Covid-19-Reinfektion - Wie ansteckend können Geimpfte und Genesene sein?
Bald wird es mehr Freiheiten für Geimpfte und Menschen geben, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden haben. Die Lockerungen sind nicht unumstritten. Denn es bleibt ein Restrisiko, dass auch diese Gruppen das Virus weitergeben können. Von Ursula Stamm
Dieser Beitrag ist auf dem Stand 06.05.2021 und wird nicht mehr aktualisiert. Eine Übersicht unserer Corona-Themen finden Sie hier.
Dass Menschen ein zweites Mal an Covid-19 erkranken ist selten, kommt aber vor. Für die so genannte Siren-Studie [medrxiv.org] werden in England alle zwei bis vier Wochen rund 20.000 Mitarbeiter:innen des britischen Gesundheitssystems gescreent. Ihr Blut wird auf Corona-Antikörper untersucht; ein PCR-Test prüft, ob eine Corona-Infektion vorliegt. Die bisherigen Auswertungen zeigen, dass es bei weniger als einem Prozent zu einer Zweitinfektionen kommt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie aus Qatar [academic.oup.com].
Allerdings gibt es unter den Zweitinfizierten eine größere Zahl von asymptomatischen Infektionen. Das zeigt zum einen, dass durch die Erstinfektion ein gewisser Schutz aufgebaut wurde. Zum anderen ist aber nicht auszuschließen, dass gerade asymptomatisch Erkrankte das Virus auf andere übertragen, weil sie sich sicher fühlen.
Ansteckend trotz Impfung?
Dass es trotz einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu einer Infektion kommen kann, ist ebenfalls bekannt. Der Schutz nach der zweiten Impfung liegt je nach Impfstoff zwischen 70 und 95 Prozent. Allerdings gehen Forschende davon aus, dass Geimpfte, die sich mit SARS-CoV-2 anstecken, weniger infektiös sind.
Ein Vergleich zwischen Genesenen und Geimpften im Hinblick auf ihre Immunität kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen. So ist nach einigen Impfstoffstudien die Menge an Antikörpern nach einer Impfung bis zu drei Mal höher als die nach einer durchgemachten Covid-19 Erkrankung.
Allerdings sind solche Vergleiche schwierig, weil der Aufbau von Immunität gegen SARS-CoV-2 durch eine Impfung etwas anders verläuft als durch eine Covid-19-Erkrankung. Bei letzterer erfolgt die Infektion über die Schleimhäute der oberen Luftwege. Dort bilden sich lokale Antikörper, so genannte IgA-Antikörper, erklärt Professor Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe für Infektionsimmunologie und Impfstoff-Forschung an der Berliner Charité:
"Das sind Antikörper, die lokal auf der Schleimhaut wirken können, außerdem bilden sich zelluläre Abwehrmechanismen aus, die ebenfalls in der Schleimhaut verbleiben können. Deshalb könnte es sein, dass ehemals Infizierte in dieser Hinsicht einen besseren Schutz haben als Geimpfte." Dieser Mechanismus könne dazu führen, dass die Immunität nach einer durchgemachten Covid-19-Erkrankung ähnlich gut sei, wie nach einer Impfung, sagt Sander.
Kein dauerhafter Schutz
Die Dauer der Immunität hängt von verschiedenen Faktoren ab und auch hier muss zwischen Genesenen und Geimpften unterschieden werden. In Deutschland sind Ende Januar 2020 die ersten Menschen an Covid-19 erkrankt. Geimpft wird erst seit Ende Dezember 2020. Was die Genesenen angeht, gehen verschiedene Studien davon aus, dass die Immunität mindestens sechs bis acht Monate anhält.
Zwar sinkt die Zahl der Antikörper mit der Zeit ab, doch die Immunität werde auch über so genannten Gedächtniszellen aufgebaut und deren Zahl bleibe relativ konstant, sagen die Forschenden. Einen schwächeren Immunschutz könnten Menschen entwickeln, die nur mild oder asymptomatisch erkrankt sind. Auch ältere Menschen zeigen zum Teil eine schwächere Immunantwort als jüngere.
Wie lange der Effekt der Impfungen anhält, dazu gibt es bislang keine sicheren Daten. "Bei den Impfstoffen gibt es erste Beobachtungen an Studienteilnehmern, die im letzten Sommer geimpft wurden und da sieht man, dass die Antikörper über sieben Monate stabil bleiben", sagt Professor Sander. Er gehe aber davon aus, dass durch die anderen Bausteine der Immunantwort - wie die Gedächtniszellen - der Impfschutz mehrere Jahre andauern kann.
Weniger gut durch eine Corona-Impfung geschützt seien Menschen, die aufgrund einer Erkrankung immunsupprimierende [das körpereigene Abwehrsystem unterdrückende] Medikamente einnehmen müssen. Auch bei Dialysepatienten und sehr alten Menschen gebe es Hinweise auf reduzierte Immunantworten, sagt Sander.
Mutationen könnten den Schutz abschwächen
Immunität, ob erworben durch eine Impfung oder eine überstandene Covid-19-Erkrankung, basiert darauf, dass das körpereigene Immunsystem das so genannte Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus erkennt und ausschaltet. Genetische Veränderungen - also Mutationen - des Virus an diesem Spike-Protein könnten dazu führen, dass diese Abwehrmechanismen nicht mehr so gut funktionieren.
Zurzeit wird weltweit eine Mutation an einer bestimmten Position (E484K) des Spike-Proteins beobachtet, die in verschiedenen Virus-Varianten vorkommt. Bislang schützen die Impfstoffe noch vor den am häufigsten verbreiteten Virus-Varianten. Dennoch würden bereits jetzt an diese Mutationen angepasste Impfstoffe an Menschen getestet, sagt Leif Erik Sander. Laut Aussage von Biontech/Pfizer bräuchte es sechs Wochen, um einen angepassten Impfstoff zu entwickeln, ergänzt der Impfstoffexperte.
Wissenschaftler: AHA-Regeln sollten weiterhin gelten
Bei den Lockerungen für Geimpfte und Genesene geht es zunächst darum, sie mit negativ Getesteten gleichzustellen. Und auch für die gilt nach wie vor: Maske tragen und Abstand halten. Denn auch bei den negativ Getesteten gibt es ein Restrisiko, dass sie dennoch infiziert sind und das Virus weitergeben. Grundsätzlich verändern würde sich diese Situation, wenn 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung eine Immunität erlangt hat, sagt Professor Sander: "Dann werden die Infektionszahlen deutlich nach unten gehen und man wird schon allein deshalb diese Restriktionen massiv zurückfahren." Für die Übergangszeit sei es aber wichtig, die AHA-Regeln und Kontaktbeschränkungen zu befolgen – auch wenn man geimpft oder bereits an Corona erkrankt gewesen sei.
Sendung: Abendschau, 06.05.2021, 19:30 Uhr
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