Neues Ein- und Ausreisezentrum in Schönefeld - Plätze im Flughafengewahrsam am BER sollen verdreifacht werden

Fr 18.02.22 | 13:20 Uhr
Ein Flugzeug im Landeanflug auf den Flughafen Berlin Brandenburg (BER) (Quelle: dpa/Rainer Keuenhof)
Bild: dpa/Rainer Keuenhof

Das künftige Ein- und Ausreisezentrum am BER soll mehr Platz für den Gewahrsam von Migranten haben. Am Flughafen werden deutlich mehr Asylsuchende erwartet. Der Landtag und die Gemeinde Schönefeld fordern mehr Einsicht in das Projekt. Von Anna Bordel

Am neuen Ein- und Ausreisezentrum des Flughafen BER soll es deutlich mehr Gewahrsamsplätze für ein- und ausreisende Migranten geben als das momentan der Fall ist. Das teilte Olaf Jansen, Leiter der Zentralen Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt dem rbb mit. Grund für diese Vergrößerung sei unter anderem, dass es vom BER aus in den kommenden Jahren mehr direkte Flugverbindungen in Nicht-Schengenländer geben soll und man dadurch mit deutlich mehr Menschen mit Asylabsichten rechne.

Dass bislang kein Parlament in die Planung miteinbezogen wurden und noch keine Angaben zu Kosten und der genauen Größe genannt wurden, sorgt für Unmut in der Gemeinde Schönefeld, der Opposition im Landtag und auch beim Koalitionspartner der Landesregierung, den Grünen.

Künftig 45 Millionen Fluggäste am BER erwartet

Laut Jansen plane man, im Flughafengewahrsam künftig Platz für mindestens 300 bis 350 Fälle im Jahr zu haben. Derzeit hätte man jedes Jahr etwa 120 Menschen im Flughafengewahrsam. Im Flughafengewahrsam befinden sich jene Menschen, die keine oder falsche Ausweisdokumente vorzeigen. Die Ankömmlinge bleiben dort, bis geprüft wurde, ob die Asylabsicht begründet ist. Etwa ein Drittel von ihnen werde abgewiesen, der Rest reise in der Regel ein, so Jansen.

Bei den Zurückweisungsfällen erwartet Jansen mindestens eine Verdopplung. Derzeit verweigere die Bundespolizei etwa 50 bis 60 Menschen im Monat die Einreise, weil zum Beispiel kein Visum vorliegt und diese dann am Flughafen auf ihre Rückreise warten müssten. Im Ausreisegewahrsam sprach Jansen von 30 bis 40 Fällen jeden Monat. Dazu zählten sowohl Menschen, die zur Ausreise verpflichtet sind, als auch solche, die freiwillig ausreisen. Sogenannte Rückführungsfälle werde es ebenfalls deutlich mehr geben, so Jansen, nannte aber keine konkrete Zahl. Vor der Eröffnung des BER gab es am Standort Schönefeld pro Jahr ein Passagieraufkommen von etwa 10 Millionen. Zukünftig wird am BER mit mindestens 45 Millionen Passagieren pro Jahr gerechnet, teilte ein Sprecher des Innenministeriums in Brandenburg mit.

Bundespolizei erhält eigenes Abfertigungsterminal

Am 25. Oktober 2021 hatten der ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) eine Vereinbarung zu dem neuen Ein- und Ausreisezentrum unterschrieben. Ziel des Zentrums sei es laut der Vereinbarung, Aufnahme und Ausreise von Migranten "effizient" zu gestalten und zu "beschleunigen".

Um das zu ermöglichen, würden dort diverse Akteure des Landes Brandenburg und des Bundes untergebracht: die Bundespolizei, Vertreter des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge, Teile der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburg und Akteure des Justizbereichs. Das Gelände auf dem die Räumlichkeiten geplant sind, ist 30.000 Quadratmeter groß. Es sollen laut Vereinbarung ein Ankunftsgebäude, ein Justizbereich, eine Wachzentrale, ein Gewahrsamsgebäude, ein Transitgebäude und ein Rückführungsgebäude entstehen. Der Bundespolizei wird laut Olaf Jansen ein Abfertigungsterminal mit zwei Check-Ins zur Verfügung stehen, um die Menschen, denen die Einreise nicht erlaubt ist, "abzufertigen". Die Inbetriebnahme ist laut dem Schreiben für das dritte Quartal 2025 geplant.

Gemeinde Schönefeld entscheidet mit über Bebauungspläne

Die Gemeinde Schönefeld erhofft sich eine Aufwertung des Gebiets nördlich der Kirche durch das neue Behördenzentrum, sagte Rainer Block (SPD) aus der Gemeinde Schönefeld. Und an sich wolle man sich als Gemeinde auch kooperativ zeigen, was das Projekt angehe. Aber so richtig zufrieden ist er nicht, wie die Planung bis jetzt gelaufen ist. Die große Frage ist für ihn: "Wer soll da abgeschoben werden?". Block ist in seinen Ansichten klar: "Es gibt Menschen die reisen hier ein und die müssen wir wieder loswerden". Dennoch solle niemand in ein Kriegsland zurück müssen. Afghanen seien bis kurz vor Kriegsbeginn abgeschoben worden, das sei ihm zu weit gegangen.

