Interview | Corona und die Urlaubszeit - "Im Hotelzimmer bleiben zu müssen, ist keine schöne Urlaubserfahrung"

Di 21.06.22 | 17:48 Uhr
Fluggäste mit Masken (Bild: dpa)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 21.06.2022 | Phillipp Manske | Bild: TT NEWS AGENCY

Wegen der neuen Omikron-Subvariante steigen die Corona-Zahlen wieder - kurz vor der Ferienzeit. Im Interview spricht Mikrobiologin Heidrun Peltroche vom Thiem-Klinikum in Cottbus über die Gefahren und darüber, wer sich jetzt ein viertes Mal impfen lassen sollte.

rbb24: Frau Peltroche, in etwas mehr als zwei Wochen beginnen die Sommerferien. Gleichzeitig sind derzeit viele Menschen sorglos. Masken werden immer weniger getragen, Testzentren geschlossen. Können wir ganz beruhigt in den Flieger steigen?

Heidrun Peltroche: Leider nein. Das muss man so ehrlich sagen. Wir beobachten es ja auch in einigen anderen Ländern. Da haben wir auch gesteigerte Fallzahlen, vor allem verbreiten sich Varianten. Nichtsdestotrotz, denke ich, kann man hier vor Ort noch einige Wochen relativ sorglos sein. Ich gehöre auch immer zu denjenigen, die sagen: Masken und Atemschutz sind das einfachste und eine der wirksamsten Maßnahmen. Das sollte man auch weiterhin in Räumen und öffentlichen Verkehrsmitteln beibehalten.

Aber haben denn nicht zumindest die Geimpften einen guten Schutz?

Geimpft und nicht geimpft, das muss man auseinandernehmen. Das ist eine unheimliche Gemengelage. Da sind die Fragen, womit geimpft, wann zuletzt geimpft, wie oft geimpft, welche Kontakte hatte ich, wie alt bin ich und wie ist mein Immunsystem? Die Gemengelage ist so, dass diese Sicherheiten wohl eher individuell abzuleiten sind.

Wenn ich jetzt aber drei Mal geimpft bin, ist das doch okay, oder?

Drei Mal geimpft ist schon mal eine gute Voraussetzung, die aber die Bundesbürger so teils nicht erfüllen. Wir haben ungefähr 50 Millionen, die drei Mal geimpft sind. Da kann man sicherlich noch einige hinzuzählen, die zwei Impfungen hatten und eine Infektion. Das würde ich als gleichwertig erachten. Aber wir sind eben über 80 Millionen Bundesbürger. Da ist ein großer Teil, der noch keine dritte Impfung hatte, aber die halte ich für sehr wesentlich für unser Immungedächtnis und dafür, ob wir schwer erkranken. Die Sicherheit ist nie bei 100 Prozent.

Die Mikrobiologin Heidrun Peltroche (Bild: rbb/Jahn)
Die Mikrobiologin Heidrun Peltroche | Bild: rbb/Jahn

Kann eine "Last-Minute-Impfung" vor dem Flug noch denjenigen helfen, die noch gar nicht geimpft sind?

Eine einzelne Impfung wird hier nicht so viel bewegen. Das macht man nicht, hoffe ich, weil es nicht viel nützt. Die zwei Impfungen, oder besser drei, sind das, was ich mir wünsche und das ist auch das, was für den Einzelnen einen hochsicheren Schutz schafft, vor schwerwiegenden Verläufen, wenn auch nicht vor Infektionen. Leider erfüllen die Impfstoffe nicht das, was wir uns erwünscht und erhofft hatten. Die sogenannte sterile Immunität gibt es nicht. Wir wissen dennoch, dass die Ungeimpften das Virus häufiger weiterverbreiten als die Geimpften. Und egal, ob man seinen eigenen Schutz betrachtet oder den Schutz für andere: die Impfung sticht alles und ist immer besser als keine Impfung.

Wie sollte man sich dann im Urlaub verhalten? Im Flugzeug ist die Maske noch Pflicht, aber sollte man sich beispielsweise im Urlausbland regelmäßig testen?

Ich sage, aus meiner persönlichen Erfahrung, die Unterschiede in den Ländern, die man bereist, sind groß. Bei unserem Flughafen, dem BER, gilt beispielsweise die Maskenpflicht nur im Flugzeug. Das ist sicherlich auch vernünftig, dort gibt es große Räume und Klimatechnik. Aber man steht auch irgendwann in der Schlange und wenn man da weise ist, würde ich auch meine FFP2-Maske aufsetzen. In den Ländern ist das sehr unterschiedlich. Ich denke nicht, dass man unbedingt jetzt nach Portugal reisen muss, obwohl die Fallzahlen inwischen runtergehen. In Spanien habe ich erlebt, dass da sehr kosequent die Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln getragen werden, viel konsequenter als bei uns und es wird auch wirklich kontrolliert. Abends treffen sich aber auch die Spanier in Bars, da gibt es gar keinen Infektionsschutz. Man muss sich vorab wirklich mit den Maßnahmen in den einzelnen Ländern auseinandersetzen.

