0"

Do 10.03.22 | 13:27 Uhr
Andrej Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, ist Gast im Abgeordnetenhaus und zeigt ein Bild vom Krieg in der Ukraine. (Quelle: dpa/A. Riedl)
Video: rbb|24 | 10.03.2022 | Material: Abendschau | Bild: dpa/A. Riedl

Die Umwälzungen durch den Krieg in der Ukraine beschäftigen am Donnerstag das Berliner Abgeordnetenhaus. Als Gastredner forderte der Botschafter des Landes unter anderem, dass Verbindungen deutscher Politiker nach Russland aufgearbeitet werden sollten.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat Berlin dazu aufgerufen, sein Land mit dringend benötigten Hilfsgütern zu versorgen. Bei einer Gastrede im Berliner Abgeordnetenhaus zog Melnyk eine Parallele zur Berliner Luftbrücke 1948/49. "Wir brauchen eine Luftbrücke 2.0, nur diesmal auf dem Landweg", so der Botschafter. Heute fühlten sich viele Ukrainer genauso wie die Deutschen damals, sagte er.

"Wir wären dem Senat und dem Abgeordnetenhaus sehr dankbar, wenn sie uns helfen könnten, den Krieg zu beenden." Die Ukraine brauche einen Versorgungskorridor, um Menschen Lebensmittel und Medikamente zukommen zu lassen. Benötigt würden aber beispielsweise auch kugelsichere Westen und Helme für Hunderttausende Freiwillige, die sich derzeit in der Ukraine zum Dienst meldeten und die derzeit nur mit Maschinengewehren ausgestattet werden könnten.

"Russland-Connections" deutscher Politiker müssten aufgearbeitet werden

Melnyk forderte die Berliner Politik auch auf, einen Beitrag dazu zu leisten, damit die Bundesregierung die Sanktionen gegen Russland weiter verschärfe. "Ein Importstopp für russische Rohstoffe muss kommen." Er appelierte auch an Berliner Unternehmer, ihre Geschäftstätigkeit in Russland "zumindest vorläufig einzufrieren".

Mit Blick auf den seit 14 Tagen laufenden Angriffskriegs Russlands sagte Melnyk, die Welt und Deutschland hätten weggeschaut und versagt. "Warum hat die Weltgemeinschaft Putin nicht stoppen können, warum wurde er so lange hofiert?", fragte er und betonte, es sei scheinheilig zu behaupten, man habe sich in Bezug auf Putins Pläne geirrt. Nicht nur die AfD, sondern auch die Volksparteien hätten die Politik des russischen Präsidenten "salonfähig" gemacht. Es sei heuchlerisch, sich davon eilig zu distanzieren. Es brauche eine "Aufarbeitung ihrer Russland-Connections".

Gleichzeitig erwarte er, dass die Ukraine als Kulturnation anerkannt werde. "Die Deutschen dürfen uns nie wieder durch die russische Brille betrachten", so Melnyk. So sollten Theater und Opernhäuser in Berlin ihre Repertoires für ukrainisches Künstler öffnen. Der Botschafter forderte Berlin außerdem auf, "eine oder mehrere bilinguale Europaschulen" zu gründen. Schon heute lebten mehr als 12.000 ukrainische Staatsbürger in Berlin.

Breite Unterstützung für die Ukraine

Die großen Fraktionen haben der Ukraine die Unterstützung und Solidarität der Stadt zugesichert. So sprach der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh von einem "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg" Russlands und betonte, Wladimir Putin habe den Tod und Schrecken des Krieges zurück in die Mitte Europas getragen.

CDU-Fraktionschef Kai Wegner sagte, in Kiew werde "auch unsere Freiheit verteidigt". Das ukrainische Volk sei ein Vorbild für Berlin. Wegner warf allerdings dem rot-grün-roten Senat vor, die Dramatik der Situation durch ankommende Flüchtlinge unterschätzt zu haben. Nötig seien schnelle psychologische Betreuung für die Kinder an den Schulen und ein passender Unterricht.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Silke Gebel, wies auf das Leid der Menschen hin. Es gebe Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser. In Berlin seien alle Flüchtlinge willkommen und sie müssten umfassend versorgt werden. In der Pflicht sei aber auch die Bundesregierung - deshalb sei ein Flüchtlingsgipfel nötig.

Sozialsenatorin Kipping fordert Hilfe vom Bund

Wie kann Berlin den Menschen helfen, die vor dem Krieg in der Ukraine in die deutsche Hauptstadt fliehen? Das ist eine zentrale Frage in der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus, vom Donnerstag. Auf gemeinsamen Antrag aller Fraktionen ist geplant, dass über den russischen Angriffskrieg debattiert wird.

Am Tag, an dem der russische Angriff auf die Ukraine begonnen hat, haben die Abgeordneten bei ihrer jüngsten Plenarsitzung vor zwei Wochen schon einmal über den Krieg gesprochen und sich solidarisch mit der Ukraine erklärt. Diesmal lautet das Thema "Putins Angriffskrieg auf souveräne Ukraine führt dort zu humanitärer Katastrophe - Berlin handelt solidarisch und ist Anlaufpunkt Tausender Kriegsflüchtlinge".

Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) forderte bereits am Dienstag finanzielle Hilfen vom Bund. Sie erwarte von der Bundesregierung mehr Bemühungen beim Umgang mit der Flüchtlingssituation. An Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gerichtet sagte Kipping am Dienstag dem rbb-Sender Radioeins, es sei seine Aufgabe, die Verkehrsströme der ankommenden Menschen aus der Ukraine zu organisieren. "Was wir dringend brauchen ist, dass die Verkehrsströme nicht alle nach Berlin gelenkt werden. Und das wäre die Aufgabe des Bundesverkehrsministers." Allein Berlin erreichten derzeit täglich mehr als 10.000 Geflüchtete aus der Ukraine.

Berlin schafft 50 Willkommensklassen

Die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) kündigte am Mittwoch an, 50 Willkommensklassen für Jugendliche zu schaffen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. "Die beruflichen Schulen haben gesagt, sie können das sofort einrichten. Das finde ich großartig", sagte Busse. Zugleich aber verwies die Bildungssenatorin auf die finanziellen Belastungen, die mit diesem Angebot einhergingen und bezeichnete die Maßnahme als einen Kraftakt. "Da brauchen wir unbedingt Mittel vom Bund zur Unterstützung, Berlin kann das alleine nicht leisten", sagte Busse.

Beraten will das Plenum außerdem über Themen wie die Sicherung der Energieversorgung in Berlin oder die Verbesserung von Berufschancen für Mädchen und Frauen durch bessere Bildung in Fächern wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT).

Sendung: Abendschau, 10.03.2022, 19:30 Uhr

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