Elektromobil zum Zug -
Mit schweren Koffern im Auto zum Bahnhof und das Sharing-Car dort einfach stehen lassen - die Bahn will die letzte Meile komfortabler machen. Ein Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz soll zeigen, ob das klappt. Von Johannes Frewel
Wer auf dem Fernbahngleis 8 am Berliner Bahnhof Südkreuz ankommt, sieht sie direkt auf der anderen Seite des Gleises: die Elektro-Flotte für den Weg nach Hause. In weißer Schrift auf grünem Grund wirbt die Deutsche Bahn dort für ihren neuen Mobility Hub. Er vernetzt die Angebote der Bahn mit privaten Geschäftsmodellen. Gebucht werden kann die nahtlose Mobilität per Smartphone etwa mit der Jelbi-App der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG).
Bahn rüstet "letzte Meile" für Mobilität per Smartphone
Philipp Henzgen soll Bahnhöfe fit machen für die geänderten Mobilitätbedürfnisse vor allem der Generation zwischen Mitte 20 und Mitte 40. Berufseinsteiger und Menschen in der Rush-Hour des Lebens planen ihre Mobilität oft spontan, alles geht per Smartphone. Henzgen ist Projektmanager beim Bahnhofsbetreiber Station@Service und soll Bahnimmobilien digital aufrüsten. Es geht um die Vernetzung der Bahn-Fernzüge mit dem kommunalen ÖPNV und vor allem mit elektrisch motorisierter Mikromobilität privater Sharing-Anbieter.
Der Mobilitätsmarkt ist riesig. Das Statistische Bundesamt hat ermittelt: monatlich geben Verbraucher etwa 270 Euro für Mobilität aus. Tendenz klar steigend. Ein Wachstumsmarkt auch für Elektromobilität. Sie will die Bahn bündeln, um Verkehrs- und Wirtschaftskreisläufe zeitgemäß anzukurbeln.
Sharing-Anbieter vernetzen sich mit Bahn-Elektrozügen
"Wir haben alle relevanten Sharing-Anbieter am Südkreuz versammelt", sagt Henzgen und zählt auf: Call-a-Bike bei den Fahrrädern, Voi, Tier, Lime und Bolt bei Rollern, Emmi und Felyx bei Elektro-Mopeds und Miles beim Carsharing. Nicht wie üblich wild verstreut rund um den Bahnhof, sondern gemeinsam auf einem Platz vor dem Ostausgang stehen die Zwei- und Vierräder geordnet in mehreren Reihen auf Abstellflächen bereit.
Digital geordnet wird das in der BVG-App Jelbi. "Dort bündeln wir die Mobilität, damit Kunden Anschlussmobilität oder einen Hinbringer zum ÖPNV finden", erklärt Sandra Talebian das digitale Geschäftsmodell. Sie ist Jelbi-Managerin und verhandelt, damit auch Call-a-Bike und Felyx als Nachzügler unter das Jelbi-Dach schlüpfen.
Nora Goette, Sprecherin des Carsharing-Anbieters Miles erwartet vor Weihnachten die erste Belastungsprobe, sagt sie. Sie registriere, dass Bahnreisende nicht nur vom Zug ins Auto wechselten, sondern gern auch den Mobilitäts-Service zum Bahnhof nutzten. Sie können das Auto dort einfach auf einem der gekennzeichneten Parkplätze stehenlassen. "Jetzt gerade zur Feriensaison wird es besonders spannend", sagt Goette. Private Sharing-Anbieter profitieren davon, dass die Autodichte in Berlin je Einwohner deutlich geringer ist als etwa in München. Viele Berliner besitzen kein Auto und nutzen stattdessen Bus und Bahn. Sie sind im Bedarfsfall potenzielle Kunden. "Hier ist die Alternative im Zusammenschluss mit all den anderen Anbietern", sagt Goette über die Mobility Hubs der Bahn.
Autonomer Elektrobus "Olli" schafft Weg zum Südkreuz nicht
Hat der gemeinsame Hub der Bahn und der BVG für mehr grüne Mobilität Erfolg, dann könnte etwa am Ostkreuz ein zweiter folgen. Ein weiteres Projekt ist derweil in weite Ferne gerückt. Im nahegelegenen Euref-Campus rund um den ehemaligen Gasometer in Schöneberg forschen Wissenschaftler an Projekten für die Energiewende und nachhaltigen Verkehr. Auf dem Gelände ist fahrerlos ein kleiner autonomer Elektrobus unterwegs, "Olli". Der Traum, ihn eines Tages auch zum Bahnhof Südkreuz pendeln zu lassen, ist vorerst geplatzt. Für eine öffentliche Straßenzulassung autonom fahrender Busse müssen Forscher noch zahlreiche Probleme lösen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.12.2022, 19:35 Uhr