Speiseöl für Pommes Frites wird teurer - Die andere Ölkrise
Die Ukraine und Russland sind die weltgrößten Exporteure von Sonnenblumen- und Rapsöl. Durch den Krieg sind die Preise für das Öl zum Frittieren nach oben geschnellt – oder die Ware wird weggehamstert. Das könnte bald auch Pommes-Liebhaber treffen.
Zu Beginn eine wichtige Zahl: Im Jahr 2020 wurden in Deutschland etwa 429.000 Tonnen Pommes hergestellt. Soviel wiegt in etwa die New Yorker Freiheitsstatue. Pro Bundeskopf sind das gut fünf Kilo Fritten. Die Belgier tauchen ihre geschnitzten Kartoffeln in Tierfett und deshalb haben sie jetzt kein Problem. Hierzulande hingegen werden Pommes meist in Sonnenblumenöl, Rapsöl oder einer Mischung aus beidem frittiert - und beides ist wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine nun teuer. Denn die Länder sind die weltweit größten Exporteure für Sonnenblumen- und Rapsöl.
Bei Curry36 in Berlin verkaufen sie seit 41 Jahren mit oder ohne Mayo und Ketchup, an den vier Standorten sind es inzwischen "eine hohe vierstellige Zahl" an Portionen Pommes pro Tag, sagt der Unternehmenssprecher Mirko Großmann dem rbb. Letzte Woche sei ein Anbieter dagewesen, der sagte, dass das weltgrößte Lager für Sonnenblumenöl in Rotterdam nun erstmal leergekauft sei. Aber noch sehe man die Lage entspannt. "Wir sind bis zum vierten Quartal gut bevorratet. Aktuell denken wir erstmal nicht, dass die Portion Pommes zum Luxusartikel wird."
"Entschieden, kein Statement zur Speiseöl-Knappheit rauszugeben"
Anderswo dagegen geht es bereits an die Substanz, glaubt man den Pressemeldungen. Das traditionsreiche Restaurant Gaffel am Kölner Dom strich die Fritten von der Speisekarte, zu teuer, begründete der Inhaber das. Nun gibt’s Bratkartoffeln [focus.de]. "Unsere Karte basiert zu 80 Prozent auf Öl", fasste ein Burger-Gastronom aus Hamburg das Problem zusammen [ndr.de]. Er müsse den Laden schließen.
Dass die Großhändler deutliche Preissteigerungen bei Speiseöl, Pommes und Würsten angekündigt haben, erzählen auch Gastronomen aus Berlin dem rbb, sie wollen nicht namentlich genannt werden. Überhaupt, Frittieren, ein heikles Thema. Die Großhändler wollen nicht darüber reden, was gerade so auf dem Speiseölmarkt los ist: "Nach Rücksprache mit unserer Marktleitung teilen wir Ihnen mit, daß wir zu dem Thema keine Auskunft geben" informiert der Anbieter Hamberger vom Berliner Großmarkt in Moabit.
Auch der Lebensmittelkonzern Metro entscheidet sich, nichts zu sagen. Der Pommes-Spezialist Frittenwerk, der Name ist Programm, sagt zur Speiseöl-Knappheit, man habe beschlossen, "grundsätzlich kein Statement zur Speiseöl-Knappheit rauszugeben." Aber man könne verstehen, dass das Thema gerade brenne.
Kleine Pommesbuden kaufen direkt im Einzelhandel - und stehen vor leeren Regalen
Wie hilfreich, dass es die Statistiker in Wiesbaden gibt. Sonnenblumenöl, Rapsöl und andere Speiseöle waren im vergangenen Februar 28,9 Prozent teurer als im Vergleichsmonat des Vorjahres, bezifftert das Statistische Bundesamt. Es registrierte auch, dass der Absatz von Speiseöl im Einzelhandel in der Woche vom 7. bis 13. März mehr als doppelt so hoch war wie im September 2021 - plus 123 Prozent [destatis.de]. In der Woche vom 14. bis zum 20. März waren es immer noch knapp drei Viertel mehr Absatz (plus 73 Prozent).
Viele Einzelhändler rationieren bereits die Abgabe unter anderem von Speiseöl pro Einkauf und Haushalt – die Ölhamster gehen um. Das ist auch ein Problem für kleine Pommes- oder Dönerbuden. Die kaufen ihr Öl häufig nicht mehr beim Großhändler, sondern einfach im Supermarkt um die Ecke. Die wichtigsten Großhändler fahren solche Mini-Anbieter gar nicht mehr an, weil die Standzeit während der Lieferung zu lange ist. Sprit ist teuer. Es lohnt sich, nur die zu beliefern, die auch eine entsprechende Menge abnehmen.
