Berliner Fußballer im Westjordanland - "Man erlebt schon heftige Sachen"
Der Berliner Daoud Iraqi wurde 2022 palästinensischer Meister mit Al-Khaleel SC. Dabei erlebte der 23-Jährige Offensivspieler die Konflikte in der Heimat seiner Eltern hautnah, aber auch die grenzenlose Fußballbegeisterung.
Es gibt Orte, wo man nicht vermuten würde, dass dort Fußballfeste gefeiert werden. Die palästinensischen Autonomiegebiete sind ein solcher Ort. Wo der Konflikt mit Israel fast zu jeder Zeit spürbar und sichtbar ist, wo schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren und wo es mitunter zu ausufernder Gewalt kommen kann. Manchmal reicht da ein kleiner Funke, um dieses Pulverfass zum Explodieren zu bringen.
Nach einem Unentschieden "brannte die Hütte"
Doch auch hier wird professionell Fußball gespielt – mit zum Teil großer Begeisterung in den Stadien. "Die Zuschauer sind brutal, sehr laut und sehr präsent. Wir haben einmal nur Unentschieden gespielt und schon brannte da die Hütte", sagt Daoud Iraqi. Der gebürtige Berliner ist in die palästinensischen Gebiete gegangen, um dort Fußball zu spielen – zurück zu den Wurzeln seiner Familie. Und er kam mit einem Meistertitel zurück.
Dabei liest sich sein Werdegang bis Januar 2022 wie der von vielen Talenten des Berliner Fußballs. Iraqi beginnt bei Hertha 03 mit dem Kicken, sein Talent wird erkannt und der dribbelstarke Offensivspieler wechselt in die Jugend von Tennis Borussia, spielt dort Junioren-Bundesliga, später im Seniorenbereich für den Berliner AK und abermals bei TeBe in der Regionalliga Nordost. So weit - so normal.
In Israel wird er ständig kontrolliert
Doch im Januar 2022, nachdem er einen glücklosen Wechsel zu Phönix Lübeck vollzogen hatte, bekommt er ein Angebot von Al-Khaleel SC, einem Verein aus Hebron, einer knapp 200.000 Einwohner zählenden Stadt im Westjordanland. Iraqi sagt zu. Zuvor war er bereits für die palästinensische Nationalmannschaft aufgelaufen. Sein Berater hatte ihn empfohlen. Und nach einem erfolgreichen Testspiel in der U23 gegen einen Klub aus Katar darf sich Iraqi Nationalspieler nennen. "Seitdem wurde ich immer wieder nominiert", erklärt Iraqi, der es seitdem auf drei Einsätze im Nationalteam gebracht hat.
Überzeugen konnte der 23-Jährige auch im Trikot von Al-Khaleel. Abseits des Platzes schätzt er die warmherzige Gastfreundschaft der Menschen: "Es geht dort sehr familiär zu. Ich wurde dort nie allein gelassen, jeden Tag eingeladen zu Leuten, die ich nicht mal kannte." Aber das Prägende bleibt auch für ihn der Konflikt mit den Israelis. Zumindest darf Iraqi die Grenze nach Israel an den Checkpoints überqueren, weil er auch einen dänischen Pass besitzt – im Gegensatz zu seinen palästinensischen Mitspielern. Er reist nach Tel Aviv. Dort fühlt er sich fremd, wird ständig von Ordnungskräften kontrolliert.
Der deutsche Fußball fehlt ihm
Zurück im Westjordanland wartet der harte Alltag eines Krisengebietes auf den Fußballer Daoud Iraqi. "Da erlebt man schon heftige Sachen. Die Leute sagen dir dann: 'Geh nicht mehr raus, es passiert gleich irgendwas.' Und darum wollte ich auch irgendwann zurück nach Berlin."
Zumal ihm auch irgendwann "das Taktische und intensive Training" des deutschen Fußballs fehlt. "Der Fußball dort ist durchaus professionell", sagt Iraqi. Die Heimspiele im Dura International Stadium würden beispielsweise meistens vor 15.000 Zuschauern stattfinden und auch die Spieler hätten zum Teil deutsches Drittliganiveau. Aber "taktisch geht es viel mehr über den Kampf. Die Bälle werden einfach lang geschlagen. Kein Vergleich zu Deutschland", erklärt der 23-Jährige. Außerdem vermisst der junge Spieler zusehends seine Familie.
Neuanfang bei Babelsberg 03
Nach sechs intensiven Monaten hat er genug von Al-Khaleel SC und wechselt Anfang Juli wieder zurück in die Regionalliga – diesmal zu Babelsberg 03. "Es war eine gute Erfahrung. Man verdient dort auch ordentlich Geld. Aber Geld ist nicht das Wichtigste", sagt er heute. In Babelsberg spielt Daoud Iraqi wieder unter Trainer Markus Zschiesche, ein Coach, den er bereits in seiner Zeit bei Tennis Borussia schätzen gelernt hat.
Der palästinensischen Nationalmannschaft will Iraqi dennoch erhalten bleiben. Momentan wartet er noch auf eine Nominierung für die kommenden Spiele. Die gastfreundliche Kultur, aber auch die harten Konflikte in der Heimat seiner Eltern hat er hautnah miterlebt. Diese Erfahrung zu machen war gut, so Daoud Iraqi. Denn: "Dort ist wirklich alles intensiver."
Sendung: rbb24|Inforadio, 22.12.2022, 14:15