Es gibt neue Subtypen der Omikron-Variante, die als infektiöser gelten. Auf welche Symptome muss ich denn achten?

Die BA.4 und BA.5-Varianten sind Omikron-Subvarianten, die sind aber nicht aus BA.1 und BA.2 hervorgegangen. Die sind getrennt davon entstanden und sind fitter und infektiöser. Die krankmachenden Eigenschaften liegen aber wieder mehr auf den tiefen Atemwegen. Das heißt, man wird dort wieder Probleme haben, nicht nur ein bisschen Kopfschmerz. Aber manche haben ja auch Magen-Darm-Beschwerden. Es gibt so viele Symptome bei der Covid-19-Erkrankung, dass man einfach achtsam sein muss. Wenn man Zweifel hat, ist natürlich ein Antigen-Schnelltest immer das Beste. Aus meiner Sicht reicht aber einer nicht aus, man sollte den spätestens nach zwei Tagen wiederholen. Dann kann ich mir relativ sicher sein.

Was, wenn ich doch infiziert bin, mitten im Urlaub?

Da machen Sie dann wirklich nicht mehr viel. Zurückreisen werden Sie nicht können, stattdessen, je nach Ländervorgaben, beispielsweise im Hotel separiert. In nicht-europäischen Ländern wird das noch extremer sein. Sie müssen dann im Hotelzimmer bleiben. Das ist keine schöne Urlaubserfahrung, wie ich von Kollegen weiß. In Asien wäre es sogar noch strenger. Wir wissen ja, dass China diese Null Covid-Strategie betreibt. Und die schränkt die Persönlichkeitsrechte doch sehr aggressiv ein.

Wie viele Tage muss ich mich denn isolieren, wenn der Test positiv ist?

Dazu gibt es Gesetzesvorgaben, die aber aktuell in den Reiseländern nicht einheitlich sind. Man muss aber seinen Immunstatus immer mit in Betracht ziehen. Insbesondere die dreifach Geimpften müssen ja nicht mehr zwingend in Quarantäne, es sei denn, sie sind krank. Da gibt es die ganze Bandbreite, von einem positiven Test, von dem derjenige überhaupt nichts merkt, bis hin zu einem, der im Krankenhaus endet. Leider auch, weil die Impfung keinen 100-prozentigen Schutz verspricht und leider auch bei denen, die schon drei Impfungen hatten. BA.4 und BA.5 entkommen unserer Impfantwort.

Wem empfehlen Sie die vierte Impfung?

Ich bin zunächst ganz deutlich dafür, dass sich alle drei Mal immunisieren. Das kann auch ein Mal infiziert gewesen sein, aber drei Mal ist wichtig für das Immungedächtnis. Die vierte ist eine Frage der Abwägung. Wie lange war das dritte Ereignis zurück, zu welcher Personengruppe gehöre ich, wie alt bin ich, all dies muss ich einbeziehen. Man kann jetzt nicht sagen, vier Mal ist für alle besser, als drei Mal. Aber die vierte Impfung schafft bei denen, die über 60 sind, eine Risikoreduktion. Aber auch eine vierte Impfung schafft keine 100-prozentige Sicherheit, dass einem bei einer Covid-Infektion nichts passiert.

Sollte man bis zum Herbst mit der Impfung warten oder es lieber gleich machen?

Das ist im Moment die Gretchenfrage, die auch unterschiedlich beantwortet wird. Es wird ja auch zur Zeit darüber gestritten. Die Allgemeinempfehlung kann man hier nicht mit gutem Gewissen geben. Das muss wirklich individuell abgewogen und mit dem Hausarzt besprochen werden. Wir warten alle auf Impfstoffe, die die Varianten mit einbeziehen - die neuen Varianten sind aber da. Und wir wissen auch nicht, welche Varianten im Herbst kommen. Wer gefährdet ist, sollte die vierte Impfung auf jeden Fall in Betracht ziehen.

Die Inzidenzen sind relativ niedrig - es wird aber viel weniger getestet. Wie aussagekräftig sind die Zahlen, sind wir mitten in der Sommerwelle?

Die Inzidenzzahl, alleine betrachtet, gibt immer noch eine Richtung an. Also das Virus verbreitet sich. Die Inzidenzen haben Schwachpunkte, wir haben aber zumindest einen Trend. Orientieren sollten wir uns an den Krankenhausaufenthalten, steigert sich das wieder? Wie sind die Intensivstationen belegt und wie viele Todesfälle gibt es? Die Krankenhäuser sollen jetzt auch verpflichtend an ein elektronisches Meldesystem angeschlossen werden, damit nicht zu viel Zeit vergeht. Das halte ich für sehr wichtig, damit wir zeitnah auf die kritische Infrastruktur schauen können. Die Inzidenz sollte man trotzdem nicht aus dem Blick verlieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Iris Wussmann für Antenne Brandenburg. Die Onlinefassung ist aus Gründen der besseren Lesbarkeit gekürzt und redigiert, inhaltlich aber nicht verändert worden.

Was Sie jetzt wissen müssen

Sendung: Antenne Brandenburg, 21.06.2022, 15:40 Uhr

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