Nicht mal ein Zehntel - Berlin kann Ansprüche auf Sozialwohnungen bei weitem nicht erfüllen

Fr 15.07.22 | 08:15 Uhr
Sozialbauten Chausseestraße, Berlin-Wedding (Quelle: imago images)
Audio: rbb24 Inforadio | 15.07.2022 | Angela Ulrich | Bild: imago images

Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten viele Berliner Haushalte, doch selbst wenn diese erfolgreich einen Wohnberechtigungsschein beantragen, fehlt es an verfügbaren Wohnungen. Dazu kommt: Die Wohnungen werden nicht mehr, sondern weniger.

Fast jeder zweite Berliner Haushalt hätte Anspruch auf eine Sozialwohnung. Doch nicht mal für jeden zehnten Haushalt stünde eine solche auch zur Verfügung. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf eine parlamentarische Anfrage des Linken-Abgeordneten Niklas Schenker hervor, die dem rbb vorliegt.

Viele Ansprüche für zu wenige Wohnungen

Demnach haben aktuell zwar 968.900 Haushalte Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS). Doch dieser großen Anzahl von Berechtigten stehen in ganz Berlin nur 88.901 Sozialwohnungen gegenüber – Stand Dezember 2021.

Darüber hinaus werden in den nächsten fünf Jahren circa weitere 20.000 Sozialwohnungen ihre Mietpreis-und Belegungsbindung verlieren. Das heißt: Die Eigentümer können dann deutlich mehr Geld pro Quadratmeter verlangen und die Wohnungen an reguläre Mieter weitervermieten. Für WBS-Berechtigte wird es dann noch weniger Wohnraum in Berlin geben.

Linke will Anspruch auf Sozialwohnungen Verlängern

Zwar will das Berliner Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen den Bau von je 5.000 Sozialwohnungen pro Jahr fördern – doch damit könnte zunächst lediglich der Wegfall der gebundenen Wohnungen kompensiert und der Status quo von heute aufrechterhalten werden.

Niklas Schenker von den Linken fordert deshalb, dass landeseigene Wohnungsunternehmen verstärkt auslaufende Sozialwohnungen ankaufen. Darüber hinaus könnte ein Bindungsende für Sozialwohnungen gesetzlich neu festgeschrieben werden, so Schenker: Auf etwa vierzig oder fünfzig Jahre, statt wie bisher auf 30 Jahre.

WBS: Lange Wartezeiten und keine Aussicht auf Erfolg

Auch der Berliner Mieterverein sagte dem rbb auf Nachfrage: "Es ist besorgniserregend, dass immer mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen."

Von den insgesamt knapp einer Million WBS-berechtigten Haushalte in Berlin sind nach Angaben der Senatsverwaltung für Bauen lediglich 49.800 Haushalte auch tatsächlich im Besitz eines Scheines - also nur ein kleiner Teil der Haushalte. Der Berliner Mieterverein vermutet, dass der WBS-Beantragungs-Prozess für manche Mieter zu kompliziert sein könnte. Andererseits seien die Aussichten auf Erfolg auf dem Mietenmarkt ohnehin so gering, dass viele womöglich gar nicht erst versuchen, den Schein zu beantragen.

Einen WBS spontan während der Wohnungssuche zu bekommen, ist außerdem schwierig. Die Bearbeitungszeit dauert in Berlin im Schnitt sieben Wochen: Mit 14 Wochen besonders lange in Marzahn-Hellersdorf, mit vier Wochen geht es in Reinickendorf verhältnismäßig schnell.

Wer ist berechtigt?

Wohnungssuchende, die dauerhaft in Berlin leben und deren Haushaltseinkommen eine bestimmte Grenze nicht überschreitet, haben Anspruch auf einen WBS. Bei einem Single-Haushalt sind das zum Beispiel 16.800 Euro pro Jahr. Verschiedene Personengruppen werden zudem mit erhöhter Dringlichkeit bearbeitet und haben auch mit einem höheren Einkommen Anspruch. Dazu gehören Senioren, werdende Mütter und Menschen mit einer Behinderung.

Auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen kann man mit dem WBS-Rechner prüfen [berlin.de], ob Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein besteht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.07.2022, 07:12 Uhr

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