Durchsuchungen auch in der Region - Razzien in elf Bundesländern gegen Neonazis

Mi 06.04.22 | 12:02 Uhr
Bundesweite Razzien gegen Neonazis
Audio: Inforadio | 06.04.2022 | Juliane Kowollik | Bild: dpa/ Martin Wichmann

Beamte ermitteln bundesweit gegen Rechtsextremisten. Auch in Berlin und Brandenburg durchsuchten am Mittwoch Polizisten Wohnungen, darunter in Berlin-Rudow, in Potsdam und im Barnim. Mehrere Verdächtige wurden festgenommen.

Mehr als 800 Ermittler haben in elf Bundesländern Razzien gegen mutmaßliche Rechtsextremisten durchgeführt. Wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft dem rbb bestätigte, wurden dabei bis zum Donnerstagvormittag auch ein Objekt in Berlin und drei in Brandenburg durchsucht. Die beiden Bundesländer seien aber kein Schwerpunkt bei den Ermittlungen.

Nach rbb-Informationen fanden die Razzien in Brandenburg in Potsdam sowie in den Landkreisen Dahme-Spreewald und Barnim statt.

Die Berliner Polizei bestätigte auf Twitter, in Rudow und in Mitte Razzien gegen Rechtsextreme durchgeführt zu haben. Laut "B.Z." handelt es sich bei dem Objekt in Rudow um die Wohnung eines 29-jährigen Neonazis in Rudow. Er soll demnach am Mittwoch wegen gefährlicher Körperverletzung, besonders schwerem Landfriedensbruch und Verwendung von verfassungswidrigen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor Gericht stehen.

Kampfsportgruppe wird Gewalt vorgeworfen

Vier Personen aus dem Umfeld einer Eisenacher Kampfsportgruppe seien bereits festgenommen worden, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Mittwoch. Es bestehe der Verdacht der Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung. Bundesweit gebe es 50 Beschuldigte.

Bei der Kampfsportgruppe aus Eisenach handelt es sich demnach um "Knockout 51". Dies sei eine Gruppierung, die "unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlockt, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert und für Straßenkämpfe ausbildet", teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Trainiert wurde demnach in der Zentrale der Thüringer NPD, im "Flieder Volkshaus" in Eisenach. Auch hier gab es Durchsuchungen. Bei den Vorwürfen gehe es um Körperverletzung, vor allem gegen Menschen aus der linken Szene, aber auch gegen Polizisten. Die Beschuldigten sollen versucht haben, mit Kiezstreifen "für Ordnung" zu sorgen und dabei im Januar und Februar dieses Jahres mehrere Menschen verletzt haben. Den Ermittlern zufolge war bei Auseinandersetzungen mit Angehörigen der linken Szene auch der "Einsatz von Hieb- und Stichwaffen vorgesehen".

Einer der Festgenommenen ist Schlüsselfigur der Szene

Außerdem sollen Mitglieder von "Knockout 51" den Angaben zufolge auch an Protesten gegen die Corona-Maßnahmen teilgenommen haben, um dort Gewalt zu provozieren. Verfassungsschützer vermuten, dass die Zahl 51 für den fünften und ersten Buchstaben des Alphabets steht, also EA - Eisenachs Kürzel auf Autokennzeichen. Festgenommen wurde auch ein Mann, der erst vor kurzem in einem Verfahren des Oberlandesgerichts Dresden um Angriffe mutmaßlicher Linksextremer auf politische Gegner als Zeuge geladen war. Er betreibt in Eisenach das Szenelokal "Bull's Eye", das 2019 zwei Mal zum Schauplatz von Überfällen wurde.

Schlüsselfigur ist einer der Festgenommenen, der mutmaßliche Gründer von "Knockout 51". Der 24-Jährige geriet 2019 bei Ermittlungen gegen die "Atomwaffen Division" und eine rechtsterroristische Internet-Chatgruppe, das "Sonderkommando 1418" (SKD 1418), in den Blick der Behörden. Durch seine Kontakte zu einem anderen Beschuldigten seien die Ermittler darauf gestoßen, dass das Verbot von "Combat 18" unterlaufen werde, hieß es. Seit 2020 ist diese Gruppe in Deutschland verboten. Mitglieder hätten gegen das Vereinigungsverbot verstoßen.

Die Chatgruppe "SKD 1418", die die Bundesanwaltschaft ebenfalls als terroristische Vereinigung einstuft, soll zwischen Herbst 2019 und Februar 2020 aktiv gewesen sein. Ihr sei es ebenfalls darum gegangen, "Anhänger für terroristische Anschläge zum "Rassenkrieg" und zur Zerstörung bestehender demokratischer Systeme unter Ersetzung durch ein neofaschistisches System zu gewinnen".

Die deutsche Sektion von "Combat 18" war Anfang 2020 verboten worden. Der Name steht für "Kampfgruppe Adolf Hitler" - abgeleitet vom ersten und achten Buchstaben des Alphabets (A und H). Die Bundesanwaltschaft hat Hinweise darauf, dass es auch in jüngster Zeit noch Zusammenkünfte gab. Die Teilnehmer hätten "Leistungsmärsche" absolviert und Aufnahmeprüfungen für Neulinge abgehalten.

"Wichtiger Schlag" gegen Rechtsextremismus

Die Ermittlungen rund um den Einsatz laufen laut Bundesanwaltschaft bereits seit 2019, insbesondere gegen die "Atomwaffen Division" (AWD) und dessen deutschen Ableger AWDD, einer in den USA gegründeten rechtsextremistischen Gruppierung. Erklärtes Ziel des AWD sei es, durch Anschläge und Morde einen "Rassenkrieg" zu entfachen.

Die Anhänger der "Atomwaffen Division" treten den Angaben zufolge "offen rassistisch, antisemitisch und nationalsozialistisch sowie extrem gewaltverherrlichend" auf. Der deutsche Ableger der 2015 in den USA gegründeten Vereinigung sei ab Mitte 2018 im Internet in Erscheinung getreten. Später habe es Flugblatt-Aktionen an Universitäten gegeben.

Durchsuchungen fanden zusätzlich auch in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Baden-Württemberg statt. Der Schwerpunkt lag laut Bundesanwaltschaft aber in Thüringen. Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, sprach von einem wichtigen Schlag gegen die gewaltbereite rechtsextremistische Szene. Insgesamt hätten am Mittwoch rund 60 Durchsuchungen im Rahmen des Einsatzes stattgefunden.

Haldenwang spricht von einem "wesentlichen Beitrag" zur Zerschlagung von Netzwerken

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sagte der Deutschen Presse-Agentur, durch die intensive und koordinierte Zusammenarbeit der Behörden habe ein wesentlicher Beitrag zur Zerschlagung rechtsextremistischer Netzwerke und zur Aufklärung der sogenannten "Siege"-Szene geleistet werden können. "Siege" bedeutet auf Englisch Belagerung. Die Szene verbreitet nach Angaben des Verfassungsschutzes über das Internet rechtsextremistische Terrorpropaganda und will einen Bürgerkrieg auslösen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte: "Die heutigen Maßnahmen zeigen noch einmal deutlich, dass Vereinsverbote ein scharfes Schwert zur Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind." Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Martina Renner, sagte, die Behörden sollten alles tun, um die Neonazi-Strukturen "endgültig zu zerschlagen".

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.04.2022, 9:03 Uhr

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