#Wiegehtesuns? | Junger trans Mensch - "Man lernt relativ schnell, für sich eine Mauer aufzubauen"

Mo 30.05.22 | 16:40 Uhr
Die 17-jährige Vera (Quelle: rbb/Matthias Bartsch)
rbb/Matthias Bartsch
Video: rbb|24 | 30.05.2022 | Autorin: Karo Krämer | Bild: rbb/Matthias Bartsch

Vera wird bei der Geburt zugeschrieben, ein Junge zu sein. Vor einigen Jahren wird ihr jedoch klar, dass dieses zugeschriebene Geschlecht für sie nicht richtig ist. Seit einigen Wochen nimmt sie Hormone. Ein Gesprächsprotokoll.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, was sie gerade beschäftigt – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Vera ist 17 Jahre alt und lebt in Prenzlauer Berg in Berlin. Vor vier Jahren outete sie sich als schwul. Heute bezeichnet sie sich als transsexuell. Als die Corona-Pandemie ausbrach, verbrachte Vera viel Zeit damit, über sich nachzudenken. Nach und nach habe sie erkannt, sagte Vera, wie sie sich fühlt, was sie sich wünscht und vermisst.

Dass ich ein Mädchen sein möchte und kein Junge, habe ich meiner Mutter eher nebenbei auf dem Sofa erzählt. Es hat sich gut angefühlt und meine Familie hat auch nie ein großes Ding daraus gemacht. Auch im Freundeskreis oder in der Schule gab es keine negativen Erfahrungen deswegen. Die habe ich leider trotzdem immer wieder im öffentlichen Raum und mit fremden Menschen.

Man lernt relativ schnell, für sich eine Mauer aufzubauen. Trotzdem schockieren einen manche Erfahrungen. Am Alexanderplatz hat mir mal ein Fremder ins Gesicht gespuckt und "scheiß Transe" gerufen. Ich bin auch schon öfter nach Hause verfolgt worden. Mehrmals habe ich bei der Polizei Anzeige erstattet. Es hat zwar noch nie etwas bewirkt, also zum Beispiel eine Strafe. Aber so etwas ist trotzdem wichtig, allein schon für die Statistik. Übergriffe auf transidente, queere oder homosexuelle Menschen, von denen die Öffentlichkeit gar nichts erfährt, finden leider viel zu häufig statt.

Was ist der Diversity-Tag?

Am 31. Mai ist der 10. Diversity-Tag der Charta der Vielfalt [charta-der-vielfalt], die sich für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld einsetzt. Vielfalt bezieht sich auf die Wertschätzung und Teilhabe aller Menschen unabhängig von ihrer ethnischen, regionalen und sozialen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung und Identität.

Mehr Informationen zum Themenschwerpunkt Diversity in der ARD und im rbb hier.

Am Dienstag (31.05.) um 20:15 geht die rbb-TV-Sendung "Wir müssen reden" der kontroversen Frage nach, ob Vielfalt verordnet werden muss.

Mein Umfeld würde ich als divers bezeichnen. Ich war schon immer so wie ich jetzt bin und habe mich noch nie wirklich versteckt. Ich habe mich immer von Menschen angezogen gefühlt, die sich von mir angezogen fühlten. So hat sich ein Freundeskreis entwickelt mit sehr wichtigen Menschen für mich, die ähnlich ticken wie ich.

Von ihnen und auch sehr stark von meinen Eltern habe ich viel Unterstützung erhalten, wenn es mir mal schlecht ging oder ich nicht weiterwusste. Es war ein langer Weg, bis ich das Okay bekam, Hormone nehmen zu können. Neben einem psychologischen und psychiatrischen Gutachten habe ich auch viele Gespräche mit einem Endokrinologen geführt [Die Endokrinologie befasst sich mit Hormonen und hormonproduzierenden Organen, Anm.d.Red.]. Am Ende ist es aber gut, dass dieser Prozess länger dauert, denn wenn zum Beispiel ein Mensch mit einer körperdysmorphen Störung glaubt, er sei transident, kann eine falsche Behandlung schlimme Nebenwirkungen wie Depressionen auslösen. [Eine körperdysmorphe Störung ist gekennzeichnet durch eine übermäßige Beschäftigung mit einem eingebildeten Mangel oder einer befürchteten Entstellung der äußeren Erscheinung, Anm.d.Red.]

Ich möchte auf jeden Fall irgendwann eine geschlechtsangleichende Operation machen. Mein Gesicht mag ich eigentlich, so wie es ist. Da wird sich aber allein schon durch die Hormone, die ich nehme, etwas verändern, zum Beispiel die Gesichtszüge. Ich lass mir einfach Zeit und schaue was auf mich zukommt.

Ich habe das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich kenne aber andere transidente Leute, die Zweifel haben: Was, wenn ich doch falsch liege? Was wenn ich in einigen Jahren anders darüber denke? Ich dagegen bin mir sicher, das Richtige zu tun und bin klar festgelegt.

Gesprächsprotokoll: Matthias Bartsch, rbb88,8

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.05.2022, 14:45 Uhr

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