Interview | Umweltsenatorin Jarasch - "Wir spüren den Klimawandel in Berlin besonders"
Wasser steht unter dem direkten Einfluss des Klimawandels. Die Ressource wird auch in Berlin immer knapper. Wie ein Paradigmenwechsel gelingen kann und welche Projekte die Stadt anschiebt, sagt Umweltsenatorin Bettina Jarasch im rbb|24-Interview.
rbb|24: Frau Jarasch, der Naturschutzbund BUND sagt, die Berliner Kleingewässer seien in mindestens mangelhaftem Zustand. Hydrologen und Landschaftsarchitekten bestätigen das im Großen und Ganzen. Wie bedroht sind Berlins Kleingewässer durch den Klimawandel?
Bettina Jarasch: Sie sind bedroht. Das hat auch damit zu tun, dass Berlin eine der heißesten und zugleich eine der trockensten Regionen im ganzen Bundesgebiet ist. Wir merken das nicht nur an den Hitzesommern: Auch in den vergangenen Wintern war Schnee hier eher die Ausnahme als die Regel. Wir spüren den Klimawandel in Berlin besonders. Die Kleingewässer trocknen aus – und es geht dann auch um die umliegenden Lebensräume, denn diese kleinen Tümpel und Weiher sind wertvolle Biotope für Amphibien und andere Tiere.
Der BUND hat errechnet, dass fast die Hälfte aller Kleingewässer in einem gefährdeten Zustand sind. Was bedeutet das für die Menschen?
Das werden auch die Menschen zu spüren bekommen, wenn wir nichts tun. Denn diese Kleingewässer sind auch Verdunstungsflächen. Es sind Flächen, die das Stadtklima kühlen – und es sind natürlich auch Erholungsräume. Das haben wir in den letzten zwei Corona-Jahren gemerkt: Die Menschen in dieser Stadt brauchen nichts so dringend wie Erholungsflächen. Also müssen wir aus sehr vielen Gründen diese Kleingewässer schützen. Für die Menschen, für die Tiere, fürs Stadtklima.
Was können wir tun?
Wir müssen unseren Umgang mit dem Wasser komplett umstellen. Da brauchen wir einen echten Paradigmenwechsel, den wir in Berlin auch bereits eingeleitet haben. Das heißt: Wir müssen das Regenwasser, das es gibt, vor Ort nutzen und nicht in die Kanalisation ableiten. Es muss versickern oder verdunsten können. Und für unsere Kleingewässer brauchen wir noch mehr: Die müssen wir wirklich aufwerten und erst einmal die Wasserversorgung durch eine angepasste Regenwasserbewirtschaftung vor Ort verbessern.
Das ist – wie Sie sagen – ein Paradigmenwechsel, ein Strukturwandel, der aufwendig und teuer ist. In welchem Zeitrahmen können wir damit rechnen, dass es gelingen kann?
Wir entwickeln gerade einen Masterplan Wasser, in dem wir das gesamte Großthema Wasser angehen. Wir müssen im Moment einige Gewässer auch mit Trinkwasser und Grundwasser zusätzlich bewässern, damit der Wasserspiegel nicht zu sehr sinkt. Das können wir uns eigentlich nicht leisten.
Wir brauchen wirklich diesen Paradigmenwechsel: Wir müssen mit dem Wasser sehr sorgsam umgehen und uns klarmachen, wie kostbar diese Ressource ist. Das bedeutet auch Investitionen in die Wasserbetriebe in den nächsten Jahren. Es bedeutet, Wasser zu sparen – und die Gewässer, die wir haben, zu sichern. Wir haben mit den sogenannten "Blauen Perlen" einen Anfang gemacht: Das sind 30 Kleingewässer in Berlin, die wir jetzt per Senatsbeschluss gesichert haben und die wir aufwerten werden.
Wie konkret ist denn eigentlich dieses Projekt? Es gibt jetzt zwei Projekt-Teiche. Dort werden zwei Jahre erst einmal die Maßnahmen ausprobiert. Dauert das nicht zu lang?
Wir beginnen mit diesen beiden Projekten. Und ich glaube, dass wir dieses Vorhaben noch sehr, sehr viel größer fahren müssen und auch können: Wir haben es in dieser Stadt mit Flächen-Konkurrenzen zu tun. Wir brauchen Flächen für Schulbau, aber auch für Wohnungsbau. Und wir müssen gleichzeitig die Gewässer, aber auch Grünflächen sichern.
Und genau deswegen gibt es das sogenannte Öko-Konto: Das Öko-Konto ist im Grunde eine Art präventive Sicherung von Flächen, die dann Bauprojekten zugeordnet werden können. Denn bei jedem Bauprojekt muss es Ausgleichsflächen geben, die eben für Natur, Grün, für Freizeit, aber auch für Gewässer gesichert werden müssen.
