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Viele Lebensmittel werden immer teurer - und die Menschen versuchen, beim Einkauf zu sparen. Die Ernährungsforscherin Christina Holzapfel erklärt, wieso das ein Problem ist und was die Politik tun müsste. Von Wanda Bleckmann, Sophia Mersmann, Haluka Maier-Borst
Tief durchschnaufen an der Supermarktkasse, so geht es Vielen in Zeiten der Inflation. Aber wie viel teurer der Einkauf ist, hängt auch davon ab, wer man ist und was man isst. rbb|24 begleitet darum drei Menschen aus Berlin und Brandenburg, die kaum unterschiedlicher einkaufen könnten. Wir schauen uns an, wie und wieso die Inflation bei jedem einzelnen so unterschiedlich ist. Mit Expert:innen analysieren wir außerdem die Inflationstrends und lassen uns erklären, was sie bedeuten.
rbb|24: Frau Holzapfel, Sie hatten gezeigt, wie sich in der Corona-Krise die Ernährungsgewohnheiten verändert haben. Nun sind wir in einer Inflationskrise. Was können wir denn in dieser Krise erwarten?
Christina Holzapfel: In der Coronakrise haben wir gesehen, dass knapp die Hälfte der von uns befragten Menschen deutlich an Körpergewicht zugenommen hat, im Schnitt waren das 5,5 Kilogramm. Besonders betroffen waren Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien. Vor allem Kinder haben sich deutlich ungesünder ernährt und weniger bewegt, jedes sechste ist seit Beginn der Corona-Pandemie dicker geworden. Ein ähnliches Auseinanderdriften der sozialen Schichten könnte auch jetzt passieren.
Damals gab es Lockdowns, die dazu geführt haben, dass wir uns weniger bewegt haben. Aber Joggen gehen, das kann ich ja trotz Inflation. Kann man das so einfach vergleichen?
Natürlich haben Sie Recht. Aber das Grundproblem ist, dass Ernährung und Körpergewicht eine soziale Frage ist. Sozial schwächere Menschen leben eher ungesünder. Es werden falsche Anreize gesetzt, das ist bei beiden Krisen und generell gleich.
Meinen Sie mit falschen Anreizen zum Beispiel, dass Snacks und süße Getränke im Preis stabil bleiben, während andere Sachen teurer werden? Wir sehen ja auch bei unseren drei rbb|24-Einkäufer:innen, das der Snack-Fan am billigsten durchkommt.
Genau. Vor allem Menschen, die ein geringes Einkommen haben und durch die Inflation nun noch weniger im Geldbeutel haben, werden sich überlegen, wo sie sparen können. Da würde ich vermuten, dass die Menschen dort ansetzen, wo die Preise gestiegen sind. Wenn also die Snacks gleich billig bleiben, aber das Gemüse teurer, dann werden sie wahrscheinlich weniger von dem kaufen, was teuer geworden ist. So wird gesunde Ernährung zum Luxusgut. Tatsächlich zeigen Daten zum Umsatz, dass im ersten Halbjahr 2022 deutlich weniger Bioprodukte eingekauft wurden und dass der Umsatz bei Obst und Gemüse einbricht im Vergleich zum Vorjahr.
Aber auch wenn Gemüse teilweise deutlich teurer geworden ist, bei Fleisch und Milch ist die Inflation noch extremer. Ist das nicht eine Chance? Expertinnen und Experten wie Sie sagen ja seit Jahren, dass die Deutschen zu viel Fleisch essen.
Klar, das könnte eine Chance sein, Sie müssen sich vorstellen, dass der durchschnittliche Fleischkonsum pro Kopf und Jahr bei 55 bis 60 Kilo liegt. Das ist viel zu viel. Von daher wäre es großartig für das Portemonnaie des Einzelnen, aber auch für seine Gesundheit sowie für die Nachhaltigkeit als Ganzes, wenn weniger Fleisch gegessen wird. Ich gehe aber eher davon aus, dass die Menschen sich durch die Krise insgesamt ungesünder ernähren, auch wenn vielleicht das ein oder andere Mal auf Fleisch verzichtet wird.
Was müsste denn unternommen werden, damit das nicht passiert?
Die Politik müsste deutlich mehr handeln. So etwas wie der Nutriscore [eine fünfstufige, farbige Skala, die Aufschluss geben soll über das Nährwertprofil von Produkten, Anm.d.Red] auf jedem Produkt muss verpflichtend sein. Außerdem müsste man verpflichtende Regeln schaffen, die verhindern, dass so viel Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln drin ist.
Aber ist das nicht ein bisschen viel Bevormundung, wenn geregelt wird, wie viel Zucker in einem Keks ist?
Man könnte bei der Steuer einen Unterschied machen und Lebensmittel je nach Zucker- und Fettgehalt besteuern. Das ist nicht neu. Andere Länder sind diesbezüglich mit gutem Beispiel vorausgegangen. Damit kann ein Beitrag dazu geleistet werden, einen gesundheitsförderlichen Lebensstil zu fördern.
Ist das nicht unfair? Insbesondere wenn Sie doch sagen, dass Menschen mit geringem Gehalt sich öfters ungesund ernähren. Dann nehmen sie diesen Menschen noch mehr aus der Tasche.
Man könnte gleichzeitig keine Mehrwertsteuer mehr auf Gemüse und Obst erheben beziehungsweise Gemüse und Obst subventionieren. Das wäre ein klares Zeichen. Die Politik sollte auch darüber reden, wie sie die Werbung reglementiert.
Was meinen Sie damit?
Kinder sehen ungefähr 15 Spots für ungesunde Lebensmittel pro Tag. Natürlich hat das einen Effekt und das muss man reglementieren. Die Menge an Zucker, die Kinder essen, ist definitiv zu groß und macht etwas mit ihrer Gesundheit.
Zum Abschluss, was wären denn generell Tipps von Ihnen, um sich gesünder zu ernähren?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche, fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag, dazu Vollkornprodukte und kalorienfreie Getränke. Das wäre ein guter Anfang.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.12.2022, 09:50 Uhr
Beitrag von Wanda Bleckmann, Sophia Mersmann, Haluka Maier-Borst
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