Interview | Transparency-Experte zu rbb-Affäre - "Compliance muss von oben vorgelebt werden"
Christian Erdmann, Experte von Transparency International, übt im Interview mit rbb24-Inforadio Kritik am leistungsbezogenen Vergütungssystem im rbb. In einem von Beiträgen finanzierten Unternehmen halte er das für unangebracht.
rbb: Die internen Kontrollinstanzen beim rbb haben allem Anschein nach nicht richtig funktioniert. Ist es wirklich so schwer, auch in großen Unternehmen dafür zu sorgen, dass sich alle, also auch die Spitze, an die Compliance Regeln halten, sich also ethisch korrekt verhalten?
Christian Erdmann: Das Regelwerk, was sich eine Organisation wie der rbb als Anstalt öffentlichen Rechts gibt, wie auch andere große Einrichtungen, gilt natürlich für alle - von der Intendantin bis zum Pförtner und die Organe, die sich gegenseitig kontrollieren, also der Rundfunkrat, der Verwaltungsrat und dann die Intendanz. Die haben ja klar definierte Aufgaben. Die Frage ist nur, warum können bestimmte Vorgänge diese Kontrollmechanismen passieren, ohne dass entdeckt wird, dass das nicht in Ordnung ist? Und das wird jetzt Gegenstand der Aufarbeitung sein: Was ist passiert? Gegen welche Regeln ist verstoßen worden? Und warum konnten diese Dinge das Regelwerk des rbb passieren, ohne dass es jemandem aufgefallen ist?
Compliance Regeln, das heißt ja auch, dass man sich ethisch korrekt verhält. Da kann man ja auch von einer Unternehmenskultur sprechen. Wie kann denn ein Unternehmen, besonders ein öffentlich-rechtliches, dafür sorgen, dass sich an die Vorgaben gehalten wird?
Compliance muss natürlich von oben vorgelebt werden. Wir nennen das "tone from the top". Das funktioniert nur, wenn das von oben vorgelebt wird. Und Sie können mir glauben, auch ich habe einigermaßen überrascht geschaut. Wenn man einem solchen Sender vorsteht und ein straffes Sparprogramm durchziehen muss, sich dann einen Audi A8 als Dienstwagen zu gönnen, das hat schon ein gewisses Geschmäckle.
Ich will mal ein Beispiel nennen: Als Herr Platzeck 1998 Oberbürgermeister von Potsdam wurde, in einer Zeit, in der es Potsdam sehr schlecht ging, wo wir Mitarbeiter entlassen mussten, wo wir unser Orchester abgewickelt haben, da hat Herr Platzeck einen Audi A3 als Dienstwagen gefahren und das war ein Statement.
Und Compliance heißt auch, dass man Dinge auch dann nicht macht, wenn sie nicht verboten sind, sondern weil sie ethisch nicht in Ordnung sind. Und da muss im Bewusstsein etwas passieren. Das kann nicht funktionieren, wenn das oben nicht vorgelebt wird.
Für viel Zündstoff unter den Mitarbeitern hier im Haus sorgt das Bonussystem in der Geschäftsleitung, also nicht nur der Audi A8. Es gab Boni für Einsparungen - völlig unverständlich für viele. Aus der freien Wirtschaft kennt man solche Sonderzahlungen. Aber macht das bei öffentlichen Unternehmen denn überhaupt Sinn?
Also es gibt Boni. Es wird ja auch von festen und variablen Gehaltsbestandteilen gesprochen. Der Chefredakteur des rbb hat das ja gestern in der Abendschau mal thematisiert. Das gibt es auch in öffentlichen Unternehmen. Allerdings muss man da differenzieren. Es gibt Unternehmen, die agieren am Markt, wie Energieversorger. In einem Wasserbetrieb oder in einem Straßenreinigungsbetrieb, die gebührenfinanziert sind, halte ich das Thema Bonus für eher unangebracht.
Im Fall des rbb ging es ja auch um Vorgaben des Staatsvertrages, wirtschaftlich und sparsam mit Gebührengeldern umzugehen. Welche Strukturen müssten sich jetzt ändern, damit die Aufsicht darüber in Zukunft besser klappt?
Wahrscheinlich müsste der Verwaltungsrat, der ja dem Wirtschaftsplan zustimmen muss, sich das detaillierter angucken. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Umbau der Intendanz-Etage geheim gelaufen ist und keiner mitbekommen hat, was da passiert ist. Wenn man sieht, dass da so große Umbauten passieren, dann muss man auch nachfragen.
Ein Verwaltungsrat hat auch die Aufgabe, die Intendanz zu kontrollieren und wenn Dinge nicht klar aus einem Wirtschaftsplan-Entwurf hervorgehen, dann muss man nachfragen. Es ist die Aufgabe, zu kontrollieren. Und auch das wird natürlich jetzt abzuarbeiten sein, inwiefern der Verwaltungsrat seiner Kontrollfunktion umfassend nachgekommen ist. Das lässt sich von außen schwer beurteilen, aber das wird man sich jetzt genau angucken müssen.
Sie haben eine Anwaltskanzlei beauftragt, es gibt eine interne Revision, es gibt das Rechercheteam - wenn die ganzen Verstöße jetzt auf dem Tisch liegen, dann wird man sie bewerten. Was ist strafrechtlich relevant, was ist dienstrechtlich relevant, wo sind Compliance-Verstöße vorgekommen? Dann kann man sich erst angucken, wie das passieren konnte. Anschließend müssen am internen Kontrollsystem, an den Kontrollmechanismen Veränderungen, Verbesserungen vorgenommen werden.
Ein Kontrollsystem ist ja nie fertig. Das ist nie perfekt, sondern man wird immer wieder, wenn was passiert, feststellen, oh, da haben wir eine Lücke. Die muss geschlossen werden. Die Lücken scheinen hier relativ groß gewesen zu sein. Also wird man Maßnahmen ergreifen müssen, um diese Lücken im Kontrollsystem zu schließen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.08.2022, 09:05 Uhr