Ich finde, dazu müssen die Bauherrinnen und Bauherren in Zukunft auch einen Beitrag leisten. Wenn irgendwo gebaut wird, dann können sie auch etwas dafür zahlen, dass wir im Gegenzug Gewässer, aber auch Grünflächen sichern. Auf diese Weise kann die Grundidee des Öko-Kontos noch eine sehr viel größere Rolle spielen als nur für diese 30 Gewässer.
Oder Sie können auch gleich Wasser-Auffangflächen, zum Beispiel auf Dächern von Gebäuden fördern, die dann Wasser zuliefern für Kleingewässer.
Das gehört mit zu dem Paradigmenwechsel, über den wir schon gesprochen haben, dass wir tatsächlich auch versiegelte Flächen, also Straßen, aber eben auch Dächer nutzen, indem wir das Regenwasser dort ableiten und vorgereinigt in ein nahegelegenes kleines Gewässer einleiten. So etwas kann man auch bei der Planung künftiger Stadtquartiere ganz grundsätzlich machen.
Unser Ziel sind ja neue Stadtquartiere, wo das Regenwasser vor Ort komplett genutzt wird, auch für Kleingewässer, die in der Nähe sind. Das müssen wir nutzen. Wir haben in den vergangenen Jahren schon die Grundlagen geschaffen: Wir haben nicht nur die Wasserbetriebe, wir haben seit 2018 auch die Regenwasseragentur, also eine Tochter des Landes, die beispielsweise Wohnungsunternehmen beraten kann, wie man das macht.
Das ist eine Mammutaufgabe. Wahrscheinlich ist es den Berlinerinnen und Berlinern noch gar nicht klar, was da alles auf sie zukommt. Wie steht Berlin im überregionalen Vergleich da?
Wir sind in Sachen Paradigmenwechsel – also der dezentralen Nutzung des Regenwassers – zusammen mit Hamburg relativ weit vorne dran. Es ist natürlich ein typisches Großstadt-Problem. Es ist tatsächlich ein Mammutprojekt. Wir werden investieren müssen und wir werden die Entscheidung treffen müssen, ob Berlin auch in Zukunft noch seinen Wasserbedarf aus den eigenen Beständen sichern kann, wie es in den letzten Jahrzehnten war – oder ob wir Wasser importieren müssen. Ich hoffe, wir schaffen das aus eigenen Beständen.
Die Berlinerinnen und Berliner lieben ihr Wasser. Das haben wir feststellen können, als wir an der Hönower Weiherkette unterwegs waren. Die ist schon weitgehend ausgetrocknet. Dort gründet sich jetzt eine Bürgerinitiative. Und es gibt auch Kritik. Bei den zuständigen Bezirken gebe es nicht genug Kompetenz, nicht genug Geld, nicht genug Aufmerksamkeit. Wie können Sie als Umweltsenatorin die Bezirke da ertüchtigen? Oder müssen Sie sogar noch weiter gehen und das Ganze an sich ziehen?
Die Bezirke haben tatsächlich in vielen Bereichen ein Personalproblem, ein Kapazitätsproblem. Das werden wir nur stückweise abbauen können. Wir werden es aber abbauen müssen. Und ich bin ganz grundsätzlich davon überzeugt, dass es einen kooperativen Ansatz braucht. Das heißt: Ich werde nicht mit dem Finger auf die Bezirke zeigen, sondern ich werde mich mit den Bezirken zusammensetzen und überlegen, wie wir gemeinsam vorankommen können. Wir haben ja auch Landesakteure, die jetzt beispielsweise das "Blaue-Perlen"-Programm umsetzen. Das sind nicht nur die Wasserbetriebe und die Regenwasseragentur, das ist auch die Stiftung Naturschutz, die dann die Renaturierung und die Aufwertung als Biotop-Flächen übernimmt.
Sie sind noch nicht so lange Senatorin. Die Kritik lautet auch: über 100 der vom BUND untersuchten Kleingewässer sind den Behörden gar nicht bekannt. Hat es da große Versäumnisse auch von Vorgänger-Senaten und –Verwaltungen gegeben?
Mein Eindruck ist, dass die zuständige Abteilung hier im Haus ihre Gewässer sehr genau im Blick hat und sich auch sehr freuen würde, wenn es mehr Aufmerksamkeit gibt, auch mehr Gelder. Also: Das kann ich so nicht sehen. Es ist einfach eine große Aufgabe. Und hier, wie bei allen anderen großen Aufgaben dieses Landes, gilt: Wir können nur eins nach dem anderen machen. Hauptsache: Wir machen es.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Jarasch!
Das Interview mit Bettina Jarasch führte Torsten Mandalka, rbb24 Recherche
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