"Unsere Mitglieder, die Ölmühlen, sagen uns alle, dass eigentlich genug Ware verfügbar wäre, sie sehen bei der Versorgung noch kein großes Problem. Aber besonders die Käufe von Kunden, die viel mehr Öl kaufen, als sie bräuchten, treiben die Nachfrage und damit den Preis in die Höhe", sagt Maik Heunsch, Sprecher des Verbandes der ölsaatenverarbeitenden Industrie.
Kurzer Einschub, um die ganze Sache mal in Relation zu setzen: Während Verbraucher in Deutschland sich über Hamsterkäufe von Sonnenblumenöl wundern und ein Plus bei den Lebensmittelausgaben von drei bis vier Prozent befürchten, stehen Menschen in Ländern wie Libanon, Irak, Syrien oder Sudan vor weitaus existenzielleren Problemen. "Für sie bedeutet die Preisentwicklung den Unterschied zwischen satt werden und Hungern", sagt der Agrarwissenschaftler Felix Prinz zu Löwenstein. Von den Kriegsopfern in der Ukraine ganz zu schweigen. Nun zurück zu den Pommes.
94 Prozent des Öls wird importiert
Deutschland importiert 94 Prozent seines Sonnenblumenöls. Hier werden Ölpflanzen auf 30.000 Hektar angebaut, in der Ukraine sind es sechs Millionen. Die Hälfte der deutschen Anbauflächen liegt in Brandenburg. Hier steigen manche Landwirte jetzt von Mais auf Raps und Sonnenblumen um, weil sich das Ganze mehr lohnt. Aber die Ausweitung der heimischen Produktion sei nur in geringem Maße möglich, weil es an Ackerfläche fehle und zudem der Sonnenblumenanbau bestimmte Maschinentechnik bei Saat und Ernte erfordere, teilt der Landesbauernverband mit. Auch gebe es Risiken durch zu viel Feuchtigkeit in der Erntephase. Und bis diese neue Brandenburger Ernte durch Ölmühlen gejagt ist, werden noch viele Fritteusen kalt bleiben.
Die Mensen an den Hochschulstandorten Eberswalde, Frankfurt (Oder) und Cottbus zum Beispiel melden Engpässe und steigende Preise. Mittlerweile hat der Lieferant von Speiseöl das Angebot rationiert. Beim Rapsöl würden normalerweise 50 Liter pro Woche benötigt. Zuletzt waren es 20 Liter pro Woche und auch diese Lieferung sei manches Mal schon ausgefallen, sagt Sören Hilschenz vom Studentenwerk Frankfurt am Freitag dem rbb.
Preise schon vor dem Krieg gestiegen
Gestiegen sind die Preise auf dem Weltmarkt schon während der Corona-Pandemie. Die Lieferketten wurden unterbrochen, die Kosten für Transport und Energie stiegen in die Höhe. Dazu trieb die verstärkte Verwendung von Biodieselkraftstoff in Deutschland die Nachfrage nach Pflanzenöl weiter an. Und dann kam der Krieg. Nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert war, versiegten die Vorräte fast vollständig. Am Freitag verhängte die russische Regierung einen vorübergehenden Exportstopp für Raps und Sonnenblumenkerne. Das Ausfuhrverbot gelte bis Ende August, teilte sie mit. Außerdem solle der Export für Sonnenblumenöl begrenzt werden. Nur noch "freundliche Staaten" kriegen ihr Fett weg.
Experimentierfeld Fritteuse
"Die Ware alleine ist nicht mal das Hauptproblem", sagt Horst-Peter Karos, Geschäftsführer des Verbandes der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie. Dessen Mitglieder erschaffen einen Großteil der Fritten und Kartoffelchips im Land und dafür brauchen sie Öl. "Transport, Energie, einfach alles ist teurer geworden, selbst die Holzpaletten. Diese Aufschläge kann man schließlich nur an die Verbraucher weitergeben", sagt Karos dem rbb. Nun müsse man als Notlösung möglicherweise auf Palmöl zurückgreifen. Das gilt wegen der weiten Transportwege und der schlechten Ökobilanz allerdings als klimaschädlich.
Auch bei Curry36 in Berlin wollen sie sich für kommende Zeiten wappnen. Sie testeten Heißluftfritteusen, weil die weniger Öl verbrauchten, berichtet Sprecher Großmann. Und sie brutzelten mit Erdnussöl oder Rapsöl. "Qualitativ ist Rapsöl sogar besser als Sonnenblumenöl, sagt uns unser Lieferant", erzählt Großmann. Aber die Sonnenblume lasse sich auf den Etiketten einfach besser vermarkten.
Sendung: rbb24, 01.04.2022, 21:45