6-Milliarden-Bau BER - Flughafengesellschaft ist 550 Millionen Euro wert

Di 01.03.22 | 06:12 Uhr | Von René Althammer
Menschen gehen im Dezember 2022 im Terminal 1 am Flughafen Berlin Brandenburg durch die Haupthalle. (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Bild: dpa/Christophe Gateau

Die Flughafengesellschaft FBB, die den BER betreibt, war zum Jahreswechsel 550 Millionen Euro wert. Nun soll es eine Kapitalspritze von 1,7 Milliarden Euro geben. Doch das löst das Problem nicht. Von René Althammer

Gut 6 Milliarden Euro hat der Bau des Flughafens BER gekostet, doch per 31. Dezember 2021 war das Unternehmen 550 Millionen Euro wert. Das ergibt sich aus dem Beihilfebeschluss der EU-Kommission zur Staatshilfe für die FBB, der dem rbb vorliegt.

Die Kommission hatte Anfang Februar einer Kapitalspritze in Höhe von 1,7 Milliarden Euro zugestimmt, um Corona-bedingte Verluste auszugleichen und die Insolvenz der FBB zu verhindern.

Kommissionsbescheid war kurzzeitig im Original abrufbar

Die Begründung der Kommission war für kurze Zeit in einer "ungeschwärzten" Version in der EU-Beihilfedatenbank abrufbar, wurde dann aber zurückgezogen.

Aus dem Dokument geht hervor, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte den Wert des Unternehmens nach der sogenannten "discounted future cash flow"-Methode ermittelt hat.

Der Brutto-Unternehmenswert der FBB lag danach per 31.12.2021 bei 4,442 Milliarden Euro wert (enterprise value). Abzüglich der ermittelten Netto-Schulden in Höhe von 3,893 Milliarden Euro würden jedoch nur noch etwa 550 Millionen Euro (sog. equity value oder Marktwert des Eigenkapitals) für die Steuerkassen übrigbleiben - sollten die Länder Berlin und Brandenburg und der Bund sich entscheiden, die FBB zu verkaufen.

Doch das steht derzeit nicht zur Debatte, wie die Bundesregierung der EU-Kommission mitgeteilt hat.

Kapitalspritze an Auflagen gebunden

Die Kapitalspritze soll den Ausgleich corona-bedingter Verluste ermöglichen und die Eigenkapitalsituation der FBB vor der Corona-Krise wieder herstellen. 2019 betrug das Eigenkapital noch 1,096 Milliarden Euro.

Die Zuführung der 1,7 Milliarden Euro ist an strenge Auflagen gebunden, sagt Tomaso Duso, Wettbewerbsexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Zum Beispiel darf FBB bis zur vollständigen Ablösung der Beihilfe keine weiteren Rabatte an Airlines gewähren oder ihre Kapazität erweitern." Das heißt, es darf beispielweise kein neues Terminal gebaut werden und es ist auch nicht zulässig, neue Airlines mit Rabatten "anzulocken".

Die Beihilfe gilt laut EU-Kommission bei Unternehmen, die vollständig in öffentlicher Hand sind, dann als "abgelöst", wenn der Eigenkapitalwert des Unternehmens höher ist als der "Nominalwert" der Rekapitalisierungsmaßnahme plus Zinsen, also mindestens 1,7 Milliarden Euro.

Ryanair und easyJet drängen auf Gebührensenkung

Nach zwei Jahren soll überprüft werden, ob die Maßnahme erfolgreich war. Sollte dies nicht der Fall sein, so Duso weiter, "dann muss die FBB einen glaubwürdigen Finanzierungsplan für die nächsten Jahre vorlegen". Die Beschränkungen gelten in diesem Fall weiter.

Welche Auswirkungen die Beschränkungen auf die FBB-Einnahmen haben könnten, wenn sich der Flugverkehr wieder normalisiert, ist bislang unklar. Dabei rechnet die FBB fest damit, dass es finanziell bergauf geht, wenn die Fluggastzahlen wieder steigen.

Dass der Weg aus den Finanzproblemen länger als erhofft sein könnte, hat Andreas Gruber, Deutschland-Chef von Ryanair, vor einigen Tagen deutlich gemacht. Er forderte in der Berliner Zeitung eine Absenkung der Entgelte für die Airlines. "Was die Entgeltordnung am BER angeht, sehen wir bei Ryanair definitiv noch Spielraum", erklärte er dem Blatt.

"Auch am BER sind wir noch nicht dort, wo wir hinkommen wollen." In Berlin würde zu wenig dafür getan, um dem Flugverkehr aus der Krise zu helfen. Ryanair steht damit nicht allein. easyJet teilt auf Anfrage von rbb24 Recherche mit: "In einer Zeit, in der die Luftfahrtindustrie beginnt, sich von der Pandemie zu erholen, sollten Flughafenentgelte die wirtschaftliche Erholung und den effizienten Flugbetrieb ermöglichen und fördern."

Ohne Entgelterhöhungen in den kommenden Jahren dürften jedoch die Finanzpläne der FBB für die Zukunft ins Wanken geraten. Michael Garvens war 15 Jahre Chef des Flughafens Köln-Bonn. Er verweist darauf, wie schnell grade die Low-Cost-Carrier reagieren, wenn Flughäfen an der Entgeltschraube drehen. "Das Beispiel Frankfurt und Ryanair zeigt, was passiert, wenn Entgelte in diesem für die Airlines noch immer schwierigen Marktumfeld erhöht werden. Ryanair hat einfach seine 5 Flieger abgezogen."

Hinzu kommt, so Garvens, dass auch die Einnahmen aus dem sogenannten Non-Aviation-Bereich, also den Einnahmen aus Restaurants, Parkmöglichkeiten und Geschäften, bröckeln. "Dies ist zum einen durch den weiter boomenden Online-Handel, zum anderen aber auch durch neue Mobilitätsangebote begründet", sagt Garvens, "welche am Flughafen bei Handel und Parken zu rückläufigen Umsätzen führen werden."

Regierungskoalition fordert Sanierungsplan

Nach Einschätzung von Hansrudi Lenz, bis 2021 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsprüfung an der Universität Würzburg, hat die FBB jetzt "sieben Jahre Zeit gewonnen. "Der Staat investiert netto, das heißt nach Rückzahlung der 531 Millionen EUR Covid-19-Gesellschafterdarlehen, weiter 1.169 Mio. EUR in die FBB", so Lenz weiter. "Ob das ausreichend ist, um die FBB mittelfristig in einen nachhaltig profitablen Bereich zu führen, bleibt abzuwarten."

Die neue rot-grün-rote-Regierungskoalition war schon im vergangenen Jahr skeptisch, was die Zukunft der FBB angeht. Im Koalitionsvertrag bekennen sich die Partner zwar zum BER, stellen jedoch fest: "Die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) braucht allerdings ein ökonomisch und ökologisch nachhaltiges Unternehmenskonzept, um keine dauerhafte Bezuschussung des Flughafenbetriebs durch die öffentliche Hand zu riskieren." Eine "gutachterliche Neubewertung des Sanierungskonzeptes der FBB" soll erfolgen.

Die FBB hat auf eine Anfrage bislang nicht reagiert.

Sendung: Brandenburg aktuell, 01.03.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von René Althammer

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