Die Gemeinde fordert auch mehr Transparenz, was die Dimension und die Kosten angeht und sieht sich nicht ganz ohne Druckmittel. "Der Bebauungsplan muss durch unsere Gremien gewunken werden. Wenn wir nicht bekommen, was wir wollen, dann sind in den Gemeindegremien eben erstmal andere Dinge wichtiger, als den Plan schnell durchzuwinken. Wir sind ja keine Erfüllungsgehilfen der höheren Politik", so Block.

Landtag fordert mehr Einsicht in die Pläne

Auch die Linke lehnt das Projekt nicht vollständig ab. "Das kann man schon machen", sagte Andrea Johlige (Die Linke), Abgeordnete im Brandenburger Landtag. Sie sieht durchaus Vorteile darin, die Erstregistrierung an einer größeren Sammelstelle zu bündeln. Dass bislang kein Parlament mitentschieden hat oder über konkrete Details informiert wurde, sieht sie allerdings als "Missachtung der Demokratie".

Und auch die asylpolitische Sprecherin der Grünen, Marie Schäffer, fragt sich, wann der Landtag mit in die Pläne einbezogen wird. Die Exekutive könne natürlich Räume bauen, die sie brauche, mehr Einsicht, wünscht sie sich vom Koalitionspartner aber auch.

Konkrete Kosten noch nicht bekannt

"Problematisch" findet sie auch, dass die bauliche Umsetzung des Projekts durch einen Investor stattfinden soll und das Land am Ende die Räume lediglich anmietet. Auf diese Weise wäre Geld erst dann fällig, wenn die erste Miete gezahlt werden müsse. So könne das Projekt fertig gestellt werden, ohne dass der Brandenburger Landtag dazu abstimmen muss. Von Rainer Block ist zu erfahren, dass der privater Investor, der den Auftrag erhalten habe, bereits als vertrauensvoller Geschäftsmann in der Gemeinde bekannt ist. Der Investor selbst äußerte sich auf die Frage, wie es um die Planung stehe, allerdings nicht. Und auch das Landesinnenministerium möchte nicht bestätigen, dass ein Investor beauftragt wurde: "An der Spekulation über Investoren beteiligen wir uns nicht", teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit.

Die Vereinbarung zwischen Seehofer und Stübgen von Oktober 2021 legt fest, dass das Land Brandenburg die Kosten für den Bau tragen werde. "Das wird den Landeshaushalt sicher über Jahrzehnte belasten", befürchtet Johlige. "Zu den möglichen Kosten lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts Belastbares sagen, da die potentiellen Kosten von Planungsentscheidungen abhängig sind, die noch nicht getroffen wurden. Bisher sind dem Land durch den Planungsprozess des Projektes Kosten in Höhe eines hohen vierstelligen Betrages entstanden", gab ein Sprecher des Innenministerium bekannt. Haushaltsmittel werden laut dem Sprecher voraussichtlich erst im Doppelhaushalt 2023/2024 fällig und daher erst dann dem Landtag zur Entscheidung vorgelegt.

Wenn wir nicht bekommen, was wir wollen, dann sind in den Gemeindegremien eben erstmal andere Dinge wichtiger, als den Plan schnell durchzuwinken.

Rainer Block (SPD), Gemeinde Schönefeld

Gemeinde Schönefeld besorgt um Verkehrschaos durch regelmäßige Proteste

Nicht nur Politiker, auch Vertreter von Flüchtlingsverbänden kritisieren das geplante Projekt. Vor allem der Aspekt, dass Menschen, die einreisen und einen regulären Asylantrag stellen möchten, dort zunächst in Flughafengewahrsam kommen, sehen sie kritisch. In diesem Gewahrsam sind die Menschen laut eines Sprechers des Flüchtlingsrates Brandenburgs vollständig isoliert und hätten seiner Erfahrung nach nur spärlichen Zugang zu rechtlicher Beratung. Am 9. Februar 2022 organisierten sich zum ersten Mal mehrere Hundert Demonstranten, um gegen das geplante Projekt zu demonstrieren.

Block und die Gemeinde Schönefeld möchten vermeiden, dass die Hauptverkehrsader der Gemeinde, die B96a, regelmäßig von Demonstranten blockiert wird. Johlige ist sich sicher, dass da noch viel von Seiten der Demonstranten passieren wird. "Die Verantwortlichen können den Platz für Demonstranten gleich mit einplanen", meint sie.

Mittlerweile haben Andrea Johlige (Die Linke) und ihre Fraktion einen Antrag im Landtag eingereicht, in dem sie die Landesregierung Brandenburgs auffordern, Details zu Hintergründen, Dimension und Kosten offenzulegen. Im Landtag besprochen wird dieser am kommenden Mittwoch. So richtig daran glauben, dass es am Mittwoch die gewünschten Antworten gibt, tut Johlige allerdings nicht.

Sendung: Brandenburg Aktuell: 09.02.2022

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